Freitag, 29. November 2024

Die Opposition zum Windrad hängt nicht an Fakten sondern am Weltbild

 Standard hier  Lukas Kapeller  28. November 2024,

Woher die falsche Wut aufs Windrad kommt – und was man gegen sie tun könnte

Viele Menschen glauben unrichtige Behauptungen über die Windkraft, zeigt eine Studie. Das Bereitstellen von Fakten allein helfe dagegen wenig, sagt ein Psychologe

In Kärnten wird gerade viel Wind ums Thema Windkraft gemacht. Am 12. Jänner werden die Kärntnerinnen und Kärntner ihre Meinung zu Windrädern in einer Volksbefragung kundtun dürfen. Die Frage in Kurzform: Sollen weitere Windkraftanlagen auf Bergen und Almen verboten werden? Dazu muss man wissen: In ganz Kärnten sind bis heute gerade einmal zehn größere Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von mehr als 500 Kilowatt (kW) am Netz.

Die Volksbefragung kommt auf Betreiben von FPÖ und Team Kärnten zustande.
Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sagte bereits, er werde gegen ein solches Verbot neuer Windräder stimmen. Auch die Kärntner Sozialpartner, unter anderem die Wirtschaftskammer und die Gewerkschaft, stellen sich gegen ein Windradverbot.

Die Sozialpartner sind damit, man muss es so sagen, die Stimme der Vernunft. Fakt ist: Die Windkraft gilt zu Recht als sehr effiziente und saubere Form der Stromerzeugung.

Windräder spielen eine wichtige Rolle für die Energiewende. Denn Wind ist eine kostenlos und unbegrenzt verfügbare Energiequelle – und die CO2-Bilanz eines Windrads dreht sich in vielen Ländern schon innerhalb eines halben Jahres ins Positive. Nach drei bis fünf Monaten habe eine Windkraftanlage so viel Energie produziert, wie für die Herstellung, den Betrieb und die Entsorgung investiert werden muss, errechnete das deutsche Umweltbundesamt in Bezug auf den Strommix in Deutschland. Der deutsche Energieexperte Volker Quaschning sagt daher, er freue sich "über jede Solar- und Windkraftanlage, die neu entsteht".


"Die Zustimmung zu falschen Behauptungen über Windräder
ist in bestimmten Werten und Weltanschauungen verankert.
Die Gegner stimmen selektiv negativen Aussagen zu,
weil diese mit ihrer Wahrnehmung der Welt harmonieren."

Kai Sassenberg, Direktor des Leibniz-Instituts für Psychologie


Frage der Weltanschauung
Eine neue Studie aus Deutschland zeigt nun deutlich, dass negative Falschinformationen über Windräder in westlichen Staaten dennoch von vielen Menschen geglaubt werden, und liefert zugleich auch Erklärungen, woher das schlechte Image der rotierenden Stromerzeuger kommt. Die Ablehnung des Windrads liege weniger am fehlenden Wissen als vor allem an bestimmten Weltanschauungen, so ein Fazit der Studie der Universitäten Hohenheim und Trier.

Die Forschenden befragten in mehreren Runden insgesamt rund 6000 Menschen in den USA, Großbritannien und Australien. Falsche Vorstellungen von Windkraftanlagen waren in allen drei Ländern durchaus weit verbreitet. Im Durchschnitt stimmte ein Viertel der Befragten negativen Mythen über die Windkraft zu.

Mythen um CO2-Emissionen
Zwei Beispiele: Rund 30 Prozent der Teilnehmenden in den USA, Großbritannien und Australien glaubten, dass Windräder mehr CO2 ausstoßen, als sie einsparen; in den USA meinten zudem mehr als 20 Prozent, die Stromkabel von Windkraftanlagen würden Krebs verursachen. Beide Aussagen sind völlig faktenwidrige Einschätzungen.

Die Befragten wurden noch mit einer Reihe anderer Falschbehauptungen über Windräder konfrontiert – etwa über deren vermeintlich fehlende Leistungsfähigkeit sowie vorgebliche gesundheitliche Nebenwirkungen und ökologische Verwerfungen. "Wir haben mit Aussagen gearbeitet, die falsch akzentuiert sind. Natürlich kommt es vor, dass Vögel durch Windkraftanlagen sterben. Windräder rotten aber keine Vogelarten aus. Die Rhetorik von Populisten und Windkraftgegnern nutzt genau solche falschen Akzente", sagt Kai Sassenberg, Direktor des deutschen Leibniz-Instituts für Psychologie und einer der Studienautoren, zum STANDARD.

Ein Irrtum kommt selten allein
Auffällig: Wenn Teilnehmer eine unrichtige Behauptung über Windräder glaubten, saßen sie eher auch noch anderen Falschmeldungen zum Thema auf. Wenn jemand etwa zu wissen meinte, Windkraftanlagen erzeugten gar nicht sauberen Strom, neigte er zum Beispiel auch zur Aussage, Windräder würden Gesundheitsprobleme verursachen oder massenhaft Vögel töten.

"Die Zustimmung zu falschen Behauptungen über Windkraftanlagen ist in bestimmten Werten und Weltanschauungen verankert. Die Gegner stimmen selektiv negativen Aussagen zu, weil diese mit ihren Werten und ihrer Wahrnehmung der Welt harmonieren", sagt Sassenberg.

Das Eingliedern verschiedener Legenden zu einem düsteren Gesamtbild in Bezug aufs Windrad deutet also darauf hin, dass die Ablehnung weniger das Ergebnis fehlender Informationen, sondern das Resultat einer gewissen Weltanschauung ist. In der Studie heißt es dazu: Es sei gut möglich, dass der Glaube an Falschmeldungen über Windräder "eine nachträgliche Rationalisierung einer intuitiven Abneigung darstellt", die auf Weltanschauung oder Identität beruhe.

Die Rolle von Verschwörungstheorien
Am deutlichsten sei die Ablehnung von Windkraftanlagen bei jenen, die grundsätzlich dazu neigen, an Verschwörungstheorien zu glauben, sagt Sassenberg. Ein Windrad bedeute für Menschen natürlich eine Veränderung ihrer Umgebung, "getragen durch Politik und Industrie". "Wenn ich erstens eine negative Grundeinstellung zu ökologischen Neuerungen und zweitens vielleicht auch noch Zweifel an der Redlichkeit der Politik habe, dann neige ich dazu, alle möglichen negativen Auswirkungen einer Windkraftanlage plausibel zu finden", sagt der Psychologieprofessor.

Wenig überraschend führt die Zustimmung zu Falschbehauptungen über Windräder zu einer größeren Bereitschaft, gegen Windkraftprojekte zu protestieren. Irreführende Botschaften ("Fake News") können somit auch auf die Energiepolitik starke Auswirkungen haben. Womit wir beispielsweise wieder bei der Volksbefragung am 12. Jänner in Kärnten wären.

Weil die Opposition zum Windrad mehr am Weltbild als an fehlenden Informationen hänge, sei es schwierig, Falschbehauptungen allein durch das Bereitstellen von Fakten zu begegnen, heißt es in der Studie. Wie aber könnte man Skeptiker beim Thema Windkraft noch erreichen? Auch dazu machen die Studienautoren Vorschläge.

Beteiligen statt belehren
"Eine wirksame Maßnahme ist es, die Leute dort abzuholen, wo sie motiviert sind. Zum Beispiel kann man Bürger an den Einnahmen aus einer Windkraftanlage beteiligen", sagt Sassenberg. Und auch die Weltanschauung der Gegner könnte man in der Kommunikation berücksichtigen. "Man könnte auch betonen, dass Klimaschutz im Einklang mit konservativen Werten steht. Wenn jemand religiös ist, könnte man für erneuerbare Energien auch mit dem Erhalt der Schöpfung argumentieren", sagt der Psychologe.

Was sich in anderen Zusammenhängen außerdem als wirksam erwiesen habe, sei "die Simulation von alternativen Realitäten". So könnte man den Menschen vor Augen führen, "welche Katastrophen passieren können, wenn wir ökologisch nichts tun". Als aktuelles Beispiel nennt Sassenberg den drohenden Erdrutsch in der Schweiz – im Kanton Graubünden mussten kürzlich rund 80 Dorfbewohner für ungewisse Zeit ihre Heimat verlassen.


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