Südkurier hier JULIA.KIPPING@SUEDKURIER.DE
Lang hat`s gedauert, bis der Südkurier das Thema Klimakrise endlich seitenfüllend thematisiert hat.
Ich hatte mich schon gewundert, wie man dieses wichtige Thema, das von der überregionalen Presse inzwischen regelmäßig bedient wird, so lange zur Seite schieben konnte! Die Klimakrise ist so elementar bedrohlich für unsere junge Generation und für alle folgenden Generationen - schon alleine deshalb müsste sie täglich neu thematisiert werden! Doch immerhin: es kam noch vor der Wahl.
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Über den Weg hin zu diesem ehrgeizigen Ziel wird noch trefflich gestritten. Eine kürzlich erschienene Studie des Deutschen Wirtschaftsinstituts zweifelt sogar daran, dass die in den Wahlprogrammen skizzierten Maßnahmen ausreichen. Doch wie kann man sich die klimaneutrale Zukunft überhaupt vorstellen? Und was kann der Einzelne dazu beitragen?
Der SÜDKURIER hat sich mit Klimaexperten unterhalten. Einer davon ist der Freiburger Michael Bilharz. Wenn jeder seinen CO2-Fußabdruck verkleinere, dann ließen sich die Klimaziele doch noch erreichen, ist der 49-Jährige überzeugt.
Thema des Tages: Was jeder Einzelne fürs Klima tun kann
Der Kampf gegen die Erderwärmung ist auf politische Entscheidungen angewiesen. Die neue Bundesregierung, die am 26. September gewählt wird, wird entscheidende Weichen stellen müssen, damit der CO2-Ausstoß reduziert wird. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. In ihren Wahlprogrammen versprechen die Parteien, das Ziel mit unterschiedlicher Intensität zu verfolgen. Während sowohl Unionsparteien als auch SPD an einer Klimaneutralität bis zum gesetzten Ziel 2045 festhalten wollen, setzt sich die FDP 2050 als Ziel. Die Grünen versprechen ein Sofortprogramm, um den CO2-Ausstoß in den kommenden Jahren zu senken, und wollen 2041 die Klimaneutralität erreicht haben. Noch sechs Jahre früher wollen das die Linken durchsetzen. Einsparen wollen sie etwa im Flugverkehr und durch eine Mobilitätswende.
Aber wie verändert ein klimaneutrales Leben unseren Alltag? Ist das überhaupt zu schaffen?
„Die Menschheit hat das Klima in kurzer Zeit sehr stark verändert“, sagt Rainer Grießhammer, der seit Jahrzehnten für die Zukunft des Planeten arbeitet, unter anderem am Freiburger Öko-Institut.
Der 68-jährige Honorarprofessor für Nachhaltige Produkte ist seit über 30 Jahren in dem unabhängigen Umweltforschungsinstitut engagiert und Vorstand der Stiftung Zukunftserbe.
Er geht davon aus, dass es infolge der Klimaerwärmung nicht nur zu extremen Wetterereignissen kommen wird, sondern weltweit vermehrt zu Konflikten um Lebensräume und Ressourcen. Zusammengefasst: Es wird ungemütlicher auf der Erde.
Um das zu verhindern, müsse es erhebliche Änderungen in unserem Alltag geben, sagt Grießhammer. Doch die Auswirkungen eines klimafreundlichen Lebens auf unsere Lebensweise seien erträglicher als die Konsequenzen aus der Klimaerwärmung. Diese hat nach Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) die Temperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen bereits um 1,6 Grad Celsius ansteigen lassen.
„Wir müssen den Klimaschutz beschleunigen, damit die Temperaturen nicht weiter steigen“, drängt auch Michael Bilharz, der beim Bundesumweltamt (UBA) für den Bereich Nachhaltiger Konsum zuständig ist.
......Mehr als elf Tonnen CO2 produziert ein Deutscher laut UBA durchschnittlich im Jahr. Weltweit sind es nur knapp fünf Tonnen pro Kopf. Um den Klimawandel zu stoppen, müsste es weniger als eine Tonne pro Person und Jahr sein, sagt Bilharz.
..... Michael Bilharz erklärt: „Es geht nicht darum, kein CO2 mehr herzustellen, sondern zu vermeiden, dass sich zusätzlich welches in der Atmosphäre anreichert.“ Wer seinen Lebensstil anpasst und auf eine CO2-Reduzierung achtet, der schaffe es auf etwa sechs Tonnen CO2 im Jahr.
Allerdings werde das nicht ohne Widerstände gehen, sagt Rainer Grießhammer: „Die Bürger ändern ungern ihre Gewohnheiten.“ Er erinnert an die Aufregung, als das Rauchen in den Kneipen abgeschafft wurde. Heute selbstverständlich. Auch Klimaschutz bedeutet eine Veränderung des Lebensstils. Statt des eigenen Autos direkt vor der Haustür könnte es künftig vor allem in Großstädten Carsharing-Modelle geben, bei denen sich mehrere Parteien ein Fahrzeug teilen. Das spart laut Internetrechner CO2-Avatar im Schnitt 0,3 Tonnen CO2 im Jahr pro Person. Die Einschränkung des Fleischkonsums um nur eine fleischhaltige Mahlzeit pro Woche spart 0,1 Tonnen CO2. Auch ein Tempolimit könnte aus Umweltsicht viel bewirken.
.....Das Ziel: Bis zur UN-Klimakonferenz in Glasgow Anfang November eine Million Menschen davon zu überzeugen, jeweils eine Tonne CO2 einzusparen. Denn die Klimakonferenz sei die letzte Chance, sagt Bilharz: „Wenn wir das Klima retten wollen, müssen wir jetzt handeln.“ Wenn in Glasgow nicht die richtigen Entscheidungen getroffen und bis zur nächsten Konferenz in fünf Jahren verschoben würden, dann sei das globale Klimaziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken, realistisch gesehen nicht mehr erreichbar. „......
.... Die Mobilität biete viel Einsparpotenzial, sagt der Klimaschützer. Doch auch das Wohnen kostet uns in Deutschland viel CO2. „Der Flächenverbrauch ist einer der Haupttreiber“, sagt Bilharz. Die Zwei-Personen-Haushalte haben zugenommen – große Wohnungen oder Häuser werden von immer weniger Personen genutzt. Dazu kommt: „Es gibt viele Paare mit Doppelwohnungen.“ Wegen des knappen Wohnraums in den Städten, würden laufend neue Wohngebiete ausgewiesen. „Damit müssen wir aufhören“, sagt Bilharz ........
Die Energiewende schaffen und den Klimawandel stoppen, das sieht Bilharz als gesamtgesellschaftliches Projekt. .....“ Viele kleine Schritte haben am Ende genug Gewicht, um etwas ins Rollen zu bringen". Wenn die Politik nicht entschlossen genug Wege zu einem klimaneutralen Deutschland aufzeige, dann müssen die Bürger selbst die Rahmenbedingungen ändern. „Wir brauchen Menschen, die einen neuen Lebensstil ausprobieren.“ Nicht die Mehrheit, sagt Bilharz, aber eine kritische Masse, so viele, bis sich die gesellschaftliche Struktur alleine ändert.........
Vieles bleibt trotzdem Aufgabe der Politik. Der Kohleausstieg, eine CO2-Steuer, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, der Handel mit CO2-Emissionen. Rainer Grießhammer fordert von der Regierung, endlich Maßnahmen zu ergreifen. „Für die Verbraucher ist es einfacher, ihr Verhalten zu ändern, wenn der Rahmen steht.“ Flutkatastrophen, Dürren, Waldbrände – der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC zeichne ein düsteres Bild von der Zukunft, wenn sich nichts ändere, resümiert Grießhammer. „Dann werden wir unseren Kindern und Enkeln eine Welt vererben, die unwirtlich sein wird.“ Jeder solle sich das klarmachen und entscheiden.
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