TS76/20:
Offener Brief an den CDU-Ortsverband Salem: Wieso schreibt ein
Rathaus-Mitarbeiter Ihre Pressemitteilung?
Sehr geehrter Herr Franz Jehle,
bitte verzeihen Sie die Form des „offenen Briefes“ für meine scheue
Kontaktaufnahme mit Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender der CDU
Salem. Aber von der Gemeinde
Wain (Landkreis Biberach) und aus Spaichingen (Landkreis Tuttlingen) hatte ich als Publizistin zu lernen,
dass sogenannte offene Briefe in der Kommunalpolitik immer final markieren,
wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist.
Und dieser Befund Wärme abgebender Hinterlassenschaft lässt sich
für die aktuellen Zustände in Salem doch durchaus konstatieren? Also die
Zustände, die eingetreten sind, nachdem der Salemer Bürgermeister Manfred
Härle (gehört witzigerweise zur selben Partei wie Sie!) meinte, im Windschatten von Corona ohne
Beteiligung des Gemeinderats eine sogenannte Eilentscheidung über sage und
schreibe 3,4 Millionen Euro fällen zu müssen. (Hier lesen sich SaSe-Leser zum Thema ein).
Besonders hässlich an der Causa: Nun rafft sich der Südkurier schon
einmal zu zarter Kritik auf, da unterläuft ihm leider noch ein Fehler
hinsichtlich der erlaubten oder nicht statthaften Zahlengrenzen für derlei „Eilentscheidungen“.
Den Südkurier-Kollegen neigt sich mein vollstes Verständnis zu: Bei
der Komplexität des heutzutage in Deutschland geltenden Verwaltungsrechts als
Journalist*in hier einen Fehler zu machen, ist nahezu unvermeidlich. Fragen Sie
besser nicht, wie oft mir das schon passiert ist. Und der Südkurier hat
diesen Fehler ja auch formvollendet
richtiggestellt.
Aber am langen Ende von jeder Menge Südkurier-Artikel,
gleich zweifach erfolgenden Anfragen an das Landratsamt Bodenseekreis und einem
erfrischend Demokratie
stärkenden Kommentar der
Südkurier-Redakteurin Jenna Santini, kamen ja endlich Sie daher!
Wow, so eine tolle „Pressemitteilung des CDU-Ortsverbands
Salem“. Davon muss die Welt Kunde erhalten, weshalb ich das bemerkenswerte
Dokument hier im Original verlinke. Mitsamt dessen Meta-Daten.
Darin schreiben Sie unter vielen anderen bumswichtigen Dingen und
zur moralischen Orientierungen aller niederen Existenzformen:
Und wenn
es um die Kritik an einer Person des öffentlichen Lebens geht, dann hat der CDU
– Ortsverband Salem den Wunsch und die Bitte, dass der Sachverhalt im
Vorfeld gründlich recherchiert und aufgearbeitet wird, um Halb- und
Unwahrheiten möglichst zu vermeiden.
(„Pressemitteilung
des „CDU-Ortsverbandes Salem : CDU steht hinter Eilentscheidung des
Bürgermeisters“; Hervorhebg. K. B.)
Sie haben ja soo Recht! Sie wissen gar nicht, wie Recht Sie haben.
In aller Bescheidenheit weise ich darauf hin, dass auch ich in meinem
publizistischen Gesamtwerk wieder und wieder die Bedeutung gründlicher
Recherche betone.
Sozusagen mit Ihrem ganz persönlichen Segen habe ich dann mal zu
der angeblichen Pressemitteilung des CDU-Ortsverbandes Salem „gründlich
recherchiert“, um „Halb- und Unwahrheiten möglichst zu vermeiden“.
Und jetzt bin ich völlig verstört. Vielleicht wissen Sie (nicht?),
dass digitale Dokumente sogenannte Meta-Daten enthalten. Die geben dann zum
Beispiel Auskunft darüber, wann und vor allem wer ein Dokument verfasst hat.
Personen, denen es an der Manipulation der Öffentlichkeit gelegen ist, sind
deshalb gut beraten, diese Meta-Daten – etwa eines pdf-Dokumentes, das
angeblich vom CDU-Ortsverband Salem stammt – vorher gleichfalls zu
manipulieren.
*
Bildzitat
Screenshot der Meta-Daten zur angeblichen Pressemitteilung des CDU-Ortsverband
Salem mit dem schönen Titel: „CDU steht hinter Eilentscheidung des
Bürgermeisters“. Das Dokument wurde erstellt am mittigen Vormittag des Montags
mit Namen 18. Mai 2020 um 10.14 Uhr. Irritierend auch der Dokument-Titel, der
sich nun wiederum auf das „Grußwort zur Vernissage Kulturfestival“ bezieht –
ein weiterer Beleg für Rathaustätigkeiten? Den Speicherort auf meinem PC
habe ich mir erlaubt, mit grauem Balken unkenntlich zu machen.
*
Aber ich bin völlig zuversichtlich, dass Sie als Vorsitzender des
CDU-Ortsverbandes Salem und als Sachwalter von „gründlicher Recherche“ und der
strikten Vermeidung von „Halb- und Unwahrheiten“ mir und der durch meinen Blog
hergestellten Öffentlichkeit erklären können, warum in den Meta-Daten dieser
angeblichen CDU-Ortsverband-Salem-Pressemitteilung als Autor ein gewisser Herr
B. genannt ist. Herr B. ist nach meinen Rechercheergebnissen, die aber
vermutlich niemals an Ihre hehren Ansprüche zu dieser Tätigkeit heranreichen
werden, stellvertretender Amtsleiter im Rathaus Salem.
Erstellt hat Herr B. das Dokument am 18. Mai 2020 um 10.14 Uhr. Das
war ein Montag. Vormittags. Normale Arbeitszeit in Rathäusern und so. Also ich
kann es mir ja nicht vorstellen, aber denken Sie, dass hier möglicherweise
CDU-Parteiarbeit auf Steuerzahler-Kosten von Rathausmitarbeitern während
üblicher Geschäfts- und Amtszeiten erledigt wird? Niemals!
Vergeben Sie mir die scheue Frage: Wieso schreibt ein Mitarbeiter
von Bürgermeister Manfred Härle eine Pressemitteilung des CDU-Ortsverbands
Salem, die den völlig unverdächtigen Titel trägt: „CDU steht hinter
Eilentscheidung des Bürgermeisters“.
Ich bin verwirrt: Wer steht hinter wem? Und für wen ist das dann
noch eine Überraschung?
Erschwerend kommt für mich hinzu, dass die Fraktionssprecherin der CDU
Salem mir heute am Telefon die Auskunft erteilt, dass diese angebliche
CDU-Pressemitteilung vorher nicht mit ihr (also der CDU-Fraktion im Salemer
Gemeinderat) abgesprochen worden sei. Wörtlich lautete ihre Auskunft: „Die
Pressemitteilung ist an unserer Fraktion vorbeigelaufen.“ Die Fraktionssprecherin
Petra Herter schränkte diese Auskunft zwar insoweit noch ein, dass sie
heute Abend (25.05.2020) in einer CDU-Fraktionssitzung gern noch die Kollegen
fragen möchte, ob die VOR (!) dem Versand dieser Mitteilung an die Presse je
von diesem „CDU steht hinter Eilentscheidung des Bürgermeisters“-Pamphlet
gehört hätten.
Nennen Sie mich ignorant: Aber wenn die Fraktionssprecherin selbst
schon nichts davon weiß, würde mich persönlich das Wissen weiterer
CDU-Gemeinderäte auch nicht so arg beeindrucken?
Finden Sie es nicht etwas schäbig, meinen Südkurier-Kollegen
wegen eines nicht banalen Fehlers am Zeuge zu flicken (upps – wer
schreibt?), während Sie noch nicht einmal eine Pressemitteilung verfassen
können? Also ich meine: selbst schreiben können?
Ich überlasse es jetzt ganz Ihnen und Herrn B. oder auch Herrn
Bürgermeister Manfred Härle, welcher der Herren, die ja offensichtlich
gemeinschaftlich unter dem Label „CDU-Ortverband Salem“ firmieren, mir
antworten und das Mysterium klären möchten.
Selbstverständlich kommt Ihre, ihre oder seine Stellungnahme
ungekürzt auf diesem Blog zum Abdruck.
Wir hören?
Mit freundlichen Grüßen
Karin Burger
Redaktion SatireSenf.de
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