Montag, 17. Februar 2025

Als größtes Sicherheitsrisiko gelten "Extremwetterereignisse und Waldbrände". Auf Platz zwei: die Klimakrise im Allgemeinen

  Standard hier  Benedikt Narodoslawsky  15. Februar 2025

Sicherheitsexperten warnen: Klimapolitik stellt die EU vor eine Zerreißprobe

Sicherheitsexperten warnen: Klimapolitik stellt die EU vor eine Zerreißprobe
Laut dem Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz gelten Extremwetter als größtes Sicherheitsrisiko der Welt – vor Russland, Wirtschaftskrisen und Massenmigration


Staatenlenker aus aller Welt sind zur Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) gereist, diese dreht sich um eine Frage: Wie geht es weiter im Ukrainekrieg? Die Frage überschattet zwei Themen, die für die Menschen noch gefährlicher scheinen als Russlands Angriffskrieg. Als größtes Sicherheitsrisiko gelten "Extremwetterereignisse und Waldbrände". Auf Platz zwei: die Klimakrise im Allgemeinen.

Das ist kein Befund einer Umweltorganisation, sondern geht aus dem offiziellen "Munich Security Index 2025" hervor, den die Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlicht hat. Der Index fängt die Stimmungslage der Bevölkerung in führenden Industriestaaten (G7-Staaten), von USA bis Japan, und den Schwellenländern Brasilien, Indien, China und Südafrika (BRICS-Staaten ohne Russland) ein. Die Ergebnisse beruhen auf repräsentativen Umfragen in diesen Ländern.

Zur Stimmungslage in Österreich geben die Daten nichts her, sehr wohl aber zu Deutschland. Auffällig dabei: Beim großen Nachbarn landet die Klimakrise nur auf Platz 15 der Sicherheitskrisen. Stattdessen nehmen die Deutschen Massenmigration, Russland und den radikal-islamistischen Terror als die drei größten Bedrohungen wahr.

"Leben bereits in Klimakrise"
Für die Sicherheitsexperten aus Deutschland ist die Erderhitzung hingegen zu einem bestimmenden Risiko geworden. "Wer Sicherheit denkt, muss Klima mitdenken. Wir leben bereits in der Klimakrise", heißt es in der Nationalen Interdisziplinären Klimarisiko-Einschätzung, einem weiteren druckfrischen Bericht, den die Universität der Bundeswehr München kurz vor dem Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlicht hat.

Die Bundeswehr-Uni erarbeitete die Risikoeinschätzung für die deutsche Bundesregierung, unter anderem wirkten das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der Bundesnachrichtendienst (BND) daran mit. Neben der russischen Aggressionspolitik, Chinas weltpolitischen Ambitionen, Cybergefahren und dem internationalen Terrorismus betrachtet der deutsche Auslandsgeheimdienst BND die Folgen des Klimawandels mittlerweile als eine der "fünf großen externen Bedrohungen für unser Land", wie BND-Präsident Bruno Kahl im Bericht festhält. "So setzen die Folgen des Klimawandels Staaten zunehmend unter einen Druck, der durchaus auch geopolitische Dimensionen erreicht."

Kampf an mehreren Fronten
Für die Politik eröffnen sich dabei gleich mehrere Fronten. Da sind zunächst die offensichtlichen Folgen der Klimakrise: Extremwetterereignisse häufen sich und werden brutaler. Sie gefährden Menschen, zerstören Infrastruktur und schaden der Wirtschaft. "Hohe Anpassungs- und Wiederaufbaukosten schlagen sich negativ auf das Wirtschaftswachstum nieder, wodurch sich wiederum das Potenzial für Investitionen verringert", heißt es dazu im Bericht.

Zugleich verknappt die Klimakrise Ressourcen. Beispielsweise werden große Ernteausfälle wahrscheinlicher. Diese verteuern Lebensmittel und erhöhen die Nahrungsmittelunsicherheit. Das wiederum könne "Migration erzwingen". Gerade in armen Staaten mit hohem Bevölkerungswachstum verschärfe die Klimakrise Konflikte und befeuere humanitäre Krisen.

Politische Instabilität
Die deutschen Sicherheitsexperten sehen die Klimakrise aber nicht allein als Spannungsfeld zwischen dem Globalen Norden und Süden. "Der Umgang mit der Klimakrise wird das politische Konfliktpotenzial innerhalb der EU weiter erhöhen", schreiben sie. "Vor allem südliche Staaten der EU werden stark von wirtschaftlichen Einbußen durch Klimaeffekte, aber auch von politischer Instabilität in ihrer geografischen Nachbarschaft betroffen sein." Im Süden gefährdet die Erderhitzung etwa die Landwirtschaft und den Tourismus. Greift die Arbeitslosigkeit dort um sich, ist eine verstärkte Abwanderung nach Norden absehbar. "Dies erhöht Spannungen in den Ländern selbst und erzeugt Konfliktpotenzial innerhalb der EU, wodurch gemeinsames Handlungspotenzial schwindet."

Der soziale Zusammenhalt könnte aber auch innerhalb der EU-Staaten selbst bröckeln, warnen die Autoren. Nämlich dann, wenn Politiker Klimamaßnahmen unsozial umsetzen. Als Beispiel gilt eine CO₂-Bepreisung ohne sozialen Ausgleich wie den Klimabonus, die arme Menschen härter treffe als reiche. "Dies führt zu gesellschaftlichen Konflikten und bietet externen Akteuren ein Einfallstor für Desinformationskampagnen im Rahmen hybrider Angriffe, mit denen die Demokratie unterminiert wird", erklären die Autoren.

Polarisierung und Widerstand
Wie Klimapolitik die Gesellschaft polarisiere, lasse sich schon heute beobachten. Während Rechtsextremisten "die Angst vor Veränderungen" instrumentalisierten, reagierten linke Gruppen "mit Maßnahmen des zivilen Ungehorsams bis hin zu gewaltsamem Widerstand". Sollte die Klimapolitik zu langsam vorangehen, sei eine weitere Radikalisierung wahrscheinlich.

Die beiden Berichte zur Münchner Sicherheitskonferenz bestätigen, was der "Global Risks Report" schon Anfang des Jahres offenbarte. Das Weltwirtschaftsforum ließ dafür 900 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft befragen. Die langfristig größte Bedrohung der Welt sind ihnen zufolge: Extremwetterereignisse. (Benedikt Narodoslawsky, 15.2.2025)

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