hier Perspective Daily von Claudia Wieczorek / Gelesen von Désiree Schneider 30. Oktober 2024
4 Lösungen für bezahlbaren Wohnraum - Bauen ist keine davon.
Hand aufs Herz: Hast du oder haben deine Eltern Zimmer in der Wohnung, die ihr gar nicht oder nur selten nutzt?
Wenn ja, seid ihr damit nicht allein. Viele Menschen – vor allem Eltern, deren Kinder ausgezogen sind – leben auf mehr Wohnraum, als sie eigentlich brauchen. Das ist Teil eines größeren Trends: Im Jahr 1990 lag die durchschnittliche Wohnfläche in Deutschland bei rund 35 Quadratmetern pro Kopf, heute sind es etwa 48.
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Ein Anstieg von 13 Quadratmetern pro Person bei wachsender Einwohnerzahl – das ist eine Menge Platz, den wir für uns beanspruchen. Jahrelang haben Städte und Gemeinden versucht, das Problem in den Griff zu bekommen, indem sie eifrig Neubaugebiete ausgeschrieben haben. Alles nach dem Motto: »Wenn der Wohnraum nicht reicht, müssen wir eben neuen schaffen.« Die Krux: Es existiert bereits genügend Wohnraum, wir nutzen ihn nur nicht richtig.
In der Theorie gibt es mancherorts so viele ungenutzte Zimmer und Wohnfläche, dass gar nicht mehr neu gebaut werden müsste, um den Bedarf zu decken. Es ist ein Problem der Flächenverteilung. Bestehende Häuser und Wohnungen müssten nur besser genutzt werden. Wie das funktionieren kann, damit beschäftigt sich die interdisziplinäre Forschung des »suffizienten Wohnens«.
Suffizientes Wohnen bedeutet, die menschlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen, aber ebenso die ökologischen Grenzen zu beachten. Das umfasst unter anderem die Wohnfläche: nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Forschende, Gemeinden und Architekt:innen arbeiten derzeit an Lösungen, um das Problem der Flächenverteilung anzugehen. Sie wollen den Wohnraum in der Stadt sowie auf dem Land bedürfnisorientierter gestalten und dadurch bezahlbarer machen. Ich habe mit ihnen darüber gesprochen, wo genau das Problem liegt, welche Lösungen es gibt und wie sie in der Praxis funktionieren. Das sind ihre Erfahrungen.
Warum benötigen wir immer mehr Flächen? Die Ursprünge des Problems
Auf der einen Seite hocken Menschen auf ihrem ungenutzten Wohnraum, während auf der anderen Seite immer mehr neu gebaut wird, um die Nachfrage zu stillen – eine umweltschädliche Entwicklung, da immer mehr Flächen und Ressourcen für den Bau und die dazugehörige Infrastruktur verbraucht werden. Es gibt mehrere Faktoren, die zu dieser Situation geführt haben:
Eine Familie, ein Haus: Die Idee des Eigenheims war vor allem bis zur Jahrtausendwende beliebt, als sich viele Familien noch den Bau eines Einfamilienhauses auf einem eigenen Grundstück leisten konnten. Seitdem nimmt die Zahl der Ein- und Zweifamilienhäuser, die jährlich gebaut werden, zwar langsam ab und die Zahl der Mehrfamilienhäuser steigt. Doch das Eigenheim ist und bleibt nach wie vor eine nachgefragte Altersabsicherung. Zudem wurde und wird der Bau von Eigenheimen politisch gefördert, beispielsweise durch das Baukindergeld oder andere Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Heute sind weit über 2/3 aller Wohngebäude in Deutschland Ein- und Zweifamilienhäuser, in der Stadt sowie auf dem Land.
Haushalte werden immer kleiner: In beinahe 3/4 aller Haushalte in Deutschland leben nur 1–2 Personen. Das liegt unter anderem daran, dass Lebensentwürfe immer individueller werden. Menschen trennen sich, leben in Patchworkfamilien, gründen gar keine Familien oder wohnen so weit vom Arbeitsort entfernt, dass sie eine Zweitwohnung brauchen.
Wohnungen werden immer größer: Wachsender Wohlstand hängt für die, die es sich leisten können, häufig mit mehr Wohnfläche und höheren Ansprüchen zusammen. Hinzu kommt die Wohnungsmarktpolitik. Es werden weniger Sozialwohnungen mit vergleichsweise kleinerer Fläche gebaut als Wohnungen für den freien Wohnungsmarkt, die mehr Fläche haben.
Niemand verkleinert sich: Das ist wohl der Haupttreiber des steigenden Flächenbedarfs. Sind die Kinder ausgezogen, bleiben die Eltern oft in ihrem Einfamilienhaus oder der großen Wohnung. Das Phänomen nennt sich »Empty nest«-Effekt. Zu hoch sind die Hürden, etwas daran zu ändern. Genau hier setzt die Forschung zu suffizientem Wohnen an.
Sind Stadt und Land gleichermaßen betroffen?
»Es ist bisher wenig erforscht, wie viele Menschen, beispielsweise nach Auszug der Kinder, in einer zu großen Wohnung verbleiben und ob es Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt«, sagt Denise Ehrhardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung. Sie hat Architektur und Urbanistik studiert und analysiert in einem aktuellen Forschungsprojekt Trends der Siedlungsentwicklung in Deutschland. Ihrer Meinung nach müssten noch mehr konkrete Daten zu Wohnraum und seiner Nutzung gesammelt werden, um herauszufinden, in welchen Gebieten besonders viele Menschen in sehr großen Wohnungen lebten.
Wir vermuten, dass es ganze Bündelungen
von älterer Bevölkerung in Einfamilienhausquartieren gibt. Gleichzeitig werden am Ortsrand
für junge Familien neue Einfamilienhausgebiete gebaut,
die in 30–40 Jahren dieselben Probleme haben.
Denise Ehrhardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung
Viele Menschen sind laut der Forscherin jedoch bereit, sich zu verkleinern. Die Schwierigkeiten:
In Städten gibt es eine Art »Lock-in-Effekt«. Menschen, die zum Verkleinern umziehen müssen, können schnell mit höheren Mietpreisen für weniger Wohnraum enden. Also bleiben sie in ihrem langjährigen Mietvertrag, zusammen mit bis zu 20 Quadratmetern mehr Platz, als sie eigentlich benötigen. Ebenfalls nicht einfach: Wer sich bereits ein soziales Netz aufgebaut und in einem Stadtteil eingelebt hat, will oft ungern umziehen, besonders wenn eine bezahlbare Alternative am anderen Stadtende liegt.
Auf dem Land spielen Verwurzelung und emotionale Aspekte eine wichtige Rolle. Außerdem ist die Auswahl nicht so groß wie in der Stadt, wenn sich jemand durch einen Umzug verkleinern möchte. Oft fehlt es an entsprechenden Angeboten im Wohnumfeld. Ähnlich sieht es mit der Zuwanderung aus: Menschen wollen gern in ein bestimmtes Dorf oder eine bestimmte Gemeinde ziehen. Finden sie keine passenden Alternativen, bauen sie selbst.
In der Stadt, doch vor allem in ländlichen Räumen sollten bestehende Wohnungen und Häuser noch viel stärker in den Fokus genommen werden, da ist sich Ehrhardt sicher. Strategischer Neubau könnte dann nur noch punktuell betrieben werden, um etwa die Angebotsvielfalt zu erhöhen.
4 Lösungen im Test: Freiburg im Breisgau zeigt, wie es geht
»Wir können uns nicht noch mehr Ein- und Zweifamilienhäuser leisten«, meint Sabine Recker, ehemalige Leiterin des Referats für bezahlbares Wohnen der Stadt Freiburg im Breisgau. Die Universitätsstadt mit rund 237.000 Einwohnenden liegt im Süden Baden-Württembergs am Rande des Schwarzwalds, ungefähr 20 Kilometer vom Rhein und der französischen Grenze entfernt. Seit 2019 hat die Stadt ein eigenes Konzept für bezahlbaren Wohnraum und Verantwortliche, die es umsetzen. Recker ist eine von ihnen und hat von Anfang an geholfen, das Thema voranzutreiben.
»Einfamilienhäuser nehmen zu viel Platz für zu wenig Wohnraum in Anspruch, Tiny Houses ebenso«, sagt Recker. Was es brauche, seien neue gemeinschaftlichere Wohnformen, die sich am Bedarf und an den Bedürfnissen der Menschen orientierten.
Die Zukunft des Wohnens liegt nicht in Einfamilienhäusern
Kurz zur Einordnung: Einfamilienhäuser sind in der Regel umweltschädlicher als Mehrfamiliengebäude. Bei ihrem Bau wird pro Kopf mehr Fläche versiegelt und es werden mehr wertvolle Ressourcen wie Beton verbraucht als bei einem Mehrfamilienhaus. Rund 8% der globalen Treibhausgasemissionen gehen allein auf die Produktion des für den Beton benötigten Zements zurück. In manchen Ländern werden bereits illegal Strände abgetragen, um den Sanddurst der Bauindustrie zu stillen. Außerdem hat ein Einfamilienhaus eine größere Außenfassade als eine ähnlich große Wohnung im Mehrfamilienhaus und verliert daher mehr Energie.
So ist es beispielsweise Freiburgs Ziel, Genossenschaften zu fördern, in denen die Bewohner:innen in der Regel Miteigentümer:innen ihres Heims sind. In einer Wohngenossenschaft leben grundsätzlich mehr Menschen auf engerem Raum zusammen. Außerdem werden viele Räume gemeinschaftlich genutzt, was die Baukosten pro Haushalt und damit auch die Miete senken kann. Diese Wohnform soll bei der Vergabe von Grundstücken in Freiburg »besonders berücksichtigt werden«.
Doch Freiburg versucht, weitere Hebel in Bewegung zu setzen: Durch eine bessere Nutzung von bereits bestehenden Häusern und Wohnungen soll Wohnraum bezahlbarer und der Neubaudruck reduziert werden. Welche Maßnahme am besten funktioniert, vermag Sabine Recker nicht zu beurteilen: »Die Mischung macht’s. Nur durch eine Vielzahl an Maßnahmen, die zusammenwirken, lässt sich die Wohnungssituation von vielen Menschen verbessern.«
Diese 4 Lösungen testet Freiburg:
Wohnungstauschbörse: Im Juni 2021 ist sie online gegangen. Über die Tauschbörse können sich Menschen vernetzen, die eine kleinere, größere oder anders gelegene Wohnung in Freiburg wollen. Seit dem Startschuss gibt es einige Menschen, die tatsächlich ihre Wohnung getauscht haben, doch der wirksamste Hebel ist Wohnungstausch nicht. Denn es braucht sehr viele Faktoren, die stimmen müssen, damit es zu einem Wohnungstausch kommt. Als Anreiz bietet die Stadt eine Kostenübernahme beim Umzug in Höhe von 2.000 Euro, wenn sich jemand aus einer 3–4-Zimmer-Wohnung verkleinert.
Zweckentfremdungsverbot: In Baden-Württemberg – genau wie in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg – gibt es Gesetze, die Wohnraum vor Zweckentfremdung schützen sollen. Damit ermächtigen die Bundesländer ihre Kommunen, bestimmte Arten der Zweckentfremdung einzuschränken oder zu verbieten. So müssen in Freiburg seit 2021 Ferienwohnungen und alle Airbnb-Nutzungen gemeldet werden. Freiburg hat diese Entwicklung laut Recker mit vorangetrieben, indem es sich beim Land für das Recht eingesetzt hat.
Wohnen für Hilfe: Pro Quadratmeter bezogenen Wohnraum eine Stunde Hilfe pro Monat, so lautet die Faustregel des Projekts. Es vermittelt Studierenden Wohnraumpatenschaften. Sie können bei älteren Menschen, Familien oder Alleinerziehenden in ungenutzte Räume einziehen und bezahlen keine oder nur sehr wenig Miete und die anfallenden Nebenkosten. Im Gegenzug helfen sie bei der Haus- oder Gartenarbeit, bei der Kinderbetreuung oder beim Kochen. Pflegerische und medizinische Tätigkeiten jeder Art sind ausgeschlossen. Das Konzept von Wohnen für Hilfe stammt ursprünglich aus den USA. Derzeit sind in Deutschland über 30 Vermittlungsstellen aktiv. Manche davon werden von Studierendenwerken betrieben, so wie in Freiburg.
Da das Projekt so erfolgreich ist, wurde es 2019 in Freiburg auf Nichtstudierende ausgeweitet. Auszubildende, Berufstätige, Praktikant:innen und Co. werden jedoch ausschließlich an Senior:innenhaushalte vermittelt. Dafür haben das Amt für Soziales und Senioren und das Referat für bezahlbares Wohnen gesorgt. Es bindet ältere Menschen wieder mehr in die Gesellschaft ein und soll Einsamkeit im Alter vorbeugen.
Beratungsgespräche zur Verkleinerung: Bietet sich die eigene Wohnung zur Untervermietung an? Wie kann eine Einliegerwohnung oder ein Dachgeschoßausbau aussehen? Mit diesen Fragen können sich Eigentümer:innen in Freiburg an die Energieagentur Regio Freiburg wenden. Sie bieten im Rahmen eines von der EU geförderten und von der Stadt unterstützten Projekts kostenlose Beratungen an. Dafür kommen die Architekt:innen in die eigene Wohnung und geben individuelle Tipps.
»Es ist wichtig, nicht mit Zwang zu arbeiten. Das bringt nichts. Was es braucht, ist eine Bewusstseinsänderung. Deswegen arbeiten wir mit konkreten Maßnahmen. Dann können Menschen sehen, dass es möglich ist, sich zu verkleinern, und welche Vorteile es bringt. Diesen Prozess sollte man der Bevölkerung zutrauen«, sagt Sabine Recker. Letzten Endes gehe es ja nicht nur um eine Verkleinerung des Wohnraums aus Umweltgründen, sondern um eine neue Art des Zusammenlebens, um ein gemeinwohlorientiertes Wohnen.
Immer mehr Kommunen machen mit
In Freiburg im Breisgau kümmert sich ein mehrköpfiges Referat darum, den Wohnraum der Stadt bezahlbar und suffizient zu gestalten. Das kann sich nicht jede Kommune leisten. Einige Städte und ländlichere Gemeinden probieren sich deshalb in einem Zusammenschluss von Forschung und Praxis aus. So auch Göttingen, ebenfalls eine Universitätsstadt, doch nur halb so groß wie Freiburg. Die Stadt liegt im Süden Niedersachsens, unweit von Kassel.
Zusammen mit den Kommunen Köln und Tübingen hat Göttingen die Nutzung seiner Flächen im Bestand analysiert und Lösungen erarbeitet, wie diese besser genutzt werden können. Das Forschungsprojekt nennt sich »OptiWohn«. Es wurde vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie geleitet, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und 2022 abgeschlossen. Ziel war es, Wohnraumberatungen vor Ort zu etablieren oder bereits bestehende Beratungsprogramme zu ergänzen.
»Wir haben zuerst Daten wie Wohnungs- und Haushaltsgrößen und die Altersstruktur analysiert, um herauszufinden, wo die durchschnittlich hohen Wohnflächen liegen«, erklärt mir Johanna Kliegel im Videochat. Die Geografin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin koordinierte das Projekt für die Stadt Göttingen und führt nun Beratungsgespräche für die 2020 gegründete Wohnraumagentur der Stadt durch. Das Ergebnis decke sich mit der bisherigen Forschung: Den höchsten durchschnittlichen Flächenverbrauch hätten kleine Haushalte, Menschen mit hohem Einkommen, Eigentümer:innen oder ältere Menschen.
Mit diesem Wissen konzipierte die Wohnraumagentur ein Beratungsangebot für Bürger:innen. »Wir decken viele Themenbereiche ab. Manche Menschen wollen, nachdem sie uns auf einer Veranstaltung gesehen haben, erst einmal ein Erstgespräch zur Orientierung. Sie wollen sehen, was ihre Möglichkeiten sind – umziehen, verkleinern, umbauen, alternative Wohnformen. Andere kommen bereits mit konkreten Vorstellungen und Fragen zu Fördermitteln oder zur Gründung einer Genossenschaft«, sagt Kliegel.
Die Beratungen seien nicht immer leicht, da sie nicht bei allen Themen in die Tiefe gehen könne. »Ich versuche immer, Antworten zu finden oder die Menschen zumindest an Fachpersonen weiterzuleiten, die ihnen helfen können«, sagt Kliegel. Wie Freiburg macht Göttingen durch Themenabende oder Diskussionen regelmäßig auf das Thema aufmerksam. Der Prozess ist langsam, aber lohnend:
Es kann Wochen oder Monate dauern,
bis Menschen das erste Beratungsgespräch haben.
Viele Menschen kommen auf solchen Veranstaltungen
überhaupt das erste Mal mit der Idee in Kontakt,
dass sie nicht allein oder zu zweit
in einem Einfamilienhaus alt werden müssen.
Johanna Kliegel, Projektkoordinatorin »OptiWohn«
Vor allem 2 Gruppen würden sich von den Veranstaltungen angesprochen fühlen: Zum einen Menschen zwischen 50 und 65 Jahren, deren Kinder ausgezogen sind und die sich an oder nach diesem biografischen Wendepunkt entscheiden müssen, wie sie ihr Alter verbringen wollen. Die andere Gruppe sind Familien und jüngere Menschen, die sich andere Wohnkonzepte als das Einfamilienhaus vorstellen können.
Hürden und Herausforderungen: Nicht immer gelingt die Durchsetzung
In Göttingen wird das suffiziente Wohnen auch nach Projektende weiter bearbeitet. Lediglich die Themen Wohnungstausch und die direkte Vermittlung von Wohnpartnerschaften, wovon sich die Teilnehmer:innen des Forschungsprojektes in der Theorie mehr erhofft haben, stoßen in der Praxis auf eine Hürde: den Datenschutz. Bei jeder Datenweitergabe benötigt es einen Vertrag. Das kann die Wohnraumagentur im Moment nicht bewerkstelligen.
Es gibt aber auch Fälle, bei denen das Aufsetzen einer Wohnraumberatung nicht so gut funktioniert hat – zum Beispiel im Kreis Steinfurt. Das ländlich geprägte Gebiet liegt nördlich von Münster in Nordrhein-Westfalen und besteht aus 24 Gemeinden mit zusammen fast 460.000 Einwohner:innen.
Ein Projekt in Zusammenarbeit vom Öko-Institut und dem Kreis Steinfurt wollte die Lage analysieren und eine Beratungsagentur aufsetzen, um Leerstand aufzudecken – genau wie OptiWohn.
Das Projekt startete 2017, die Resonanz bei der Umfrage war gut: Menschen reagierten positiv auf das Thema, waren interessiert und konnten sich vorstellen, mehr darüber zu erfahren. Dann kam die Pandemie. Im Dezember 2020 endete das Projekt, die ersten Beratungsgespräche kollidierten mit dem ersten Lockdown. Es gab einen altersbedingten Personalwechsel, und nun ist die Stelle, die das Projekt weiter vorantreiben soll, nicht besetzt.
Ein auf Eis gelegtes Forschungsprojekt sollte jedoch niemanden entmutigen. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) hat wertvolle Informations- und Arbeitsmaterialien veröffentlicht, die allen Kommunen und Interessierten zugänglich sind. Das Potenzial ist da. Wie groß es ist, zeigen diese Zahlen der Wohnraumanalyse in Göttingen:
Dem Ziel, bis 2030 5.000 neue Wohneinheiten in Göttingen zu bauen, um der Nachfrage gerecht zu werden, stehen etwa 6.000 Adressen (in der Regel ganze Gebäude wie Einfamilienhäuser) gegenüber, die nur von 1–2 Personen bewohnt werden. Hinzu kommen noch große Wohnungen mit 5 oder mehr Zimmern in Mehrfamilienhäusern, die ebenfalls von Haushalten mit 1–2 Personen bewohnt werden.
»Wenn nur ein Teil der Bewohner:innen sich vorstellen kann, die Wohnfläche zu verkleinern, ist das ein relevanter Beitrag zur Wohnraumversorgung«, sagt Johanna Kliegel. Das Gute ist: Jede Kommune kann sich ein eigenes Bild über ihre Situation machen und leer stehenden Wohnraum sichtbar machen – mit einem Blick auf die räumlichen und sozialen Daten.
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