ZDF hier von Birgit Hermes 01.07.2024
Mit dem Klimawandel steht die Gesellschaft vor großen Herausforderungen. Um sich an die veränderten Bedingungen anzupassen, tritt am 1. Juli das Klimaanpassungsgesetz in Kraft.
Grüne Architektur in der City von Düsseldorf
Die Begrünung des "Kö-Bogen 2" gedeiht prächtig und soll dafür sorgen, dass sich die Menschen auch bei Klimaveränderungen gern in der Innenstadt aufhalten.
Quelle: imago/blickwinkel
Das Treibhausgas Kohlendioxid, das sich bereits in der Atmosphäre befindet, wird noch viele Jahrzehnte lang wirksam sein und das Klima beeinflussen. Eine Anpassung an den Klimawandel ist also dringend nötig, um die Gefahren - wie etwa Starkregen - für Mensch, Tier und Umwelt gering zu halten.
Mit dem Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG) wird der rechtliche Rahmen geschaffen, diesen Herausforderungen zu begegnen. Prof. Dr. Patrick Hilbert, Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Münster, hat sich mit dem Gesetz befasst.
Was sind die Bausteine des Klimaanpassungsgesetzes?
Das KAnG fuße auf drei Säulen, so Patrick Hilbert, nämlich der Maßnahmenplanung, der integrierten Klimaanpassung und den informationsbezogenen Ansätzen. Es entspreche damit im Ausgangspunkt rechtlichen Vorgaben, die es bereits gebe. Denn tatsächlich wurde das KAnG nicht in ein rechtsfreies Vakuum hinein geboren.
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So enthielten etwa die UN-Klimarahmenkonvention, das Paris Abkommen und das Europäische Klimagesetz auf internationaler Ebene Vorgaben zur Klimaanpassung, erläutert der Jurist im "Verfassungsblog". National existiere zum Beispiel seit 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS).
Was heißt: Maßnahmenplanung?
Hierbei geht es um Maßnahmen, mit denen das Ziel einer stärkeren Resilienz erreicht werden kann. Diese Maßnahmen reichen von einer den Klimawandeleffekten trotzenden Architektur über die Stadtplanung bis hin zu einer an die Klimarisiken angepassten Landnutzung. Entsprechend adressiert das Gesetz damit den Bund, die Länder und mittelbar Kommunen. Das Umweltbundesamt (UBA) listet 226 beispielhafte Maßnahmen auf, die bestimmte Klimawirkungen reduzieren können. Etwa:
- Während Hitzeperioden kann das Erhitzen von Innenräumen durch die Begrünung von Dächern und Fassaden von Gebäuden reduziert werden.
- Das Risiko von Hochwasserschäden an Brücken und anderer Infrastruktur kann durch die Schaffung von Versickerungsflächen verringert werden.
- Die Waldbrandgefahr ließe sich durch den Umbau von Kiefern- oder Fichtenforsten in Mischwälder senken.
Was "no-regret-Maßnahmen" bedeuten
Sogenannte no-regret-Maßnahmen sind zu bevorzugen. Diese Maßnahmen basieren auf Strategien, die mit oder ohne Folgen des Klimawandels ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll sind. Dazu gehören etwa:
- energieeffiziente Gebäudestandards
- die Erarbeitung von Frühwarnsystemen zum Schutz vor Hochwasserereignissen
- das Einrichten grüner Oasen in Städten, die an heißen Sommertagen Kühle und Schatten spenden
- im Bereich der Landwirtschaft die Wiederbelebung von Feldhecken, um der windbedingten Erosion des Ackerbodens zu begegnen. Außerdem der Anbau von an den Klimawandel angepassten Ackerpflanzen.
Was heißt: Integrierte Klimaanpassung?
Im wesentlich bedeutet das, dass das Thema Klimaanpassung von Trägern öffentlicher Aufgaben immer mitgedacht werden muss - jedenfalls dort, wo Klimaeffekte zu erwarten sind. Das wichtigste Instrument sei das in Paragraf 8 vorgesehene Berücksichtigungsgebot, so Patrick Hilbert.
Es verlange, dass "alle Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen (Paragraf 2 Nr. 3), immer dann, wenn ihnen das Recht Entscheidungsspielräume belässt […], prüfen müssen, ob bei der Entscheidung Belange der Klimaanpassung (Schutz und Vorsorge) eine Rolle spielen können und wie weit sie in Abwägung mit anderen Belangen zur Geltung kommen sollen", schreibt er im Verfassungsblog.
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Das heißt aber auch, dass anderen Belangen Vorrang eingeräumt werden kann. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn eine Kommune einem Bauprojekt, das zu Versiegelung führt, den Vorrang vor dem Erhalt einer Versickerungsfläche gäbe. Dennoch sei die gesetzliche Normierung zu begrüßen, so der Rechtswissenschaftler, weil sie das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Klimaanpassung schärfe.
Was heißt: Informationsbezogener Ansatz?
Das heißt: Die Klimaanpassungsstrategien und die integrierte Klimaanpassung sollen auf einer soliden Datengrundlage basieren. Da sind vor allem die Klimarisikoanalysen zu nennen, die vom Bund und von den Ländern erstellt werden müssen.
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Mit der "Klimawirkungs- und Risikoanalyse" des UBA ist ein solches Instrument auf Bundesebene bereits eingerichtet. Daneben soll ein Monitoringbericht die Folgen des Klimawandels und den Stand der Klimaanpassungsstrategie im Vier-Jahres-Rhythmus abbilden. Die Veröffentlichung der Informationen ermöglicht zudem eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit.
Das KAnG schaffe einen tauglichen Rahmen für die Klimaanpassung, resümiert Patrick Hilbert. Dessen Auffüllung sei allerdings den politischen Akteuren überlassen.
Handelsblatt hier Silke Kersting 01.07.2024
Schutz vor Extremwetter: Kommunen müssen Konzepte gegen die Klimakrise vorlegen
Die Unwettergefahren steigen. Deswegen tritt an diesem Montag ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz in Kraft. Doch die ungeklärte Finanzierung sorgt für Ärger.
Starkregen, Hochwasser, Hitze: Die Unwettergefahren steigen überall. Doch Deutschland ist bislang nur mäßig darauf vorbereitet. Das erste bundesweite Klimaanpassungsgesetz soll das ändern. An diesem Montag tritt es in Kraft.
Ziel des Gesetzes ist eine flächendeckende Vorsorge in ganz Deutschland gegen die Folgen der Klimaerwärmung. Alle Verwaltungsebenen müssen künftig die Folgen der Klimakrise berücksichtigen, etwa bei städtebaulichen Vorhaben. Das Gesetz wurde bereits im November 2023 im Bundestag beschlossen.
Vorsorgemaßnahmen gegen die Klimakrise seien angesichts von Wetterextremen wie Starkregen und Hitze „das Gebot der Stunde“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Auf die Kommunen kommen einige konkrete Aufgaben zu.
Klimaanpassung geschieht in der Regel vor Ort, es sind also in erster Linie die Kommunen zuständig. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass auch der Bund regelmäßig eine Strategie für die Klimaanpassung vorlegt. Die erste wird nach Angaben des Bundesumweltministeriums gerade erarbeitet und soll bis Ende 2024 stehen.
Die Länder müssen dafür sorgen, dass lokale Klimaanpassungskonzepte auf der Grundlage von Risikoanalysen aufgestellt werden. Sie berichten dem Bund, in welchem Umfang in den Gemeinden und Kreisen entsprechende Konzepte vorliegen. Auch an eine Entsiegelung von Böden wird gedacht.
Es sei wichtig, klar zu regeln, „welche staatliche Ebene wo handeln muss“, meint Umweltministerin Lemke. „Über die konkreten Maßnahmen muss vor Ort entschieden werden.“
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In etlichen Gemeinden haben in den vergangenen Jahren Klimaanpassungsmanager die Arbeit aufgenommen. Sie erarbeiten die Anpassungskonzepte vor Ort und beraten ihre Kommune etwa dazu, wo mehr Grünflächen angelegt werden können oder wie bei Starkregen zu verfahren ist. Auch Hitzeaktionspläne spielen zunehmend eine Rolle, um die Menschen und die Natur vor Belastungen durch Hitze und Trockenheit zu bewahren.
Der Deutsche Städtetag spricht von einer „Daueraufgabe für Jahrzehnte“. Klimaanpassung sei „existenziell für unsere Zukunft“. Das hätten die jüngsten Hochwasser, erst im Saarland und in Rheinland-Pfalz, dann in Bayern und Baden-Württemberg, noch einmal eindrücklich gezeigt, sagt Christine Wilcken, Leiterin des Dezernats Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz.
Unklare Finanzierung
Bislang war es den Kommunen freigestellt, die entsprechenden Konzepte zu erstellen. Das neue Gesetz macht diese Aufgabe für alle verbindlich.
Wer diesen Aufwand bezahlt, ist aber noch unklar. „Als nächster Schritt muss die Finanzierung der zur Klimaanpassung erforderlichen Maßnahmen gesichert werden“, heißt es im Umweltministerium. In der Umweltministerkonferenz werde diskutiert, ob auch der Bund beteiligt werden könne. Das könne etwa durch die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz abgesichert werden. Mit dem Begriff Gemeinschaftsaufgaben werden Herausforderungen definiert, die in die Zuständigkeit der Länder fallen, aber vom Bund mitfinanziert werden.
Der Städtetag redet von „Milliardensummen“, die investiert werden müssten. Die Städte würden das allein nicht stemmen können. „Mit den herkömmlichen Finanzierungsstrukturen wird das nicht gehen“, sagt Wilcken. Der Idee einer Gemeinschaftsaufgabe stehe man aufgeschlossen gegenüber.
Es müsse aber klar sein, dass die Mittel „am besten als Budget und ohne komplizierte Anträge und kommunalen Eigenanteil bei den Städten ankommen“ müssen. Zudem dürften Vorreiterstädte, die schon viel für Klimaanpassung getan hätten, nicht benachteiligt werden.
Schon in einem Positionspapier aus dem vergangenen Jahr hieß es, die Städte erwarteten, „dass Bund und Länder dauerhaft und planbar die Finanzierung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen mittragen“.
Dass eine Regelung nun aussteht, verärgert auch die Klima-Allianz Deutschland, ein breites gesellschaftliches Bündnis aus 150 Mitgliedsorganisationen, etwa aus dem Umweltbereich und der Entwicklungszusammenarbeit.„Wir fordern die Bundesregierung auf, die Finanzierungsfrage endlich zu klären“, teilt die Allianz mit. Vielen Kommunen fehle es schon jetzt an Geld und Personal, um ihren Aufgaben nachzukommen.
WiWo hier 28. Juni 2024 | Quelle: dpa
Ab dem 1. Juli greift das Gesetz zur Klimaanpassung: Das müssen Sie jetzt wissen
«Es ist eine Illusion zu denken,
der unzureichende Klimaschutz der Regierung
könnte durch mehr Anpassung ausgeglichen werden.»
Extreme Wetterlagen sind auch in Deutschland Folge des Klimawandels. Ab Montag soll ein neues Gesetz helfen, diese besser zu bewältigen.
Der Klimawandel ist Realität – und seine Folgen spüren mittlerweile auch viele Menschen in Deutschland. Extremwetter werden häufiger, die sogenannten Jahrhunderthochwasser treten längst nicht mehr nur einmal im Jahrhundert auf.
Das bedeutet auch: Wer sich nicht an die Auswirkungen anpasst und seine Umgebung entsprechend neu gestaltet, hat verloren. Deutschland hat hier noch einen langen Weg vor sich – der jetzt mit dem neuen Gesetz zur Klimaanpassung deutlich verkürzt werden soll. An diesem Montag tritt es in Kraft.
Pflicht statt Freiwilligkeit
Es verpflichtet Bund und Länder, Strategien vorzulegen, die eine flächendeckende Klima-Vorsorge ermöglichen. Ganz konkret setzt das Gesetz einen Rahmen fest, um etwa Notfallmaßnahmen in Starkregen-Hotspots zu ergreifen oder den Hitzeschutz für besonders gefährdete Gruppen wie alte Menschen und Säuglinge zu verbessern.
Bislang war das Erstellen entsprechender Konzepte in den Kommunen freiwillig. Das neue Gesetz macht diese Aufgabe für alle verbindlich. Damit verpflichte sich auch die Bundesregierung, „eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorzulegen, regelmäßig zu aktualisieren und fortlaufend umzusetzen“, erklärte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Die genannte Strategie werde bis Ende des Jahres stehen.
Für die Ministerin ist klar: Die Vorsorge muss jetzt mit Hochdruck vorankommen, um künftige Schäden durch Wetterextreme zu minimieren. Das bedeute auch mehr finanzielle Beteiligung des Bundes, wie Lemke immer wieder betont. Ihr Ministerium schätzt den Finanzbedarf für die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen bis 2030 auf 38 Milliarden Euro. Wo genau so viel Geld herkommen soll, ist noch unklar. Auch das neue Gesetz lässt diese Frage unbeantwortet.
Klimaanpassungsmanager packen es vor Ort an
Für die Anpassung sind in erster Linie die Länder zuständig. In etlichen Gemeinden haben in den vergangenen Jahren sogenannte Klimaanpassungsmanager die Arbeit aufgenommen. Sie erarbeiten die Anpassungskonzepte vor Ort und beraten ihre jeweilige Kommune etwa dazu, wie bei Starkregen zu verfahren ist und wo mehr Grünflächen angelegt werden können.
Bisher hat das Bundesumweltministerium nach eigenen Angaben 125 Stellen für Anpassungsmanager gefördert. Wie viele bereits ihren Job angetreten haben, ist allerdings unklar. Zur konkreten Stellenbesetzung gebe es keine Meldepflicht, heißt es.
Einer, der seit August 2023 im Amt ist, ist Jan-Hendrik Jochens aus Saarbrücken. Er ist der bislang einzige Klimaanpassungsmanager im Saarland, das kürzlich von heftigen Fluten heimgesucht worden war. Wenn er an das neue Gesetz denkt, hat er Hoffnung, dass es künftig schneller vorangeht mit der Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise.
Das Konzept für die Stadt Saarbrücken soll im kommenden Sommer fertig sein. Doch wie viele solcher Konzepte bereits stehen und umgesetzt werden, ist ebenso wie die genaue Zahl der Anpassungsmanager noch nicht bekannt. Das Umweltbundesamt führt derzeit eine Erhebung dazu durch und wird die Ergebnisse erst im September vorstellen. Bis zum 30. September müssen auch die Bundesländer dem Ministerium von Lemke erstmals mitteilen, wie viele Konzepte bereits erstellt worden sind. Diese Bestandsaufnahme, die alle zwei Jahre wiederholt werden soll, sieht das neue Gesetz ausdrücklich vor.
Für Klimaaktivisten wie Clara Reemtsma von Fridays for Future ist das alles zu wenig. „Es ist eine Illusion zu denken, der unzureichende Klimaschutz der Regierung könnte durch mehr Anpassung ausgeglichen werden“, sagte sie der dpa. Wenn die Bundesregierung nicht noch mehr tue, um die Erderwärmung zu stoppen, nehme sie „die Eskalation der Klimakrise bewusst in Kauf“. Während das Klima-Anpassungsgesetz verabschiedet werde, verfehle die Bundesregierung weiter ihre Klimaziele und versage dadurch „auf dem wichtigsten Gebiet des Katastrophenschutzes“.
Streit über Versicherungspflicht gegen Elementarschäden
Dass auf vielen Ebenen noch Lücken klaffen, beklagen nicht nur Aktivisten. Experten fordern beispielsweise schon lange eine Ausweitung des Versicherungsschutzes in der Bevölkerung. Zu einer Pflichtversicherung, die alle Hausbesitzer bei hochwasserbedingten Schäden vor dem Ruin bewahren könnte, konnte sich die Politik bislang nicht durchringen.
Hierzulande sind lediglich etwa 50 Prozent der privaten Gebäude gegen Elementarschäden abgesichert - also gegen Schäden, die unter anderem durch Überschwemmungen entstehen. Die Bundesländer plädieren ganz klar für eine Versicherungspflicht und verweisen auf die hohen Summen, die etwa nach dem Juli-Hochwasser im Jahr 2021 vom Staat geschultert werden mussten. Der Gesamtverband der Versicherer beziffert diese Kosten auf knapp neun Milliarden Euro.
Und dennoch: Der Bund sieht eine Pflichtversicherung kritisch. FDP-Justizminister Marco Buschmann verweist unter anderem auf Mehrkosten für die Allgemeinheit und zu viel Bürokratie.
Klar ist aber auch: Die nächste Flut wird kommen. Und der Streit darüber, wer die Kosten trägt, definitiv auch.
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