Donnerstag, 20. Februar 2025

Umweltpolitik wieder als das sehen, was sie ist: das Land in einem guten Zustand zu erhalten – zum Vorteil aller, die darin leben

 hier  Kommentar von Michael Bauchmüller  19. Februar 2025

Die Luft ist sauberer geworden, weil Vorschriften wirken

Wenn der Staat Grenzwerte festlegt, folgt schnell ein Aufschrei. Doch die Fortschritte dabei zeigen, worum es eigentlich geht: um besseres Leben in Deutschland.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Schnee in deutschen Städten nicht lange weiß blieb. Nach ein paar Tagen hatte sich eine dünne graue Rußschicht darauf gelegt. Wo er dagegen diese Woche mal ein bisschen länger liegen blieb, war er weiß – schneeweiß. Es ist das sichtbare Zeichen dessen, was nun das Umweltbundesamt festgestellt hat. 2024 wurden in Deutschland erstmals alle EU-Grenzwerte für saubere Luft eingehalten. Es ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass Umweltpolitik wirkt.

Das steht völlig quer zum Wahlkampf dieser Tage
Umweltpolitik spielt darin kaum eine Rolle. Wo aber doch, da mit dem üblen Beigeschmack von Verbot und Gängelung. Grenzwerte, staatliche Auflagen, das klingt nach neuer Bürokratie, nach Eingriffen in das Private, nach Bevormundung. Sie gelten als Hindernis auf dem Weg zur wirtschaftlichen Erholung und sind das Gegenteil jener „Technologieoffenheit“, hinter der sich in Wahlprogrammen das plumpe Weiter-so verschanzt. Wie kurzsichtig.

Gerade die Luftqualität zeigt, worum es eigentlich geht
Was auf dem Schnee sichtbar wurde, sammelte sich auch in Lungen. Es betraf jene am stärksten, die sich keine Wohnung im Grünen leisten konnten. Es schwächte Kleinkinder und Alte besonders. Von all den hitzigen Debatten rund um Umweltzonen und Fahrverbote führte eine gerade Linie zu Zigtausenden Atemwegserkrankungen. Ein Erfolg bei der Luftqualität, obwohl auch die noch immer besser werden kann und muss, ist also ein Erfolg für das Leben, für Menschen.

Und das verhält sich nicht anders bei allen anderen Umweltfragen, sei es der Zustand von Böden, Gewässern und Grundwasser, sei es die Artenvielfalt, sei es der Lärm. Überall gibt es in Deutschland gravierende Probleme, doch stets schieben sich Einzelinteressen vor das Wohl der Allgemeinheit.

Es wird Zeit, Umweltpolitik wieder als das zu sehen, was sie ist: der Versuch, das Land in einem guten Zustand zu erhalten – zum Vorteil aller, die darin leben oder noch leben wollen.


hier Süddeutsche Zeitung  19. Februar 2025  Von Michael Bauchmüller, Berlin

Luftverschmutzung: Sie haben Ihr Ziel erreicht-
Deutschland hält erstmals EU-Grenzwerte ein

Umweltzonen, Fahrverbote, Partikelfilter: Jahrelang stritt Deutschland erbittert über Maßnahmen für saubere Luft. Jetzt hält es erstmals die EU-Grenzwerte ein. Also alles gut?

Zumindest wenn es nach den Grenzwerten geht, kann Deutschland wieder aufatmen. Nach jahrelangen Debatten über Umweltzonen, grüne Plaketten, Fahrverbote und manipulierte Motoren wurden hierzulande 2024 erstmals alle EU-Grenzwerte für saubere Luft eingehalten. Das zeigen vorläufige Zahlen des Umweltbundesamtes, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Im Kern geht es bei den Grenzwerten um drei Schadstoffe: Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon. Debatten aber gab es vor allem über Feinstaub und Stickoxide. Hauptquellen dafür sind Industrie und Straßenverkehr, und dort wiederum sorgten vorwiegend Dieselfahrzeuge für hohe Belastungen. Insbesondere an viel befahrenen Straßen konnten die Grenzwerte deshalb über Jahre nicht eingehalten werden. Noch 2019 registrierte jede fünfte Messstation im Land überhöhte Stickoxidwerte, 2011 waren es sogar drei Viertel der Messstellen. Und 2024: null.

„Dieser Erfolg ist uns nicht in den Schoß gefallen“, sagt Ute Dauert, Expertin für Luftqualität beim Umweltbundesamt. „Es ist das Ergebnis vieler verschiedener Maßnahmen, durch die etwa die Emissionen am Auspuffrohr erst sanken.“ Vor allem aber ist sie das Ergebnis hitziger Kontroversen und langer Gerichtsverfahren.

So entstanden 2008 nach langem Hickhack die ersten Umweltzonen in Deutschland, damals im Kampf gegen überhöhte Feinstaubwerte. Für Feinstaubpartikel, deren Durchmesser kleiner als zehn Mikrometer ist, galt seit 2005 ein EU-Grenzwert. Einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm durfte er nicht überschreiten. Doch vor allem der Ruß aus Dieselmotoren sorgte vielerorts für Überschreitungen.

Der Erfolg ist auch das Ergebnis langer Gerichtsverfahren

Schrittweise wurden die Regeln in den Umweltzonen verschärft – bis nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette einfahren durften. Für Dieselfahrzeuge hieß das: Sie benötigten einen Rußpartikelfilter. Der Bund förderte die Nachrüstung alter Fahrzeuge über die Kfz-Steuer, neue Autos kamen nicht mehr ohne Filter auf den Markt. Ergebnis: Wurden die Grenzwerte für Feinstaub noch 2006 an jeder zweiten Messstelle gerissen, waren es 2012 schon weniger als zehn Prozent. Seit 2018 gibt es hier schon keine Überschreitungen mehr, die den Grenzwert verletzten.

Dafür tobte 2018 dann ein Kampf um Fahrverbote in deutschen Städten – diesmal aber wegen überhöhter Stickstoffdioxidwerte. Der EU-Grenzwert liegt hier seit 2010 bei einem Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Wieder galten Dieselfahrzeuge als die Hauptverursacher – dabei stießen viele auf dem Prüfstand doch weniger Stickoxid aus. Wie sich 2015 herausstellte, hatten mehrere Hersteller ihre Motoren entsprechend manipuliert. Auf der Straße war der Ausstoß immer noch hoch. Das Ergebnis war schlechte Luft und für Hersteller wie Volkswagen ein handfester Skandal.

Ziel erreicht, Feierabend? Mitnichten

„Bei den Stickoxiden änderte sich erst grundlegend etwas, nachdem die Manipulationen von Herstellern aufgeflogen waren“, sagt die Expertin für Luftqualität Dauert. „Hier haben Software-Updates und die Erneuerung der Fahrzeugflotte viel gebracht.“ Erstmals hatte 2018 zudem das Bundesverwaltungsgericht die Einführung von Fahrverboten gebilligt, auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin. Einige Städte sperrten so ältere Dieselfahrzeuge zumindest auf bestimmten Abschnitten aus. Andere verhängten Tempolimits auf besonders belasteten Strecken.

2024 ist nun das erste Jahr, in dem keine der Messstellen mehr eine Überschreitung meldet. Knapp ist es allerdings immer noch. So kommt die Landshuter Allee in München, neben dem Neckartor in Stuttgart stets einer der Hotspots, immer noch auf durchschnittlich 39 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Eine Messstelle in Essen meldet jene 40 Mikrogramm, die nicht überschritten werden dürfen. Dennoch gelte: „Jede Verbesserung der Luftqualität führt zu einer Reduktion des Gesundheitsrisikos für die Gesamtbevölkerung“, sagt Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamtes. Auch die Werte für besonders feinen Feinstaub – mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser – wurden den vorläufigen Daten zufolge eingehalten.

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