Montag, 1. Dezember 2025

Auswirkungen der Klimakrise nun auch in Europa unmittelbar spürbar: "Was wir lange aus Südasien oder Afrika kannten, passiert jetzt hier."

 Zeit hier  30. November 2025

Klimawandel: Daten zeigen drastischen Schwund der Wasserreserven in Europa

Neue Daten belegen: Europa trocknet aus. Besonders Süd- und Mitteleuropa verlieren laut einer Erhebung des University College London rapide an Wasserreserven.

Weite Teile Europas haben nach neuen Satellitendaten deutlich an Wasserreserven verloren. Eine Analyse des University College London (UCL) zeigt, dass die Südhälfte des Kontinents seit zwei Jahrzehnten immer trockener wird – von Spanien und Italien bis Polen und Deutschland. Das berichtet der britische Guardian, der die Daten gemeinsam mit dem University College London und Watershed Investigations ausgewertet hat.

Die Forschenden führen die Entwicklung demnach auf die Folgen des Klimawandels zurück.
Der Wassermangel betreffe vor allem Grundwasser und Böden und gefährde Landwirtschaft, Trinkwasserversorgung und Ökosysteme. Besonders kritisch ist die Lage in Süd- und Mitteleuropa, wo die Reserven rasant schwinden.

Klares Nord-Süd-Gefälle
Für die Analyse werteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Zeitung zufolge Satellitendaten der Jahre 2002 bis 2024 aus, die Veränderungen im Schwerefeld der Erde erfassen. Weil Wasser Masse besitzt, lässt sich daraus auf den Verlust oder Zugewinn von Wasser in Böden, Flüssen, Seen und Gletschern schließen. Das Ergebnis: Während Skandinavien und Teile Nordwesteuropas feuchter werden, trocknen große Teile Süd- und Südosteuropas aus – darunter Spanien, Italien, Frankreich, die Schweiz, Deutschland, Rumänien und die Ukraine.

Projektleiter Mohammad Shamsudduha, Professor für Wasserkrisenforschung am University College London, sagte dem Guardian, die Trends korrelierten eindeutig mit Klimadaten. Die Analyse sei ein "Weckruf" für Politikerinnen und Politiker, die weiterhin zögerten, CO₂-Emissionen konsequent zu senken.

Wachsende Gefahr für Grundwasser und Landwirtschaft
Besonders besorgniserregend ist der Rückgang des Grundwassers, das als vergleichsweise klimaresistent gilt. Laut der Auswertung sinken die Grundwasserspiegel in denselben Regionen, in denen auch die Oberflächengewässer schwinden. In Südostengland etwa, wo Grundwasser rund 70 Prozent der Trinkwasserversorgung ausmacht, drohten Engpässe durch veränderte Niederschlagsmuster.

Zwar habe die gesamte Wasserentnahme in der EU zwischen 2000 und 2022 abgenommen, doch die Nutzung von Grundwasser sei um sechs Prozent gestiegen – vor allem für Landwirtschaft und öffentliche Wasserversorgung. EU-weit deckt Grundwasser inzwischen 62 Prozent der Trinkwasserversorgung und ein Drittel des landwirtschaftlichen Bedarfs.

Warnungen politischer Untätigkeit
Laut Guardian bezeichnete die Hydrologin Hannah Cloke von der Universität Reading die Entwicklung als "alarmierend". Europa erlebe zunehmend Dürreperioden. Auch England müsse sich laut Umweltbehörde auf eine Fortsetzung der Dürre bis 2026 einstellen.

Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einer Wasserresilienzstrategie, die Effizienzsteigerungen von mindestens zehn Prozent bis 2030 vorsieht. Angesichts von Leckagen zwischen acht und 57 Prozent in den Leitungsnetzen sei die Modernisierung der Infrastruktur entscheidend.

Laut Shamsudduha werden die Auswirkungen der Klimakrise nun auch in Europa unmittelbar spürbar: "Was wir lange aus Südasien oder Afrika kannten, passiert jetzt hier." Die schwindenden Wasserreserven Spaniens könnten sich direkt auf andere europäische Länder auswirken, die von Spanien für Obst und Gemüse abhängig sind, sagte er.


SPIEGEL HIER 29.11.2025,

Der Süden und Osten Europas trocknen aus – und Deutschland zählt noch dazu

Britische Forscher haben gewogen, wie viel Wasser die europäische Landmasse enthält. Heraus kam ein dramatischer Verlust in weiten Teilen des Kontinents.

In weiten Teilen Europas schwinden die Reserven an Süßwasser. Das ergab eine Auswertung von Satellitendaten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten, über die der »Guardian« am Samstag berichtete .

Laut Forschern vom University College London (UCL) hat der Wasseranteil an der Landmasse von 2002 bis 2024 dramatisch abgenommen. Darin erfasst seien sowohl die Oberflächengewässer wie Flüsse, Seen und Talsperren, Gletscher und Bodenfeuchte als auch das tiefer liegende Grundwasser.

Vor allem der Osten und der Süden des Kontinents würden trockener – wozu allerdings auch noch Länder wie Frankreich, Deutschland und Teile Großbritanniens zählten, berichtet das Fachteam. Im Norden und Nordwesten werde es hingegen nasser, besonders in Skandinavien. Im Laufe der Zeit werde der Trend immer deutlicher.

Die Forscher haben Änderungen des Erdschwerefelds ausgewertet, die von Satelliten des Klimaexperiments GRACE erfasst wurden. Weil Wasser schwer ist, können Forschenden im Prinzip wiegen, wie hoch der Wassergehalt in der Landmasse ist. Die Daten machten den Klimakollaps sichtbar, sagte UCL-Hydrologieprofessor Mohammad Shamsudduha der britischen Zeitung.

Winternässe füllt Grundwasser kaum noch auf
Die Originaldaten wurden bislang nicht veröffentlicht und wissenschaftlich begutachtet. Sie passen aber zu einer Studie, die zuvor im Fachblatt »Science« erschienen ist. Diese belegte, ebenfalls anhand von GRACE-Daten, ein weltweites Austrocknen der Böden. Die Massen der Erde verschieben sich demnach so stark, dass der Planet taumelt. Lesen Sie hier mehr: Wo sind die 2600 Milliarden Tonnen Wasser hin? 

Insgesamt geht der Erde im Wasserkreislauf kein Wasser verloren. Doch der Anteil des Salzwassers in den Meeren steigt, der von Süßwasser etwa in Flüssen und Seen sinkt. Somit droht der Menschheit eine Wasserkrise.

Neben besonders trockenen Regionen im Nahen Osten, Teilen Asiens und Lateinamerikas gilt dies laut der neuen Studie auch für Europa. »Auch wenn die gesamte Regenmenge stabil bleibt oder sogar steigt, verändert sich das Muster«, sagte Shamsudduha. Die Niederschläge würden heftiger, die Dürreperioden vor allem im Sommer länger.

Grundwasser sei zwar grundsätzlich weniger direkt vom Klima beeinflusst als die Wasserreserven an der Erdoberfläche, so der Forscher. Doch in den Daten zeigten sich die zunehmenden Extreme auch in der Tiefe: Starkregen fließe schnell in Richtung Meer ab, weil der Boden die Wassermengen nicht aufnehmen kann. Und die Feuchtperioden im Winter seien zunehmend zu kurz, um das Grundwasser wieder aufzufüllen.

Shamsudduha sprach von »weitreichenden Folgen« für die Landwirtschaft und Nahrungsversorgung. Europa müsse seinen Umgang mit Wasser umstellen, weil der Kontinent sich etwa auf den Gemüse- und Obstanbau in Spanien wegen der dort schwindenden Wasserreserven nicht mehr verlassen könne.

Nötig seien neben Wassersparen und Aufbereitung von Brauchwasser auch »neue, ungewöhnliche Ideen« wie das großflächige Sammeln von Regenwasser in Regionen wie England. Die Politik solle die neuen Ergebnisse als »Weckruf« verstehen, sagte Shamsudduha: »Wir müssen akzeptieren, dass der Klimawandel real ist und uns betrifft.« 

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