Montag, 29. November 2021

 


Gleich hier anmelden!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

es ist soweit! Die Verhandlerinnen und Verhandler von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt, der die Grundlage für die erste Ampel-Koalition auf Bundesebene bilden wird. In 22 Facharbeitsgruppen haben die Verhandlerinnen und Verhandler - darunter elf grüne Europaabgeordnete - hart für einen Aufbruch in Deutschland und Europa verhandelt und vieles erreicht.

Was bedeutet der Koalitionsvertrag für Europa? Wo konnten wir grüne Erfolge erzielen und wo nicht? Worauf kommt es jetzt in der Regierung an?

Darüber könnt Ihr und können Sie in unserem Webinar mit den elf Europaabgeordneten, die den Koalitionsvertrag mitverhandelt haben, diskutieren und Ihre und Eure Fragen zum Koalitionsvertrag stellen. Mit dabei sind:

Sven GIEGOLD | Terry REINTKE | Reinhard BÜTIKOFER | Hannah NEUMANN | Martin HÄUSLING | Anna CAVAZZINI | Erik MARQUARDT | Jutta PAULUS | Sergey LAGODINKSY | Alexandra GEESE | Michael BLOSS

Im Schlingerkurs zum 1,5‑Grad‑Ziel

 Klimareporter  hier     aus der Kolumne "Tacheles", Sebastian Sladek!

Sebastian Sladek ist geschäfts­führender Vorstand der Elektrizitäts­werke Schönau (EWS). Der studierte Archäologe ist seit 2011 bei dem bekannten Ökostrom­unternehmen im Schwarz­wald in Geschäfts­führungs­verantwortung. Er gehört dem Herausgeber­rat von Klima­reporter° an.

..Trotz aller Anmutung von Aufbruch, Leichtigkeit und Zuversicht: Es bleiben dicke Fragezeichen, wie das 1,5‑Grad-Ziel mit diesem Papier zu schaffen sein kann.

Natürlich gibt es gute Gründe für verhaltenen Optimismus. Der Fahrplan für eine drastische Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus macht nach der jahrelangen Groko-Verhinderungspolitik Hoffnung.

Wirklich mutig wäre ein Bekenntnis zu 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 gewesen. Aber 80 Prozent Erneuerbare zur Deckung des Bruttostrombedarfs sind ein guter Anfang, und auch die Bezugsgröße von jährlich 680 bis 750 Milliarden Kilowattstunden ist realistisch. Das entspricht rund 600 Milliarden Kilowattstunden aus Erneuerbaren – so viel Strom wurde in Deutschland 2019 insgesamt erzeugt. Anspruchsvoll ist das auf jeden Fall!

Optimistisch stimmt auch das Ausbauziel bei der Photovoltaik. Die Ampel plant für 2030 etwa 200.000 Megawatt an installierter Solarleistung. Das ist ein echtes Ausrufezeichen, denn es bedeutet einen jährlichen Zubau von mindestens 15.000 Megawatt. Zu den Hochzeiten des Solarausbaus vor einem Jahrzehnt waren es um die 7.000 Megawatt.

Bei der Windenergie an Land werden die Ambitionen dann deutlich zurückhaltender. Der Vertrag kündigt zwar den Abbau vieler Hemmnisse an, ein konkretes Ausbauziel für 2030 fehlt jedoch. Das ist beunruhigend, denn gerade die Windkraft an Land, das zweite wichtige Zugpferd für die dezentrale Energiewende, birgt in Deutschland noch riesige Potenziale.

Realistischerweise wird der enorme Genehmigungsstau bei der Windkraft den Ausbau auch ohne Hemmnisse noch über Jahre verzögern, was das Fehlen eines konkreten Ziels nachvollziehbar macht.

Die Reaktivierung der Bürgerenergie

Der Vertrag nennt viele weitere, schon bekannte Vorschläge zur Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus. Ziemlich unerwartet und damit um so erfreulicher ist, dass die Bürgerenergie reaktiviert werden soll. Diese avancierte ja vor allem in den Nullerjahren zum Kerntreiber der Energiewende und wurde dann in den letzten Jahren bestenfalls ignoriert, wenn nicht gar gezielt kaltgestellt.

Nun soll die Reaktivierung mit den bürgerenergiefreundlichen Ideen der europäischen RED-Richtlinie gelingen, die im Altmaierschen Wirtschaftsministerium noch auf erbitterten Widerstand gestoßen waren. Die Neukoalitionäre nennen hier zum Beispiel das Recht auf Energy Sharing und die Anpassung der De-minimis-Regelung.

Schlussendlich ist mit dem Bekenntnis zu einem CO2-Mindestpreis und der Absenkung der EEG-Umlage auf null bis Ende kommenden Jahres auch ein wichtiger Schritt zur Beschleunigung der Sektorenkopplung getan, sodass erneuerbarer Strom künftig verstärkt in Wärmepumpen und Elektroautos genutzt werden kann. 

Also Vollgas bei der dezentralen Energiewende in Richtung 1,5 Grad? Wohl nicht ganz, auch wenn der designierte Vizekanzler und Klimaminister Robert Habeck dies bei der Vorstellung des Papiers mit Inbrunst beschwor.

So vermisst man im Koalitionsvertrag leider schmerzlich den Bezug zu einem CO2-Budget. Will Deutschland seinen Beitrag zur Erreichung des Pariser Klimaziels leisten, dann dürfte die Bundesrepublik gemäß dem Sachverständigenrat für Umweltfragen seit 2020 nur noch knapp 6,7 Milliarden Tonnen CO2 emittieren. Im Koalitionsvertrag findet sich aber kein konkreter Anhaltspunkt, wie das Restbudget eingehalten werden soll.

Zwar schafft es das Papier recht glaubwürdig zu vermitteln, wie der Kohleausstieg bis 2030 über den CO2-Mindestpreis gelingen kann. Doch für "Paris" braucht es nicht nur Klarheit, was die Kohle angeht, sondern schnellstmöglich auch ein Ende der Erdgas-Verbrennung. Der Erdgasausstieg ist in seiner Klimawirksamkeit jahrelang unterschätzt worden.

Umso bedenklicher ist daher die Aussage, dass Erdgas "für eine Übergangszeit unverzichtbar" sei. Wann diese Übergangszeit endet, ist völlig offen. Selbst die Bedingung, dass neue Gaskraftwerke künftig "H2-ready", also für die Nutzung von Wasserstoff geeignet sein müssten, ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wärme und Verkehr bleiben Sorgenkinder

Besonders heikel wird es, wenn wir im Koalitionsvertrag auf das Thema Wärmewende schauen. Über 60 Prozent der Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor gehen auf die Erzeugung von Wärme auf Basis von Erdgas zurück. Der Wärmesektor war der einzige Sektor, der in den vergangenen Jahren stets seine Klimaziele verfehlte, und ist neben dem Verkehrssektor das größte Problemkind der Energiewende.

Das aktuelle Klimaschutzgesetz ist daher mit seinen strengen Sektorzielen und Sanktionsmechanismen ein wichtiges Steuerungsinstrument, um Fehlentwicklungen schnellstmöglich zu beheben. Just dieser Mechanismus soll aber nun wohl über die Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes im kommenden Jahr aufgebohrt werden, indem künftig nur noch eine "sektorübergreifende mehrjährige Gesamtrechnung" erfolgen soll.

Zwar soll es künftig "Klimachecks" sowie ein jährliches Monitoring geben. Doch bleibt völlig unklar, was genau damit bezweckt werden soll und vor allem welche Konsequenzen eine erneute Zielverfehlung zum Beispiel im Gebäudesektor haben werden. Hier entsteht der Eindruck, dass sich die Politikbereiche Wärme und Verkehr im Windschatten des ambitionierten Erneuerbaren-Ausbaus am notwendigen Ausstieg aus den fossilen Energien vorbeimogeln.

Nach alldem stellt sich noch die bedeutsame Frage, warum die Ampel auf eine Verschärfung der Klimaziele verzichtet und de facto mit dem weiterarbeitet, was die Groko im Eilverfahren noch vor der Sommerpause beschlossen hatte – obwohl allen klar sein muss, dass diese Klimaziele für Paris nicht ausreichen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Der Ampel-Vertrag ist aus energie- und klimapolitischer Sicht durchaus vielversprechend. Auch die Richtung stimmt, denn er stößt die Tür zum Lösungsraum auf.

Dienstag, 23. November 2021

Großer Erfolg: Europäische Bürgerinitiative "Bienen und Bauern retten!" erreicht knappe 1,2 Millionen Unterschriften

Mehr als eine Million Menschen haben die von einem europäischen Bündnis aus über 220 Organisationen getragene Initiative unterzeichnet. Sie fordert unter anderem einen EU-weiten Ausstieg aus der Anwendung chemisch-synthetischer Pestizide bis spätestens 2035. 

Großer Jubel bei den Initiator*innen: Mehr als eine Million Menschen aus ganz Europa haben die Europäische Bürgerinitiative (EBI) "Bienen und Bauern retten!" (engl.: "Save bees and farmers!") unterzeichnet. Darüber hinaus konnte die erforderliche Mindestanzahl an Unterschriften in neun EU-Mitgliedsstaaten erreicht werden: In Deutschland, Belgien, Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark, Ungarn, Lettland und Rumänien. Erforderlich für den Erfolg der Initiative wäre das Erreichen der Mindestanzahl in lediglich sieben Ländern gewesen. Sollten die nationalen Behörden mindestens eine Million Unterschriften für gültig erklären, gilt die EBI als erfolgreich. Dann müssen die Europäische Kommission und das Europaparlament die Forderungen der Initiative auf die Tagesordnung setzen.

Die Forderungen von "Bienen und Bauern retten!"

Mit der Europäischen Bürgerinitiative "Bienen und Bauern retten!" kommen Menschen aus der ganzen EU zusammen, um die europäische Agrarpolitik grundlegend zu verändern. Die Bürgerinitiative streitet für eine radikale Abkehr von der industriellen Landwirtschaft und für eine bäuerliche, vielfältige und gesunde Landwirtschaft in Europa.

Ihre Kernforderungen sind:

  • Ein schrittweiser Ausstieg aus synthetischen Pestiziden.
  • Der Einsatz von synthetischen Pestiziden soll bis 2030 um 80 Prozent reduziert werden. Bis 2035 soll die EU komplett aus der Nutzung der Ackergifte aussteigen. 
  • Maßnahmen zur Erholung der Biodiversität.
  • Biotopflächen in landwirtschaftlichen Flächen sollen wiederbelebt und Produktionsmethoden so gestaltet werden, dass die Landwirtschaft wieder einen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt leistet.
  • Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern.
  • Die Europäische Agrarpolitik soll reformiert werden. Kleinteilige, vielfältige und nachhaltige landwirtschaftliche Strukturen sollen bevorzugt, der Ökolandbau ausgeweitet sowie die Forschung zu pestizid- und gentechnikfreiem Anbau gefördert werden.
  • hier gibt es mehr Infos dazu

 Regio TV  hier

Wenn es ums Klima geht, wird es oft emotional, und die Meinungen gehen weit auseinander. Selbst die, die sich einig sind, dass man Maßnahmen ergreifen muss, sind sich in der Umsetzung uneinig. Ist es der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2035? Oder muss man mehr auf Erneuerbare Energien wie Windkraft oder Solarenergie setzen? Sollte man als Privatperson darauf achten, weniger Plastik zu kaufen oder sind Politik und Wirtschaft in der Verantwortung? Es ist schwierig, einen Konsens zu finden. Wir waren in der Ravensburger Innenstadt unterwegs und haben die Menschen gefragt, was sie denn persönlich für den Klimaschutz tun. Außerdem haben wir sie gefragt, ob die Eigeninitiative oder die Verantwortung der Politiker wichtiger ist.

Sabine schreibt dazu: "Bin grad sehr berührt und gleichzeitig sehe ich was Menschen durch fehlgeleitete Informationen so bewegt. Die BürgerInnen verstehen, doch nicht alles wurde richtig in die Wohnzimmer geleitet. Aufklärung hilft, politische mediale aber eben auch unsere direkte Ansprache. Zum Beispiel fehlgeleitete Informationen zu Subventionen, die sind nicht gut und kommen bei Menschen nicht an…."

Mich  bewegen schon mehrere Sachen wenn ich mir dieses Video anschaue. Ich habe so Einiges gesammelt und zusammen getragen mit dem Ziel, Argumente griffbereit zur Verfügung zu haben, wenn sie gebraucht werden. Daher möchte ich am Beispiel von 3 Aussagen aufzeigen, wo man genauer hinhören sollte.

Wenn der ältere Herr sagt: " Ich hab nicht mehr lang zu leben, also könnte ich sagen was kümmert`s mich" ....
Dann denke ich: klar doch hat es uns "Ältere" weiterhin zu kümmern, wir sind die aller größte Generation! Wir üben den größten Einfluss aus bei den Wahlen, die Älteren verfügen vermutlich über das meiste Geld. Und letztendlich: die Klimaschäden wurden stetig in den letzten Jahrzehnten der Fehlentwicklung angehäuft. Alarmsignale wurden jahrzehntelang von der Bevölkerung missachtet, weil der ungebremste Konsum ein so gutes Geschäftsmodell war, das mit viel viel Geld am Laufen gehalten wurde.
(
 der Artikel zur Bundestagswahl "Klima spielt für ältere Wähler kaum eine Rolle" hier
mehr zur Demographie hier unserer Gesellschaft und zu Auswirkungen davon,
mehr zur Klimaschmutzlobby  hier  die unsere Gesellschaft fest umklammert hält)

Oder wenn es heißt: "Ich finde die Einzelaktion ist gar nicht mal so wichtig... Der Hauptklimasünder sind ja eigentlich große Firmen. Und da finde ich dass Subventionen besser sind als Strafen..."
Ja, Subventionen gab es in den letzten Jahrzehnten zur Genüge, nur leider in die falsche Richtung und genau das ist und war unser aller größtes Problem!
Denn so wurden jahrzehntelang Dinge vom Staat mit viel Geld  unterstützt, die für die Allgemeinheit von großem Nachteil waren und massive Folgekosten nach sich zogen.
Seit Jahren kämpfen die Umweltverbände um eine Veränderung bei den GAP-Subventionen der EU, die die Zerstörung unserer Ökosysteme massiv vorangetrieben haben. Und im GUARDIAN war zu lesen: "Fossile Brennstoffindustrie erhält Subventionen von 11 Millionen Dollar pro Minute"
(mehr zu klimaschädlichen Subventionen  hier und zum aktuellen Vorstoß des Umweltbundesamtes diese endlich zu kippen)

Und dann die Aussage: "Es geht nicht wenn die ganze Welt nicht mitmacht... wir mit unseren 2 %"
Das ist ein immer wiederkehrendes Argument aus dem Bereich der Legendenbildung 
Deutschland liegt momentan nur auf Platz 13 im weltweiten Vergleich. (hier)
Zahlreiche Gerichts-Verfahren sind am Laufen, weil Deutschland diverse EU-Qualitäts-Standards seit Jahren nicht erreicht hat (Grundwasser-Qualität, Naturschutz,Bürgerenergie,etc).
Auf der COP26 in Glasgow gab Deutschland ein ziemlich schlechtes Bild ab, weil man sich nirgendwo so recht durchringen konnte....

Der "Graslutscher" hat einen aussagekräftigen Artikel genau zu diesem  Thema geteilt : 
"Warum „Aber China!“ und „Deutschland alleine kann nicht die Welt retten“ keine guten Argumente sind" hier
(mehr zu den Kosten für die Allgemeinheit hier und zu unserem Konsum hier)

Petra Karg



Samstag, 20. November 2021

Freitag, 19. November 2021

Biodiversität mitdenken

 Dieser Artikel spricht mir aus dem vollsten Herzen, doch ich fürchte, wir sind weit entfernt davon, wenn ich die Infos aus den Koalitionsverhandlungen höre.

TAZ  hier 

Gastkommentar von Ulrike Fokken
Sie 
ist „Boomer for Nature“ und schreibt über Natur, Umweltpolitik, Wirt­schaft und Wildnis.

Die Ökosystemkrise muss ins Bewusstsein der Bevölkerung gelangen. Das bedeutet für die Ampel-Koalition, den Fortschritt neu zu definieren.

Zu gern wüsste man, ob sich die Koalitionäre was Schlaues ausdenken und Deutschland fit für den Klimawandel machen. Also nicht nur die erneuerbaren Energien ausbauen, wie es die Koalitionsverhandelnden haben durchblicken lassen, denn das reicht ja nicht aus. Herrgott noch mal, das wussten wir ja auch alle schon vor der Wahl, als der eine „Klimakanzler“ werden wollte und die andere eine „Klimaregierung“ versprach.

Doch in den Koalitionsverhandlungen beklagen sich die Grünen, dass Klima eben nicht „Chefsache“ sein wird, sondern sie SPD und FDP jedes bisschen Klimaschutz abverhandeln müssen, als sei der Klimawandel ein linksalternatives Projekt. Zwei Prozent des Landes soll mit Windenergieanlagen bebaut werden, von denen niemand sagen kann, wo diese rund 10.000 Quadratkilometer Landesfläche eigentlich herkommen sollen.

Die Ankündigung ist weder innovativ noch überraschend, denn nach beschlossenem Atom- und Kohleausstieg lag der Umbau des Energiesystems in der Luft. Wir wissen also noch nicht, ob die zukünftigen Koalitionäre das offenkundig nicht mehr gut funktionierende Gesundheitssystem reformieren und für Heißzeiten und Pandemien wappnen. Ob sie das Verkehrssystem so umbauen, dass Elektroautos selbst in der Gegend herumfahren und Menschen dort einsammeln, wo sie sind.

Ob sie also die Mobilität der Gesellschaft fördern und nicht den privaten Besitz PS-starker und teurer E-Autos. Ob sie Schulen und Hochschulen ausbauen, an denen junge Leute aus allen gesellschaftlichen Schichten und allen finanziellen Hintergründen Wissen erwerben und mehren, mit dem sie sich an den Klimawandel anpassen können. Ach, die Liste all der systemrelevanten Felder ist lang, die die zukünftige Koalition klimawandeltauglich reformieren muss.

Und sie muss die Klimapolitik mit dem noch viel größeren, lebenswichtigen, allumfassenden Thema verbinden, über das niemand spricht: mit dem Erhalt der biologischen Vielfalt. Auf die Biodiversitätskrise hat die Ampel keine Antworten. Sie beschäftigt sich gar nicht erst mit Natur und Ökosystemen, und dass diese unfassbare Realitätsverleugnung durch die Poren der Verhandlungsräume nach außen sickerte, zeugt von dem Maß des Entsetzens einiger Verhandler, die sie nun öffentlich machten.

SPD und FDP begreifen kaum die Dimension des Klimawandels und der politischen Entscheidungen, die sie mit den Grünen fällen müssen. Die Krise der Ökosysteme sprengt die Vorstellungskraft aller drei Parteien. Beim Thema Natur geht es nicht mehr um den Schutz einer Orchideenwiese oder den Erhalt von 40 Quadratmeter Feuchtbiotop am Rande eines Gewerbegebiets, sondern es geht darum, eine politische Antwort auf den drohenden Zusammenbruch von Ökosystemen zu finden.

Ökosysteme wie ein Wald oder ein Fluss sorgen für Trinkwasser und kühlende Luft, sie filtern Feinstaub, verarbeiten bis zu einem bestimmten Maß Chemikalien und anderen Dreck der menschlichen Lebensweise, beherbergen bestäubende Insekten, Pilze, Kleinstlebewesen, die die Bäume, Tiere, kurzum die Natur am Laufen halten. Ökosysteme versorgen uns mit den Ökosystemdienstleistungen, ohne die uns auch Elektroautos und grüner Strom nicht durch den Klimawandel helfen.

Vielleicht bilden sich die Koalitionäre, die Beamten und die politischen Technokraten rund um die nächste Bundesregierung noch allesamt ein, dass Technik ausreicht, um die Klimakrise abzuwenden oder uns an die Erderwärmung anzupassen. Technik hilft nicht, um die Krise der biologischen Vielfalt zu mindern. Im Gegenteil.

Ökosysteme wie ein natürlicher Wald mit lebenden, alten und toten Bäumen, ein frei fließender Fluss mit umspülten Ufern und Auen, ein Moor oder eine Magerwiese arbeiten dann am besten, wenn der Mensch sich raushält. Raushalten bedeutet aber auch: keine industrielle Nutzung, kein Infrastrukturprojekt. Deutschland ist ein Industrieland. Daraus bezogen dieses Land und der Großteil seiner Bewohner jahrzehntelang Wohlstand und Selbstverständnis. Aber Deutschland hat es übertrieben mit der Naturzerstörung.

So sind viele Flüsse so stark umgebaut, dass mittlerweile die Flusssohlen ins Grundwasser durchbrechen können. Das seit 40 Jahren sinkende Grundwasser würde dann in manchen Regionen von ungefiltertem Wasser verschmutzt. In funktionierenden Fluss-Ökosystemen reinigt das Sediment der Flusssohle das Wasser, bevor es in das Grundwasser strömt. Dieser natürliche Prozess kann nicht technisch nachgebaut werden.

Weltklimarat und der Weltbiodiversitätsrat IPBES appellieren, Klimakrise und Biodiversitätskrise zusammenzudenken. Dazu gehört, keine Windenergieanlagen in Naturschutzgebieten oder in Wäldern aufzustellen. Es bedeutet, keine weiteren Autobahnen zu bauen und auch die Bestehenden nicht zu verbreitern.

Erderwärmung und Artensterben zusammenzudenken bedeutet, den Menschen zu sagen, dass niemand ein Anrecht auf ein neu gebautes Eigenheim auf einer ehemaligen Wiese hat, dass Parkplätze zu Parks werden, Äcker einen 20 Meter breiten Strauchstreifen bekommen, keine weiteren Logistikzentren, keine Einkaufzentren, keine Wassersporthäfen gebaut werden.

Nicht die Eigenheimzulage bringt Wohlstand, nicht die E-Auto-Prämie fördert die ökologische Verkehrswende, nicht der Bau von Batteriefabriken in Wasserschutzgebieten steigert unsere Fähigkeit, uns an den Klimawandel anzupassen. Schon dieser Text zeigt, wie schwierig es ist, eine positive, bejahende Vision für die Biodiversitätskrise zu formulieren. Alles muss anders werden, damit es gut wird.

Die Ökosystemkrise zwingt zu alternativlosem Handeln, sie zwingt zu einem „Systemwechsel“, wie die Wissenschaftler des Weltbiodiversitätsrats sagen. Die Ökosystemkrise ins Bewusstsein zu lassen, bedeutet für die über eine Koalition Verhandelnden, den Fortschritt neu zu definieren.

Mittwoch, 17. November 2021

Die EU plant eine Meldepflicht für Pflanzenvermehrer

Die Vielfalt tausender alter Sorten kann nur durch das Handeln vieler Menschen bewahrt werden, die sich aktiv für die Erhaltung einsetzen und Saatgut für die Weitergabe und Wiederverbreitung erzeugen. Und durch die vielen GärtnerInnen und Landwirtinnen, die diese Samen in ihren Gärten anbauen, die Sorten genießen und erhalten.
Nur gemeinsam und nicht überreglementiert kann es gelingen, die Vielfalt der samenfesten Sorten zu erhalten. Nachdem die EU 2015 damit gescheitert ist die Saatgutgesetzgebung zu verschärfen, wird nun ein neuer Anlauf gestartet, Erhaltern alter, samenfester Sorten die Arbeit zu erschweren.

Aktuell plant die EU für Saatgutretter eine Meldepflicht einzuführen.  Angegebene Ziel ist in der EU die Ausbreitung von Schädlingen einzudämmen, deshalb sollen PflanzenvermehrerInnen erfasst und Teil des Kontrollsystems der EU-Pflanzenschutzverordnung werden. Mit der Registrierung werden Verpflichtungen eingegangen: EU-Vorschriften kennen, Rückverfolgbarkeit gewährleisten,

Pflanzenpässe für besonders anfällige Pflanzen wie Tomaten und Bohnen erstellen.

Schon jetzt sind Saatgutretter bedroht, kümmern sie sich doch um „verbotene Sorten“, Sorten die keine amtliche Zulassung besitzen, die als Familien- und Haussorten nie eine hatten, deren Qualitäten aber unbedingt erhalten werden sollten. Die bestehenden Regeln zum Erhalt von Amateur- oder Erhalter Sorten sind kompliziert, in der Umsetzung aufwändig, teuer und für Initiativen nicht zu praktizieren.

Wer sich um Saatgut kümmert, kümmert sich auch um die Gesundheit seiner Pflanzen und Sorten und betreibt Pflanzenschutz. Eine weitere Reglementierung ist unnötig und würde die Arbeit der Erhaltungsinitiativen erschweren und einschränken.

Saatgut ist Kulturgut, ist Gemeinschaftsgut. Wir wollen auch zukünftig selbst bestimmen, was in unseren Gärten wächst, was auf unsere Teller kommt.

Bis zum 25.11. werden 10.000 UnterzeichnerInnen gebraucht. Hier der Link

Sonntag, 14. November 2021

Der Unsinn von der teuren Klimarettung

Spiegel  hier    Eine Kolumne von Thomas Fricke

Auszüge in blau

Der Abschied aus der fossilen Welt verläuft quälend langsam. Das liegt auch an deprimierenden Katastrophen-Narrativen – dabei wird die CO₂-neutrale Welt viel billiger, als manche predigen.

Neuere Studien lassen sogar vermuten, dass die Rettung des Klimas finanziell sogar recht attraktiv und preiswert werden könnte – mal ganz abgesehen davon, dass uns (teure) Klimakatastrophen dann erspart bleiben.

Dass Klimapolitik bis dato noch als »ganz schön teuer« gilt, kommt zum einen von etablierten Ökonomen, die seit jeher predigen, das zentrale Rezept zur Weltenrettung sei nun einmal, dass zur Abschreckung die Preise für alles steigen müssten, was klimaschädlich sei. Weshalb es einen Emissionshandel oder gesetzlich steigende CO₂-Steuern geben solle – mit der Folge, logisch, dass Dinge wie Benzin oder Heizen für die Verbraucher teurer würden. Ebenso wie für die Industrie, die in vielen Fällen ihre Produktion auch noch umstellen muss. Was auch Geld erst einmal kostet, klar.

Zum anderen wird die Klimarettung gern als teuer markiert, weil der Staat eben viel Geld in, sagen wir, Wasserstoff-Transportwege, Elektroladesäulen oder Hilfen zur Dämmung von Häusern stecken muss. Und das ja auch irgendwer bezahlen muss.

Wirklich? Schon nach gängigem Ökonomieverständnis sind erhöhte CO₂-Preise ja ein (vorübergehendes) Mittel zum Zweck – also dazu da, dass möglichst bald CO₂-ärmer und somit günstiger konsumiert und produziert wird. Demnach wird es also nur in der Übergangszeit teurer. Und vieles spricht mittlerweile sogar dafür, dass selbst der zwischenzeitliche Maso-Trip nicht sein muss.

Wie eine Gruppe britischer Ökonomen in einer neuen Studie darlegt, ist in der Vergangenheit fast immer drastisch unterschätzt worden, wie schnell gerade bei erneuerbaren Energien die Preise nach Markteinführung fielen. So seien die Kosten für Solarenergie in den vergangenen 20 Jahren etwa sechsmal stärker gefallen, als es gängige Modelle wie die der Internationalen Energieagentur vorhergesagt hatten. Ähnliches gelte für Offshore-Windenergie, die vor einiger Zeit noch als zu teuer galt – und mittlerweile den größten Teil der Dekarbonisierung in Großbritannien ausmache. Oder für LED-Leuchten, deren Preise um 85 Prozent gefallen seien; dadurch wurde aus der teuersten die billigste Technologie. Und die Energierechnung sei jetzt günstiger als vorher.

Wieso? Nach Diagnose der Experten stecke hinter den unterschätzten Preisrückgängen ein überholtes Verständnis von (teurer) Innovation. In Wirklichkeit habe die beschleunigte Verbreitung gerade bei den Erneuerbaren rapide Kostensenkungen mit sich gebracht – weil Massenfertigung per se günstiger ist, sich zunehmend Lerneffekte bemerkbar machten oder die zunehmende Nachfrage irgendwann dazu animiert, mehr Geld in Innovation zu stecken.......

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Gruppe Experten aus Brüssel: Demnach deutet sich schon jetzt eine kleine Revolution bei der Herstellung von bisher noch sehr schweren Batterien an – und ein Rückgang der Preise um 60 Prozent bis 2030. Hinzu komme, dass die neuen E-Autos bald noch viel stärker auf speziellen Plattformen hergestellt würden – und auch das die Kosten noch einmal stark reduzieren werde: um 10 bis 30 Prozent.

Dass es sich in einer klimaschonenden Welt womöglich gar nicht teurer, sondern günstiger leben lässt, könnte auch für den Bezug von Strom gelten – weil erneuerbare Energien auf Dauer per se weniger kosten als konventionelle. Auf derart entlastende Effekte lässt auch die kürzlich erschienene Auswertung der Ökonomin Beatrice Weder di Mauro schließen, laut der auf höhere CO₂-Steuern in den untersuchten historischen Fallbeispielen eher eine nachlassende Inflation folgt. Eben weil Industrie und Verbraucher darauf reagieren. Auch das spricht gegen das Gebrabbel von der teuren Klimarettung....


Südkurier

Markdorfer stimmen für Südumfahrung

18 Jahre nach dem ersten Bürgerentscheid haben die Markdorfer am Sonntag nun erneut entschieden und das Votum ist eindeutig: Die Bürger der Stadt wollen mehrheitlich die Südumfahrung – zumindest jene Hälfte der Wahlbürger, die abgestimmt hatte. Bereits um 18.34 Uhr stand das vorläufige Endergebnis fest: 3370 Wähler votierten für das Straßenbauvorhaben, das sind 54,5 Prozent. 2811 Wähler votierten dagegen, das sind 45,5 Prozent. Damit ist der Bürgerentscheid gültig und kann nach Prüfung rechtskräftig werden. Die Wahlbeteiligung lag bei 55,3 Prozent. 

Samstag, 13. November 2021

Europe Calling “Energiewende von unten - Bürgerenergie entfesseln, regionale Wertschöpfung stärken!”

 Aufzeichnung online - Europe Calling “Energiewende von unten”

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

vielen Dank, dass Ihr bei unserem Webinar rundum das Thema Bürgerenergie dabei ward. Mit Euch waren es fast 3.000 Leute, die sich angemeldet hatten. Was ein starkes Zeichen für die dezentrale Energiewende! Das gibt Rückenwind für die Koalitionsverhandlungen und die Regierungszeit.

Wer das Webinar nochmal anschauen möchte, kann das jetzt hier tun

Im Video findet Ihr auch die Aufzeichnung der Präsentationen, die wir in den nächsten Tag auf der Seite auch noch als PDFs hinterlegen werden.

Einen großen Dank ganz besonders auch an unsere Gäste, die mit ihren hervorragenden Beiträgen eine erschreckend lange Liste von Hemmnissen für die dezentrale Energiewende präsentiert haben. Mut gemacht hat dagegen, dass die Liste der Lösungsvorschläge ebenso lang war! Die Stiftung Umweltenergierecht hat sich bereiterklärt, diese langen Listen und Eure Vorschläge im Q&A systematisch auszuwerten. Das Ergebnis schicken wir Euch dann in den nächsten Tagen und Wochen zu.

Vielen Dank und europäische Grüße,

Ihr und Euer Sven Giegold

Friedrichshafener Bestsellerautoren: „Wenn man Bock hat auf Klimaschutz, dann geht das“

  Schwäbische Zeitung   hier  Auszüge in blau

David Nelles und Christian Serrer sind beide 25 Jahre jung, Studenten der Wirtschaftswissenschaften an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen und Bestsellerautoren.

Knapp eine halbe Million Exemplare ihres Erstlingswerks „Kleine Gase – Große Wirkung“ haben sie verkauft. Mit „Machste dreckig – Machste sauber: Die Klimalösung“ erscheint jetzt ihr zweites Werk. Stefan Fuchs hat mit ihnen darüber gesprochen, wie die Klimakrise bewältigt werden – und was jeder Einzelne dazu beitragen kann.

...Lassen sich so auch die überzeugen, die bislang eher skeptisch waren?

Nelles: Tatsächlich ja, das zeigt unsere Erfahrung nach dem ersten Buch. Wir haben unzählige Zuschriften bekommen von Menschen, die dankbar waren für die objektive Perspektive und sich haben überzeugen lassen. Unter anderem haben wir auch anderem haben wir auch Anrufe von Politikern aus dem Bundestag bekommen, die vorher sehr skeptisch waren.

Serrer: Nicht jeder kann es sich herausnehmen, wie wir einfach mal zwei Jahre zu einem Thema zu recherchieren. Dass in den wirren Diskussionen nicht jeder alle Fakten parat haben kann, ist deshalb ganz klar. Wir bieten die Handreichung als gemütliche Strandlektüre, aber auch als Hilfe für Entscheider aus Politik und Wirtschaft. Wichtig ist: Man muss auch dahin schauen, wo es weh tut.

Wohin wäre das zum Beispiel konkret?

Serrer: Auf die Ernährung. Die Faktenlage zeigt uns deutlich, dass wir eigentlich weg müssen vom massenhaften Fleischkonsum wie wir ihn momentan haben. Darüber können aber nicht wir die Menschen belehren, sondern wir müssen die Tatsachen sprechen lassen. Das Umdenken kommt dann von selbst.......

Motivation zum Klimaschutz beteuern SPD, die Grünen und die FDP, die zusammen die nächste Bundesregierung bilden dürften. Reichen die Bekenntnisse aus?

Nelles: Weder die Wahlprogramme noch die Sondierungspapiere reichen aus. Aber es gibt große Unterschiede zwischen den Parteien und vor allem zeigen schon die letzten Wochen, dass die Ampel deutlich ambitionierter und motivierter ist als die letzte Regierung. Einige Dinge werden wirklich helfen, wie zum Beispiel eine Solardachpflicht oder der vorgezogene Kohleausstieg um das Jahr 2030.

Serrer: Die Parteien müssen aber vor allem lernen, besser und ehrlicher zu kommunizieren. Wenn es um die Landwirtschaft geht, fürchten sofort alle um den kleinen Bauern auf dem Land, der dann angeblich seine Kühe nicht mehr halten darf.

Tatsächlich geht es aber darum, dass die bisherige Massentierhaltung und die Produktion der dafür nötigen Futtermittel auf Anbauflächen im gerodeten Amazonasgebiet überdacht werden muss, die mit dem romantischen Bild des Dorfbauern absolut nichts zu tun hat. Zu dieser Kommunikation gehört auch, klar zu benennen, dass Klimaschutz vor Ort nicht immer ganz ohne Kollateralschäden ablaufen kann.

Windräder töten vor Ort Tiere wie Vögel oder Insekten, das ist ein Fakt. Wenn wir aber keine Energiewende schaffen, sterben weltweit weitaus mehr Tiere und ganze Arten verschwinden für immer.

Freitag, 12. November 2021

Update: Klimastreik in Markdorf

 noch mehr Leserbriefe zur Südumfahrung Markdorf  aus dem Südkurier hier

Auch die Fridays for future organisieren sich 


Südkurier

Grüne Fahnen für Klimaschutz

Demonstration von Fridays for Future: Beim Zug durch die Innenstadt hatten sich am Freitagnachmittag rund 40 Teilnehmer und Unterstützer eingefunden. Dazu aufgerufen hatte die Gruppe Bodensee von Fridays for Future. Anders als vor zwei Jahren, als der Lichterzug der Markdorfer Parents-for-Future-Gruppe mit knapp 500 Unterstützern die Innenstadt gefüllt hatte, blieb die Resonanz überschaubar. Mit der Zahl sei man aber im üblichen Rahmen, hieß es seitens der Aktivisten. Die Organisatoren Elgin Raupach und Marian Riederle führten den Demonstrationszug an. „Klima schützen ist kein Verbrechen“ und „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ lauteten die Parolen. Auf dem Rathausplatz sprachen aus Markdorfer Initiativen Karl King vom Sonnenkraftnetzwerk und Frieder Staerke (BUND/VCD).

Donnerstag, 11. November 2021

Markdorfer sind wieder zum Bürgerentscheid aufgerufen

 Schwäbische Zeitung   hier  von Alexander Tutschner

Heißes Eisen Südumfahrung

Großes Lob an die Schwäbische Zeitung! Dieser Artikel gefällt mir wirklich sehr gut, weil versucht wird eine gute Übersicht herzustellen. Es kommt sehr viel zur Sprache und enthält auch 2 kleine Videos mit Argumenten dafür und dagegen.

Hier ein paar Ausschnitte, die nach meiner Meinung wesentliche Aussagen enthalten:

Wie viel Verkehr bleibt?

Laut Markdorfs Bürgermeister Georg Riedmann verbleiben im Bereich der B 33 zwischen Ittendorfer Kreisel und Bischofsschloss laut Prognose für das Jahr 2035 von 21 300 Fahrzeugen noch 16 300. Bei der Kreuzung Zeppelinstraße demnach von 23 900 Fahrzeugen noch 19 000.

Ist durch die neue Südumfahrung neuer Verkehr in den umliegenden Orten zu erwarten?

Laut Kreis nimmt der Verkehr in Ittendorf um 2000 Kfz pro 24 Stunden zu, in Leimbach um 700.

Was sagt Markdorfs Bürgermeister?

Georg Riedmann (CDU) positioniert sich deutlich gegen die Südumfahrung. Sie könne nach dem Verzicht auf die Ortsumfahrung Kluftern und den Planungsstopp für die Landesstraßen um Bermatingen und Neufrach „eine wirklich effiziente Wirkung nicht mehr entfalten“, schreibt er in einer Informationsbroschüre. „Die Südumfahrung Markdorf wird ein Torso bleiben“, sagt Riedmann weiter.

Was sagt der Gemeinderat?

16 Räte positionieren sich gegen die Südumfahrung. Zehn Räte sind für die Straße.

Wie lautet die Begründung der Räte?

Die Gegner verweisen im Gemeinderat auf die hohe Restbelastung von 16300 Kraftfahrzeugen pro Tag, auf neue Mehrbelastungen in Ittendorf, Riedheim und Kluftern, die fehlende Weiterführungen in Richtung Bermatingen und Kluftern, die hohen Kosten und darauf, dass wertvolle Natur versiegelt werde. Außerdem kritisieren sie, dass mit der parallel geplanten B 31 eine doppelte Zerschneidung droht.

Die Befürworter im Gemeinderat führen die Stadtentwicklung von Markdorf als Argument und ein Zusammenwachsen von Nord- und Südstadt an sowie die Beseitigung von Verkehrschaos und die Entlastung von Schleichwegen. Sie wollen mit der Straße die Infrastruktur und die Wirtschaft stärken. Durch die Reduzierung von Stickoxidbelastung soll ein Beitrag für die Gesundheit der Markdorfer Bürger erreicht werden.

Sehr bedenklich stimmt mich in diesem Zusammenhang, dass die Südumfahrung im European Energy Award des Kreises als "Klimaschutzmaßnahme" verkauft wurde. Mir scheint, da wird mit gezinkten Karten gespielt, um gewisse Interessen durchzusetzen. Ich kann nur hoffen, dass diese Sache nicht einfach so im Hintergrund durchläuft, weil keiner genauer hinschaut.

Neben den bereits im Südkurier erwähnten Gruppierungen bekennt sich auch Martin Hahn, Grüner Landtagsabgeordneter, zu den Gegnern:

Hahn fordert Bestattung erster Klasse

Eine „Bestattung erster Klasse“ für die Südumfahrung fordert der Grüne Landtagsabgeordnete Martin Hahn in einer Stellungnahme. Diese Entlastungswirkung auf den Verkehr stehe bei dem Projekt in keinem Verhältnis zu den Kosten und den Umweltschäden. „Die zu erwartenden Kosten sind explodiert. Von ursprünglich geplanten 11 Millionen, liegen die Kosten mittlerweile bei 33 Millionen“, schreibt Hahn.

Diese enormen Kosten seien nicht vertretbar. Die geplante Südumfahrung habe keine Anbindungen in Richtung Bermatingen oder Kluftern. Zu dem würden weiterhin täglich die LKWs auf der B33 durch Markdorf rollen. Nach der Zusage für die B31 neu zwischen Meersburg und Immenstaad habe sich die Ausgangslage verändert. „Die B31 neu wird zusätzlichen verkehrenden Transitverkehr von der B33 aufnehmen und Markdorf entlasten.

Mittwoch, 10. November 2021

Dürfen sich auswärtige Bürgermeister in die Debatte um die Südumfahrung Markdorf einmischen?

 Südkurier hier

UWG und SPD kritisieren Rathauschefs von Bermatingen und Salem

Im Gemeinderat kochten am Dienstagabend die Emotionen hoch. Der Anlass: Die beiden Kreisräte und Bürgermeister von Bermatingen und Salem, Martin Rupp und Manfred Härle, hatten im Schulterschluss mit der Interessengemeinschaft pro Südumfahrung für ein Ja der Markdorfer zum Bau der Südumfahrung geworben. Die Markdorfer dürfen beim Bürgerentscheid am Sonntag abstimmen.



09.11.2021  hier
Lobbygruppen zur Südumfahrung

Markdorf (gup) Wenige Tage vor dem Bürgerentscheid zur Südumfahrung am Sonntag machen Gruppierungen, die gegen die Umfahrung sind, nochmals mobil. In Stellungnahmen wenden sich die Kreisgruppe des Verkehrsclub Deutschland (VCD), der BUND-Ortsverein Markdorf, die SPD Kluftern und Pro Kluftern nochmals öffentlich gegen das Straßenbauvorhaben.

So fordert der VCD stattdessen, in den Ausbau von Bahn, Busverkehr und Radwegen zu investieren. Die Klimakrise fordere ein „sofortiges konsequentes Umsteuern auch im Verkehrssektor“, heißt es in der von VCD-Sprecher Frieder Staerke unterzeichneten Mitteilung.
Der VCD verweist auf die in seinen Augen zu geringe Entlastungswirkung einer Südumfahrung für die B-33-Ortsdurchfahrt, die sich laut aktuellen Prognosen nur noch auf 20 bis 23 Prozent belaufen würde. Stattdessen würden alle anderen Ortschaften an der B 33 noch mehr als bisher belastet werden. Die Politik im Landkreis müsse eine noch deutlich stärkere Minderung des Kfz-Verkehrs forcieren, die Gürtelbahn zügig ausgebaut und der Zügetakt verdichtet werden. Dem Landratsamt wirft der VCD vor, dass es in seinen neuesten Prognosen gegenüber der veralteten Prognose keine Verminderung des Verkehrswachstums aufgenommen habe.
Bei der B 31-neu hingegen sei ein Minus von 14 Prozent bis 2035 eingearbeitet worden.

Die BUND-Ortsgruppe verweist ebenfalls auf die für sie zu geringe Entlastungswirkung, die „gravierendere Eingriffe in Natur und Landschaft nach sich ziehen würde“. Eine neben der B 31-neu zweite Verkehrsader würde die Landschaft zwischen Gehrenberg und Bodensee zusätzlich entwerten. Eine Südumfahrung würde zudem 18 Hektar überwiegend landwirtschaftlich genutzter Böden beanspruchen. Solche Eingriffe, etwa in Biotope, müssten dann durch behördliche Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. Flächenverbrauch und Versiegelung seien aber endgültig und nicht kompensierbar, so der BUND in der von Vorstandsmitglied Albin Ströbele unterzeichneten Erklärung.

Für die SPD Kluftern sei es fragwürdig, dass sich bei der Kundgebung der Umfahrungsbefürworter am Samstag auch Nicht-Markdorfer als Sprecher eingemischt hätten. Die SPD Kluftern habe sich bislang hingegen bewusst zurückgehalten, obwohl ein Drittel der Umfahrung auf Klufterner Gemarkung verlaufen würde. Auch dass die Befürworter eine Umfahrung von Kluftern in ihre Pläne einbauen würden, sei nicht hinnehmbar. Dies zeuge von einem Willen, „einen möglichst großen Beitrag zur Klimakatastrophe“ beisteuern zu wollen, so Bernd Caesar für die Klufterner SPD. Die Initiative Pro Kluftern schließlich verweist darauf, dass die Umfahrungsbefürworter auch an den Umfahrungen Bermatingen und Kluftern festhalten würden. Beide seien aber entweder abgelehnt oder politisch auf Eis gelegt. Mit einem Bau der Südumfahrung solle laut Pro Kluftern daher „erneuter politischer Druck für die Realisierung der sogenannten Hinterlandtrasse aufgebaut“ werden, heißt es in der Stellungnahme der Vorstandschaft von Pro Kluftern, unterzeichnet von Walter Zacke. 


LESERMEINUNG:

Bahnausbau statt Südumfahrung

Leserbrief zum Artikel „Kundgebung für Südumfahrung“, SÜDKURIER am 8. November:

Vor wenigen Wochen bezeichnete der ehemalige Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke die Südumfahrung Markdorfs als „Torso“, also als Stückwerk. Und tatsächlich sind alle anderen Planungen für die Kette von Ortsumfahrungen gestrichen oder auf Eis gelegt worden, die zusammen ursprünglich eine Art „Hinterlandtrasse“ bilden sollten. Der Bermatinger Bürgermeister Martin Rupp, der Salemer Bürgermeister Manfred Härle und Landrat Lothar Wölfle träumen noch immer von diesen Ortsumfahrungen. Im Faltblatt der Markdorfer Umgehungsbefürworter fordert Härle die Südumfahrung, mit Hinweis auf den drohenden Verkehrsinfarkt im Salemer Tal, wohl in der Hoffnung, die Planung der Ortsumfahrungen Bermatingen und Neufrach wieder aufzunehmen. Dass ausgerechnet in Zeiten der Klimakrise solche Ideen aus der Klamottenkiste vorgeholt werden, ist schwer verständlich. Vermutlich geht es den drei Politikern vor allem um den geplanten Neufracher Schwerpunkt für Industrie und Gewerbe mit einer Fläche von 27 Hektar. Und die Markdorfer sollen jetzt bitteschön die Erschließungsstraße dafür mit bezahlen. Aber wer Straßen baut, wird noch mehr umweltschädlichen Kfz-Verkehr ernten. Direkt parallel zu der ursprünglichen „Hinterlandtrasse“ aus Ortsumgehungen verläuft die Bodenseegürtelbahn. Auf dieser immer noch eingleisigen Bahnstrecke ist der Verkehrsinfarkt schon längst eingetreten, weil man sich nicht rechtzeitig und nur halbherzig um den Ausbau, die Elektrifizierung und die technische Modernisierung gekümmert hat. Wäre das nicht die bessere Alternative?

Friedrich Vogel, Salem 

Einladung "Menschenwürdiges Bauen"

 Sehr geehrte Gemeinderät*innen 

Für das Thema Wohnen ist es das Ziel der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), allen ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen und gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Wohnungspolitik und Wohnungsbau sind so zu gestalten, dass sie sich in das Ökosystem einfügen.

Wo sieht die GWÖ den Kern bzw. die Ursache des Wohnungsproblems?

  • in Deutschland steigt die Wohnfläche pro Person kontinuierlich an, inzwischen sind wir bei durchschnittlich 47 qm pro Person. Das heisst, wir haben ausreichend Wohnraum, aber er ist sehr ungerecht verteilt, überteuert und somit für viele Menschen zunehmend nicht bezahlbar.
  • Wohnungen dienen der Gewinnmaximierung, v. a. für börsennotierte Unternehmen. Außerdem drängen riesige Geldvolumen der Finanzwirtschaft in den Wohnungsmarkt ebenso mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. (Mit dem Thema Finanzwirtschaft werden wir uns nächstes Jahr befassen)
  • bereits diese beiden genannten Aspekte zeigen, dass das Thema Wohnen sehr komplex ist und es keine einfachen Lösungen gibt. Für umfassende Änderungen braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der auch die Ursachen in den Blick nimmt. Hier setzt die GWÖ mit ihrem systemischen Ansatz an, unsere Wirtschaftsordnung so zu gestalten, dass durch soziales und ökologisches Engagement bezahlbarer und klimaschonender Wohnraum für alle ermöglicht wird.

Größte Herausforderung: wie können wir möglichst schnell bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen? Wie kann das ohne weiteren Flächenverbrauch gelingen, um noch eine Chance zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zu bewahren?

Es gibt bereits viele Beispiele und Projekte wie das funktionieren kann sowie viele kleine Unternehmen und Akteur*innen, die täglich zeigen, dass ein Miteinander möglich ist.

Gemeinsam mit Ihnen möchten wir diese Möglichkeiten und Wege in den Vordergrund stellen. Es ist Zeit für einen grundlegenden sozial-ökologischen Umbau (Transformation) unserer Gesellschaft und Wirtschaft.

Bei unserem nächsten Online-Treffen möchten wir uns mit Ihnen zu konkrete Beispielen austauschen, zum Beispiel:

Und gerne auch entsprechende Beispiele aus ihrer Stadt: 

Wir laden Sie zusammen mit anderen Gemeinderät*innen / Mandatsträger*innen aus Baden-Württemberg ein am

Donnerstag, 18.11.2021 um 19:00 Uhr, online 
(10 min Impuls, 45 min Fragen und Diskussion).

Mit herzlichen Grüßen,

Kajo Aicher und Thomas Henne

mail: bodensee-oberschwaben@ecogood.org

Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie,

GWÖ Regionalgruppe Bodensee-Oberschwaben  hier


Samstag, 6. November 2021

Sorgen wegen Bodenseegürtelbahn

Südkurier hier

Ein Interview von Stefan Hilser mit Jean-Christophe Thieke , der in Uhldingen-Mühlhofen lebt, er ist Diplom-Betriebswirt (FH), Fachrichtung Personenverkehr

Warum rutscht die Bodenseegürtelbahn immer tiefer in den Verkehrsschatten?

Mit Inbetriebnahme der elektrifizierten Südbahn hat das zuständige Landesministerium beschlossen, die dieselbetriebenen IRE-Züge aus Basel nicht mehr bis Ulm, sondern nur noch bis Friedrichshafen fahren zu lassen. Allein dies verlängert die Reisezeit ab Überlingen bis Ulm um 25 Minuten. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Neigetechnikzüge durch Doppelstockzüge zu ersetzen und hierzu den IRE-Fahrplan zu „entspannen“. Auf kurvenreichen Strecken kostet dies Zeit, sodass sich die Reisezeit von Basel bis Ulm von 3 Stunden und 10 Minuten auf knapp unter 4 Stunden verlängert – allein bis Friedrichshafen verlängert sich die Reise um 20 Minuten. Dazu kommt noch der nicht zu unterschätzende Umstand neuer Umsteigevorgänge.

Welche Folgen wird das für die Fahrgastzahlen haben, oder anders gefragt: Wie sensibel reagieren die Fahrgäste auf die Verschlechterungen im Angebot?

Das fahrplanmäßige Angebot einerseits, aber auch die Zuverlässigkeit in Form von Pünktlichkeit im Betrieb und besonders die Merkbarkeit des Konzeptes spielen eine wichtige Rolle bei der Verkehrsmittelwahl. Zunächst gilt es positiv zu betrachten, dass spürbare Reisezeitverkürzungen und weniger Umsteigevorgänge meist zu messbaren Nachfragesteigerungen führen. Entscheidend ist dabei der Weg von Tür zu Tür und die mittlere Wartezeit bis zur nächsten geplanten Abfahrt. Die Wissenschaft stellt fest, dass das Reisezeitbudget meist relativ konstant ist. Die Nachfrage sinkt in etwa im selben Verhältnis, wie sich die Reisezeiten verlängern. Braucht man als Pendler Tür-zu-Tür am Morgen neu eher 60 statt 45 Minuten, sinkt die Nachfrage rasch um 25 bis 30 Prozent, Pendler nehmen lange Wege nicht mehr in Kauf oder wechseln aufs Auto.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Ja, im Jahr 2004 ließ das Eisenbahnbundesamt die Neigetechnik der IRE Basel – Lindau abschalten. Fahrplan und Anschlüsse konnten nur erhalten werden, indem Bahn und Land kurzerhand den IRE umsteigefrei nach Ulm statt nach Lindau fahren ließen. Selbst die Verantwortlichen staunten, dass allein der Wegfall des Umstiegs zu so starken Fahrgastzuwächsen führten, dass die Züge seitdem oft die Kapazitätsgrenze erreichten.

Mit welchen Folgen rechnen Sie für den jetzigen, wieder schlechteren Fahrplan?

Mit dem Fahrplan 2022 rechne ich mit einem sehr starken Einbruch der Fahrgastzahlen auf der Bodenseegürtelbahn, besonders westlich von Überlingen.....

Was müsste passieren, damit der nördliche Bodensee kurzfristig wieder besser angebunden wird?

Angebotslücken im Fahrplan müssten geschlossen und Ausnahmen im System reduziert werden. Es darf keine ortsspezifischen Lücken von über 60 Minuten mehr geben......

Die Elektrifizierung kann aber noch viele Jahre dauern. Was ist in der Zwischenzeit zu tun?

Bahn, Bund und Land dürfen bei der Modernisierung der Bahnhöfe Markdorf, Bermatingen und Uhldingen-Mühlhofen nicht auf die Elektrifizierung warten. Diese Bahnhöfe hätten bereits vor 10 Jahren angepackt werden können. Bestimmte Bahnhöfe wurden vom Bund sogar mit 100-Prozent-Finanzierung ins 1000-Bahnhöfe-Programm aufgenommen. ...

Zeigt die Entwicklung mustergültig auf, dass an der Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn nun kein Weg mehr vorbeiführt?

Die Elektrifizierung allein wird nicht ausreichen.......

Freitag, 5. November 2021

Die vier überraschend guten Nachrichten aus Glasgow

  DER SPIEGEL – SPIEGEL Klimabericht <themennewsletter@newsletter.spiegel.de>

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