Jedes Jahr, wenn der Haushalt aufschlägt, muss ich unweigerlich daran denken, wie ein Kämmerer ganz lässig zu mir sagte: “Ich könnte locker ne Million vor meinem Gemeinderat verstecken.“ Und ich dachte, „Eine? Wahrscheinlich eher sogar zwei!“
Und so sehne ich mich in diesen Wochen vor Weihnachten immer nach Fachkompetenz.
Nicht weil ich versteckte Millionen suche, sondern weil die Haushaltsplanung zu Recht als die Königsaufgabe des Gemeinderats bezeichnet wird. Mit ihr bestimmen wir den Spielraum für unser zukünftiges politisches Handeln!
Wie also vorgehen, um diese Aufgabe zu meistern? Pragmatisch wie immer: sich informieren und den gesunden Menschenverstand bemühen.
Mein gesunder Menschenverstand stellt mir zum Haushalt folgende Fragen:
Wie gut haben wir in der Vergangenheit gewirtschaftet und uns für die Zukunft aufgestellt?
Haben wir unsere Pflichtaufgaben erfüllt oder haben wir einen Sanierungsstau?
Wie stehen wir heute da?
Welchen politischen Spielraum gibt uns das für das kommende Jahr?
Man kann mit gutem Gewissen sagen, wir haben viel Geld investiert in den Jahren von 2015 bis heute. Wir hatten Haushaltsvolumen von 44, 45, 51 Millionen und das meiste Geld wurde in Stein angelegt, eben hier (im Rathaus). Die Mehrheit des Gemeinderats und Herr Bürgermeister Härle ging davon aus, dass wir uns das leisten können.
Die gesamtwirtschaftliche Lage war gut. Die Förderprogramme flossen. Salem stand, finanziell mit Nullverschuldung und ausgestattet mit guten Rücklagen ausgezeichnet da, Tafelsilber in Form von Grundstücken in der NM konnte vergoldet werden. Der Kurs stand auf Wachstum.
Aber, wie alles im Leben hat jede Medaille ihre zwei Seiten und man bekommt immer beide. Auch Wachstum kostet und eben diesen Aspekt gilt es bei einer soliden Planung immer mit zu denken!
Den Blick allein auf die Einnahmenseite von Gewerbesteuer und Einkommenssteuer zu richten, greift zu kurz. Kindergärten, Schulen, Sporthallen, Kläranlage, Straßen, die kommunale Infrastruktur muss mitwachsen. Das kostet! Nehmen wir unsere Kindergärten. Umbau/ Neuanbau Kindergarten am Lichtenberg 3,6 Millionen €, der 6 gruppigen Kindergarten im Keltenring über 8 Millionen €.
Und wenn alles wächst, Wohnen und Gewerbe, dann muss auch die Kläranlage mitwachsen und neuen Anforderungen Stand halten. Hier wurde uns mit der wasserrechtlichen Erlaubnis die Frist gesetzt. Wir haben 300.000€ in 2024 eingestellt und 2 Millionen für 2025. Die nächsten Millionen für die grundlegende Neustrukturierung der Kläranlage tauchen ab 2025 nach Gründung des Eigenbetriebs nicht mehr hier im Haushalt auf, geschenkt bekommt unsere Bürgerschaft diese deswegen aber nicht. Und wer sehen wollte, der ahnte schon früh, dass das auf uns zukommt. Fraktionskollege Klaus Bäuerle hatte bereits 2017 im Rahmen der Wasseruntersuchungen die Notwendigkeit einer 4. Klärstufe thematisiert und auch unsere Bürger trieb das Thema in den Bürgerveranstaltungen um.
Drängt sich die Frage auf: „Wie ist die momentan wirtschaftliche Situation Salems zu bewerten?“ Neben der Kreditaufnahme von 14,5 Millionen für den Planungszeitraum stimmt mich die Kenngröße „Nettoinvestitionsfinanzierungsmittel 2.0“, welche die Stadt Überlingen eingeführt hat, extrem nachdenklich.
Diese Kenngröße geht davon aus, dass der Haushalt als zukunftssicher und generationengerecht gilt, wenn aus dem Zahlungsmittelüberschuss des Ergebnishaushalts, dem Cash-Flow wenigstens
* Abschreibungen und
* Kredittilgung finanziert werden können.
D.h. der Zahlungsmittelüberschuss minus Abschreibung, minus Kredittilgung muss ein positives Ergebnis ausweisen. Ist die Differenz negativ, kann entweder der Gebäudebestand nicht zukunftssicher erhalten werden oder die aufgenommenen Kredite nicht ohne neue Kreditaufnahmen, Grundstücksverkäufe u.ä. zurückgezahlt werden.
Die Differenz muss also positiv sein, das ist das mindeste, was man zukünftigen Generationen als Handlungsfähigkeit auf den Weg geben sollte. Unsere Kenngröße ist stark negativ:
2024: minus 4.4 Mio
2025: minus 3.2 Mio
2026: minus 2.9 Mio
2027: minus 4.8 Mio
Ein negatives Ergebnis mag als „Ausrutscher“ nicht relevant sein, über Jahre hinweg macht es ein strukturelles Problem des HH deutlich.
Wir finden uns also in einer neuen Situation wieder. Sowohl in Salem als auch, was die großpolitische Wetterlage betrifft. Jahrzehnte des Zinstiefs und der billigen Energie haben, durch unsere von Krisen und Kriegen gebeutelte Zeit, einen drastischen Einbruch erfahren.
Mit dem Karlsruher Urteil und dem nun von der Ampel vorgelegten HH 2024 wird klar, Sprit, Heizen, Strom wird teurer, das belastet auch die Kommunen. Förderprogramme werden reduziert oder auf Eis gelegt. Manch einer mag da denken "sparen wir halt am Klimaschutz!"
„Aber sicher ist: Wir haben uns in den wirtschaftlich starken Jahren den Klimaschutz nicht in dem Maß geleistet, wie es notwendig gewesen wäre. Weil wir die Dringlichkeit nicht anerkannt haben und, irgendwie war das ja immer eine Angelegenheit der Grünen.
Jetzt müssen wir ihn uns leisten!
Suffizienz- und Effizienzmaßnahmen im Energiebereich Strom/ Wärme sind die besten Sparmaßnahmen, denn klar ist, die Co2 Bepreisung steigt weiter.
Der Ausbau der EE wird zu einem wirtschaftlichen Standortvorteil. Deutlich formuliert und nach zu lesen in „die Wirtschaft“ das Magazin der IHK Bodensee Oberschwaben Dezemberausgabe.
Ja, wir werden sparen müssen und nicht alles was im Investitionsplan steht, ist für die GOL auch gesetzt, Stichwort Schlossseeallee!
Und ja, wir müssen uns auf die Umsetzung der Pflichtaufgaben konzentrieren. Aber die Definition, welche Aufgaben Pflichtaufgaben sind, ist nicht in Stein gemeißelt. Wer im Angesicht der Klimakatastrophe Klimaschutzmaßnahmen nicht als Pflichtaufgabe anerkennt, hat das Ausmaß der Katastrophe nicht wirklich erfasst.
Not tut auch, die bereits erwähnte Generationsgerechtigkeit im Auge zu haben. Aus diesem Grund wird die GOL zukünftig fordern, Folgekosten von Bauprojekte explizit zu beziffern.
Aber, und das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Investitionen in Bildung und Klima sind kein Verbrechen an zukünftigen Generationen!
Bei dieser Betonung des Klimaschutzes mag sich manch einer fragen, warum die GOL dann nicht entsprechende Anträge zum HH eingebracht hat. Die Frage ist berechtigt, zu Mal für uns die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung ein gesetztes Ziel ist. Von der Umsetzung erwarten wir uns nicht nur eine deutliche CO2 Reduktion, sondern auch einen großen Gewinn für unsere Bürgerschaft.
Die GOL hat dieses Jahr auf das Einbringen von Anträge verzichtet, da wir zum einen auf das Sparen gesetzt haben, hier sei nochmal das Stichwort Schlossseeallee genannt, zum anderen haben wir verzichtet, da es in unseren Augen wenig Sinn macht, Geld ein zu stellen, wenn im Rathaus das Personal zur Umsetzung fehlt.
Sicher, Personalangelegenheiten sind Chefsache. Es ist aber schlicht nicht hinnehmbar, dass wir gute Leute an umliegende Gemeinden verlieren, ohne dass wir als Unterzentrum entsprechend Menschen gewinnen. Besonders schmerzt uns, dass der EEA für mindestens ein Jahr auf Eis liegt, weil wir Frau Göpfert als kompetente und engagierte Mitarbeiterin an Heiligenberg verloren haben.
Hierauf werden wir im kommenden Jahr verstärkt unser Augenmerk richten.
Sicher ist, die Arbeit wird für alle nicht weniger, nicht weniger kompliziert und unbürokratischer. Unsere Ehrenamtlichen und die Verwaltung sind stark gefordert. In diesem Sinne möchten wir für ihren engagierten Einsatz danken und hoffen für uns alle auf eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit in 2024!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen