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TS34/19: Kommune mit verschärftem Senf-Bedarf: Salem
Seit
etwa einer Woche recherchiere ich zu den hochinteressanten Vorgängen in der
Bodenseekreis-Gemeinde Salem. Die sind für diesen Blog deshalb
interessant, weil sie im Abgleich mit den bisher porträtierten
Bürgerrechtsbewegungen wie etwa in Langenargen, Uhldingen-Mühlhofen,
Ochsenhausen etc. ein anderes Stadium der demokratischen Mitwirkung der nicht
stromlinienförmigen Elemente repräsentieren.
Denn
die Kritiker und Verfechter von mehr Transparenz und Bürgernähe, von
zeitgerechten und der bedrohlichen globalen Situation angemessenen
kommunalpolitischen Entscheidungen, diese Streiter sitzen in Salem schon seit
den Kommunalwahlen 2014 im Gemeinderat. Sie schubsen Bürgermeister Manfred
Härle (CDU!) beharrlich aus der bisherigen Komfortzone eines widerspruchslos
agierenden Kommunalparlaments.
Den
Zorn des Salemer Sonnenkönigs haben sich dabei insbesondere (und
bezeichnenderweise) zwei Frauen (!) der Grünen Offenen Liste (GOL)
aufs Haupte gezogen: Petra Karg und Ulrike Lenski.
Der
aktuelle politische Streit in Salem ist keineswegs banal. Es geht um
Richtungsentscheidungen, welche die Entwicklung der Kommune auf Jahrzehnte
hinaus betonieren werden. Unter anderem basteln der CDU-Mann Härle und die sich
hinter
ihn stellenden Fraktionen und Räte an der
Gestaltung einer neuen Ortsmitte. Es ist ein Großprojekt mit allem Pipapo
inklusive jetzt schon absehbarer Kostenexplosion (wie üblich).
Aktionsbündnis
Grünzug Salem
Ein
weiterer Streitpunkt verbindet sich mit der Regionalplanung, die der bisherigen
Tourismusgemeinde Salem einen neuen Entwicklungsschwerpunkt ausgerechnet hin zu
Industrie und Gewerbe zuweisen möchte. Dagegen regt sich breiter Widerstand.
Der führte auch zu der Gründung des Aktionsbündnis
Grünzug Salem. Das wiederum darf auf einen
politisch ganz besonders schwergewichtigen Partner an seiner Seite verweisen:
die Landwirte, namentlich die Ortsgruppe Salem des Badischen
Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV).
Die
Satirikerin vermeint, den bedrohlichen Kränkungsgrad des Salemer Schiffes auch
daran zu erkennen, dass sich hier die Landwirte in ihrer klassischen und oft
kritisierten Organisationsform des BLHV an der Seite der Grünen
wiederfinden.
Südkurier überraschend journalistisch!
Der
nächste Aspekt, welcher die Causa Salem für diesen Blog besonders berichtens-
und besenfungswert macht, ist die Tatsache, dass sich der Südkurier
dort in völlig anderem Licht präsentiert, als es bisher und aus den oben
genannten Gemeinden zu berichten war. Die Kritiker und GOL-Räte kommen in
der Tageszeitung zu Wort. Im August 2018 hatte die Südkurier-Redakteurin
Jenna Santini (die in anderen SaSe-Berichtsgemeinden häufig
kritisiert wird) die demokratie-rheumatischen Befunde aus dem Rathaus zum
Streitthema „Neue Mitte“ mit einem einordnenden
Kommentar „Kein gutes Gefühl“ versehen (Kommentar ist online nur für Südkurier-Abonnenten
verfügbar). Anlässlich öffentlicher Schelte der widerborstigen GOL-Gemeinderäte
durch Bürgermeister Härle formuliert Santini darin den starken Eindruck, dass
der Verwaltungschef in Salem von Demokratie genervt sei. Hoppla!
Nach
einem neuerlichen und dokumentierten Faux pas des Bürgermeisters in seiner Neujahrsansprache
2019 – und sichtlich im Kontext der
bevorstehenden Kommunalwahlen – kocht die öffentliche Diskussion in Salem
momentan hoch. Und der Südkurier lässt das nicht unkommentiert. Dieses
Mal ist es Redakteur Stefan Hilser, der sich am vergangenen Samstag
veranlasst sah, Härle an die demokratischen Spielregeln erinnern zu müssen:
Jetzt auf einmal sucht Bürgermeister Manfred Härle die
Unterstützung durch die Öffentlichkeit. Solange die Debatte in seinem Sinn
verlief, konnte das Volk gerne außen vor bleiben – jetzt ist ihm der öffentliche Druck auf die
Gemeinderäte offenbar ganz Recht.
(Südkurier
09.04.2019, Kommentar Stefan Hilser: „Demokratische Spielregeln“)
Anschließend
„lobt“ Hilser den Bürgermeister dafür, Demokratie
verstanden zu haben. Das ist ein für Südkurier-Verhältnisse nahezu
tollkühnes Maß an Ironie. Aus dem Gebaren Härles schließt der Journalist, was
offensichtlich und auch in vielen anderen Gemeinden immer wieder Kritikpunkt
ist: die exzessiv genutzte Praxis nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen.
Rückblickend kommt Härles neue Öffentlichkeitsarbeit dem
Eingeständnis gleich, dass bislang zu oft im Verborgenen diskutiert wurde. Doch
befand er sich da mit vielen seiner Bürgermeisterkollegen in guter
Gesellschaft. Schön, wenn er nun eine Kehrtwende einlegt.
(ibid.)
Das
ist journalistischer Zündstoff, wie ich / man (?) ihn sonst vom Südkurier
nicht kenne/t? Zu berücksichtigen dabei ist aber sicherlich auch, dass die Südkurier-Abonnenten
in einem Ort wie Salem mutmaßlich ganz andere Ansprüche an ihre Tageszeitung stellen,
als das in den stärker ländlich strukturierten Südkurier-Lesergebieten
wie Ostrach & Co. der Fall ist.
Salem
und das frappierend ungeschickte Agieren des dortigen Bürgermeisters bietet SaSe
auf jeden Fall jede Menge Senfstoff. Dabei nehme ich es dann auch in Kauf, den Südkurier
loben zu müssen!
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