Samstag, 13. Dezember 2025

Was bleibt vom Gasnetz nach 2045? Wer zu lange bleibt, zahlt irgendwann die Zeche für alle

 Das war immer die große Streitfrage in der Ampelregierung: Habeck wollte die gezielte Förderung für den Umstieg vom Gas, FDP (und CDU/CSU) wollten ausschließlich auf den Druck des CO2-Preises setzen.

Das haben sie durch gezielte Angstmache und allgemeine Verunsicherung schließlich auch erreicht - und nun bekommen sie kalte Füße, jetzt wo die Konsequenzen messbar und absehbar werden.

Deutlich wird: Für die "kleinen Gaskunden" wird es heftig werden. Die Frage ist, ob man sie ungebremst in die  bestehende Falle laufen lässt und was jetzt getan werden müsste.
Besser gesagt: Was jetzt getan wird.

hier 10. Dezember 2025  Oliver Stock

Heizen wie früher, zahlen wie nie: das teure Ende des Gaszeitalters

Netzentgelte, CO₂-Preise, politische Blockaden – warum die Gasheizung als Übergangslösung für jeden Haushalt zu einer Explosion der Heizkosten führt.


Deutschlands Gasnetz wird zur Kostenfalle – und Millionen Haushalte steuern direkt darauf zu. 
Was heute noch als bequeme Übergangstechnologie gilt, könnte in wenigen Jahren zu einem der teuersten Heizsysteme der Republik werden. Eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts zeigt, was auf Gaskunden zukommt: Für die „letzten Nutzer“ droht eine Kostenlawine. 

Im Extremfall steigen die jährlichen Gasnetzentgelte für einen Durchschnittshaushalt von heute rund 400 Euro auf bis zu 4300 Euro. Das ist das Ergebnis einer Modellrechnung für ein typisches deutsches Gasverteilnetz mit 30.000 angeschlossenen Haushalten, wie es derzeit noch in zahlreichen Städten in Betrieb ist. Die Forscher formulieren nüchtern – doch die Botschaft schreckt auf:
Die Kostensteigerungen für die „letzten Haushalte“ fielen in sämtlichen Zukunftsprojektionen „sehr hoch aus“.

Die Ursache liegt im System. Das Gasnetz ist teuer, träge und auf hohes Volumen angewiesen.
Je mehr Haushalte aussteigen, desto härter trifft es die, die noch an dem Netz hängen. Die Leitungen müssen weiter gewartet, repariert und überwacht werden – egal, ob zehn oder zehntausend Kunden angeschlossen sind. Sinkt die Nutzerzahl, explodiert der Preis pro Anschluss.

Der Ausstieg ist bislang eine politisch so beschlossene Entscheidung: Deutschland will schneller 2045 klimaneutral sein, fünf Jahre ehr als die EU dieses Ziel erreicht haben will. Fossiles Erdgas hat in diesem System keinen Platz mehr. Dennoch heizen heute noch 56 Prozent der 43 Millionen Wohnungen mit Gas. Wärmepumpen? Gerade einmal vier Prozent. Bislang ist Deutschland ein fossiler Riese.

Damit sich das ändert, hat die Politik die Weichen gestellt, um das Heizen mit fossilen Energien teurer zu machen. Der Preis für das ausgestoßene CO2 spielt dabei eine Rolle, eingeführt im Jahr 2021 mit 25 Euro, liegt er inzwischen bei 55 Euro pro Tonne – das bedeutet für einen typischen Haushalt mit 20.000 Kilowattstunden Gasverbrauch rund 250 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Steigt der Preis wie geplant, könnten es bald 680 Euro jährlich sein. Noch bevor das Netz selbst zur Kostenfalle wird.

Die Fraunhofer-Forscher haben zwei Wege durchgerechnet:
Ein früher Einstieg in die Stilllegung des Gasnetzes ab 2027 – oder ein später vom Jahr 2035 an. In beiden Fällen steigt das Netzentgelt drastisch. Aber der Unterschied ist politisch brisant: Wer früher aussteigt, spart am Ende bares Ged. Der staatliche Förderbedarf zur Abfederung sozialer Härten würde sich laut Studie bei frühem Handeln mehr als halbieren.

Stilllegung bedeutet dabei keinen Kahlschlag über Nacht. Die Wissenschaftler sprechen von einer „geordneten Stilllegung“: technische, wirtschaftliche und kommunikative Maßnahmen, mit denen Netzbetreiber Stadtteile schrittweise vom Gas nehmen, sobald die Nachfrage unter eine kritische Schwelle fällt. 

Doch genau hier liegt das politische Problem. Denn für die Netzbetreiber selbst ist das Risiko minimal. Sie dürfen ihre Kosten weiter über die Netzentgelte abrechnen – selbst dann, wenn am Ende nur noch ganz wenige Nutzer sämtliche Kosten bezahlen müssen. Die Forscher nennen das eine „Risiko-Asymmetrie“: Das wirtschaftliche Risiko tragen die Kunden, nicht die Betreiber. Der Anreiz zum frühen Handeln ist für die Netzbetreiber entsprechend gering.

Genau deshalb soll das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) jetzt reformiert werden. Erstmals sollen Netzbetreiber verpflichtet werden, die Stilllegung systematisch zu planen. Grundlage ist die EU-Gasmarktrichtlinie. Doch selbst der Entwurf reicht den Forschern nicht. „Es muss deutlich mehr Verbindlichkeit in die Stilllegungsplanung“, fordert Studienautor Roland Meyer. Auftraggeber der Untersuchung ist das Umweltinstitut München. Dessen Energieexperte Till Irmisch bringt es auf diese Formel: „Je früher die Stilllegung beginnt, desto geringer wird der Preisschock für die verbleibenden Haushalte.“

Allerdings verharren viele Gaskunden derzeit in einer Art politischer Schockstarre.
Die endlose Debatte um das Heizungsgesetz hat Vertrauen zerstört. 

Was gilt? Was bleibt erlaubt? Was wird gefördert? Die Folge: Abwarten statt Umrüsten. Der Absatz von Wärmepumpen verharrt weit unter dem Niveau, das sich Politik und Hersteller versprochen hatten. Das Ziel, das durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) gesetzt wurde, lag bei 500.000 neuen Wärmepumpen pro Jahr ab 2024, in diesem Jahr dürften nur etwa halb so viele Geräte installiert werden. Genau dieses Zögern aber treibt den Preismechanismus beim Gas weiter nach oben.

Die Fraunhofer-Studie empfiehlt deshalb vor allem eines: klare Ansagen. „Eine vom lokalen Netzbetreiber angekündigte Beendigung der Gasversorgung wird in der Regel als glaubwürdig eingestuft“, schreiben die Autoren. Erst dann beginnen viele Haushalte ernsthaft umzudenken. Was bleibt vom Gasnetz nach 2045? Die Studie geht von einer vollständigen Stilllegung aus. Andere Experten widersprechen. BET Consulting hält es für wahrscheinlich, dass Teilnetze für Industrie und Spezialanwendungen erhalten bleiben – betrieben mit grünem Gas. Biogas, synthetisches Methan oder Wasserstoff stehen zur Debatte.

Das Gasnetz verwandelt sich damit schleichend von der Infrastruktur des Wohlstands in die teuerste Übergangstechnologie der Energiewende. Wer zu lange bleibt, zahlt irgendwann die Zeche für alle. Für die „letzten Kunden“ wird Gas nicht nur klimaschädlich, sondern finanziell toxisch.

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