Donnerstag, 4. Juli 2024

Webinar Renaturierungsgesetz

 +++ Aufzeichnung +++

Meine Gäste: Peter Wohlleben, Martin Stuchtey & Jan Peters


Ein wirklich interessantes Webinar, es lohnt sich in ganzer Länge zum Ansehen
Mein Favorit bei diesem Webinar ist aber tatsächlich  
Martin Stuchtey, The Landbanking Group (ab 28), der Mann aus der "Wirtschaft", wie er vorgestellt wird. Auszüge von seiner Vorstellung:

Anfangs sah es aus wie ein Routine-Act, dann wurde es immer mehr zu einer politischen Auseinandersetzung und ganz am Schluß - in den letzten 24 Std. - ist es fast zu einer Shakespeare-anischen Tragödie geworden, wenn man auch sieht, wieviel an innerer Haltung und wieviel an Persönlichkeit es am Schluß galt, da einzubringen. Ich denke jetzt an Leonora Gewessler....

Ich frag mich manchmal: Wie schauen wir auf einen solchen Tag wie heute in 10 oder in 100 Jahren drauf?
Weil auf der einen Seite war das wirklich ne wichtige Entscheidung (Das 1. Renaturierungsgesetz!)... aber auch gleichzeitig ist das so ein 1. Übungsfall wie wir eigentlich damit umgehen, diese völlig unterschiedlichen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen, mit denen wir es hier zu tun haben.

Ich bin ja Geologe und deshalb denke ich in längeren Zeiträumen: Das was wir im Klima erleben ist eine 5 Mio-Jahres- Anomalie, und das was wir im Bereich der Biodiversität erleben, das ist eine 50 Mio-Jahres-Anomalie. Und das müssen wir jetzt politisch unterbringen in einer Welt  in  der wir in  Legislaturperioden, in Quartalsberichten und manchmal sogar in Nano-Trades.....denken. Das ist auch gar nicht leicht, da sind wir kognitiv schon alle gefordert, das müssen wir uns gegenseitig zugestehen...

Das Renaturierungsgesetz: es kann schon sein dass wir da irgendwann draufschauen und sagen "Das war ein Übungsfall" oder ein 1. Fall, wo wir versucht haben einen Rechtsraum, einen Konsens zu schaffen. Der Leitplanken etabliert, mit dem wir halt diese unterschiedlichen Interessen auch sauber abwägen können..... Eine Frage die so weit in die Zukunft reicht, die hat ja nicht was mit Parteizugehörigkeit, sondern eher mit innerer Haltung zu tun... Ich selbst bin mit Klaus Töpfer zu diesen Themen ...gekommen. Man kann aus vielen unterschiedlichen Perspektiven zu ähnlichen Schlüssen kommen.

Der Blick in die Wirtschaft: das Renaturierungsgesetz steht für eine Reinterpretation der Natur - weg von etwas was außerhalb von Gesellschaft und Ökonomie steht, hin zu einer kritischen Infrastruktur, die wir eigentlich brauchen. Und das war in der Vergangenheit halt anders.

In der Vergangenheit war es so, dass man das ganze Thema Natur im "Guten" vielleicht interpretiert hat - wenn man aus unternehmerischer Sicht drauf schaut - das ist etwas um sich in der Gesellschaft bisschen zu betätigen, auf gutdeutsch CSR, auch eine Möglichkeit sich bisschen zu differenzieren von anderen, indem man halt bisschen mehr Transparenz herrschen lässt...Im Guten wurde das als interessantes, nettes Betätigungsfeld gesehen. Und im Schlechten wurde es gesehen als eine unerträgliche Reporting-Last oder auch wirklich als nicht tragbare Einschränkung unserer Wettbewerbsfähigkeit.

Aber egal ob man es in der Vergangenheit gut oder negativ interpretiert hat, es war irgendwo eine Marginale am Rande des Kerngeschäfts. Und das ändert sich jetzt weil die physischen Risiken so sichtbar werden und jetzt auch im Rahmen der neuen Transparenz die juristischen Risiken so sichtbar werden.

Was ich in meiner Welt beobachte, ist dass das Renaturierungsgesetz in eine völlig neue Welt hereinkommt. Nicht überall, aber eigentlich ist da was im positiven Sinne in Bewegung geraten und da passt das Renaturierungsgesetz eigentlich sehr gut dazu. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, aus denen Unternehmen jetzt schon aktiv werden. Das eine sind einfach betriebswirtschaftliche Gründe. 

Lebenmittelbranche: der Kakao-Preis hat sich verfünffacht, im letzten Jahr gab es keine Orangen mehr aus dem Mittelmeerraum, in Südafrika brechen die Obsternten zusammen, weil es keine Bestäuberinsekten mehr gibt.

Infrastrukturbranche: ein Baum hat 100-150 kW Kühlungsleistung, das ist ne ganze Menge Kapitalauslage und operativer Kosten, auf die man verzichten könnte, wenn man diese Kühlungswirkung nutzt.... Wir sehen mittlerweile Infrastruktur-Bauunternehmen, die da wirklich sehr konkret drüber nachdenken... 

Die Erhöhung von Technologieunternehmen, die es mittlerweile als echte strategische Herausforderung sehen, Zugang zu Kühlwasser für ihre Serverfarm zu kriegen... 

Dann die Wasserbranche, die Getränkebranche, die zunehmend in die Trinkwasser-Einzugsgebiete investieren muss... 

die Energiebranche, die keinen ausreichenden  Zugang für PV-Fläche kriegt, wenn sie nicht nachweisen können dass dort Bidiversitätsaufbau stattfindet...

Versicherung: 36 Milliarden Schaden im Ahrtal. Attributionsrechnungen zeigen, dass man diese Versicherungsausfälle zu nem guten Teil über alternative Landnutzungsentscheidungen im Oberlauf hätte verhindern können.

Also einfach Gutes, betriebswirtschaftliches, rational. Was vielleicht noch die stärkere Triebfeder ist: die treuhänderischen Pflichten, die unsere Vorstände haben. Zunehmend gibt es Präzedenzfälle, dass die Bilanzen, die wir heute erstellen, eigentlich gar nicht mehr belastbar sind. True and fair ist da das Stichwort. Diese ganze Risiken, die uns da ins Haus stehen, die sind ja gar nicht abgebildet. D.h. wir haben also das, was die Wirtschaftsprüfer Empairment - Risiken nennen, die werden so hoch, dass sie mittlerweile einem den Job kosten können..... Mittlerweile kucken mehr und mehr Unternehmen und sagen: also mein Recht auf funktionierendem Umfeld, auf Ökosystemen, das ist ein Recht, das ist so viel wert wie ein Copyright... Das ist ein immatrieller Vermögensgegenstand, der meine Unternehmensbilanz stärkt und deswegen investier ich da rein.

Weitere Gründe, 3. Ausgleichsleistungen. In der Vergangenheit haben wir ja sehr stark über Kompensation gesprochen. Da gibt es mittlerweile Fragen, ob das in Zukunft noch ein belastbares Konzept ist....Es gibt eine Bewegung weg von Kompensation hin zu Kontribution, wonach man nachweisen möchte, dass man positive Beiträge bringt. Das bewegt eine ganze Reihe von Firmen jenseits der Wertschöpfungskette zu investieren.

Und dann gibt es die Kapitalmarktrisiken: Mehr und mehr Banken müssen / wollen gerade Streßtests machen, um herauszufinden dass Biodiversität als naturbedingte Risiken mittlerweile auch eine Bilanz crashen können. Nicht nur Banken, auch Zentralbanken machen das. 75% der Kredite, die die europ. Zentralbanken herausgeben sind massiv im Risiko wenn die Natur ausfällt. Zunehmend wollen die natürlich wissen, bei jeder Investition, bei jedem Kredit: Habt ihr euch als Unternehmen gegen diese Naturrisiken abgesichert?

Das Letzte: Zunehmend gibt`s die Perception dass Verbesserung von Natur und Zugang zu Naturkapital auch irgendwo intrinsischen Wert haben kann. Dass Naturbezugsrechte der Picasso des 21. Jhd. sind und es gibt ganze Märkte die sich darum entwickeln. Wird viel diskutiert,  eine größere Bewegung die aber in Summe in uns als Gesellschaft und nicht so sehr in den Märkten stattfinden muss....

Muss man nicht Wege finden, Natur zum Teil unserer Wohlstandsfiktion zu machen, um das Problem an der Wurzel zu lösen?

In so ne Welt kommt jetzt heute das Renaturierungsgesetz, und das ist jetzt ganz anders als viele der Gegner gesagt haben. Es trifft jetzt eben die Wirtschaft nicht kalt, weil viele der Trends seit Jahren absehbar sind und jedes progressive Unternehmen begonnen hat, darüber nachzudenken. Und auch die progressiven Wirtschaftsredaktionen, anders als die Kritiker vom Renaturierungsgesetz das behaupten, sind all die Horte wo sehr strategisch darüber nachgedacht wird. Economists, Finanziell Times, FAZ - die sind sich alle einig dass das richtig ist, dass das gut ist....


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