Donnerstag, 23. März 2023

Aufregung um Ende von Öl- und Gasheizungen: „Das macht Dänemark schon seit 2013“

 


Energiewende in Frankfurter Rundschau hier  Von Max Müller

Die Energiewende scheitert nur am fehlenden Willen, sagt Experte Volker Quaschning. Ein anderes Land verbaut jetzt schon zwanzig Mal mehr Wärmepumpen als Deutschland, obwohl es selbst Gas en masse hat.



Es geht zurzeit Schlag auf Schlag: Erst stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sein Vorhaben vor, wonach ab 2024 neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien betrieben werden – de facto das Aus für neue Gas- und Ölheizungen. Dann zog das EU-Parlament nach. Eigentümer von Altbauten werden künftig dazu gezwungen, ihre Häuser energetisch zu sanieren. Höchste Zeit, mal bei Volker Quaschning, Experte für erneuerbare Energien, nachzufragen. Er ordnet die politischen Entscheidungen ein und erklärt, warum Deutschland nicht in der Position ist, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen.

Herr Quaschning, wie heizen Sie?

Mit Pellets. Uns haben damals alle belächelt, Nachbarn und sogar der Schornsteinfeger.

Warum keine Wärmepumpe?

Die waren vor 20 Jahren noch nicht so ausgereift. Man fragte uns eher: Warum keine Gasheizung? Und warum baut ihr klimaneutral? Das war absolut exotisch. Unser Haus ist perfekt gedämmt, ich habe 500 Euro Heizkosten im Jahr.

Dann betreffen Sie die gestiegenen Preise ja gar nicht so sehr?

Naja, indirekt schon. Erst habe ich viel Geld in die Hand genommen, um klimaneutral zu bauen und mich auch vor solchen Szenarien zu schützen. Und jetzt finanziere ich mit meinen Steuern dennoch die Gaspreisbremse mit. Bei ärmeren Menschen, die stark belastet sind, bin ich aber gerne solidarisch.

Robert Habeck macht es mit einem neuen Gesetz nun praktisch unmöglich, ab 2024 eine Öl- oder Gasheizung einzubauen. Die richtige Entscheidung?

Sie ist logisch. Wir sind in Sachen erneuerbare Energien kein Vorreiter, auch wenn wir gerne so tun. In Dänemark wurden Öl- und Gasheizungen schon 2013 verboten. Wir haben jahrelang gezögert und Ausreden gefunden, jetzt wird es umso teurer.

Viele Menschen haben Angst.

Das kann ich verstehen. Aber: Nur weil wir etwas jahrelang falsch gemacht haben und in Kauf genommen haben, dass die Situation schlimmer und die Lösung teurer wird, können wir doch nicht sehenden Auges auf den Abgrund zurasen. Schauen wir nach Norwegen, ein Gasförderland. Dort hat man es geschafft, dass mittlerweile 60 Prozent der Heizungen eine Wärmepumpe haben – in Deutschland liegen wir bei jämmerlichen drei Prozent.

Scheitert das nicht schon an so weltlichen Dingen wie Handwerkern und Ressourcen?

Die fehlen auch, wenn man eine neue Gasheizung montieren möchte. Viele Handwerker sind beim Einbau von Wärmepumpen noch nicht so routiniert. Das wird sich aber mit der Zeit einspielen. Mich erinnert die Diskussion an die Debatte um die Einführung des Katalysators. Damals verbreiteten Lobbyisten der Automobilindustrie das Narrativ, dass man das gar nicht leisten könne und Hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr seien. Kam dann doch anders.

Was halten Sie eigentlich von der „Letzten Generation“?

Wir brauchen Mehrheiten. Sich auf die Straße zu kleben, sensibilisiert nicht für die Verkehrswende. Auf der anderen Seite zeigt die „Letzte Generation“ genau auf, was viel nicht sehen wollen. Diejenigen, die sich am lautesten darüber aufregen, sind in der Regel die, die den schlechtesten Plan für mehr Klimaschutz haben. Insgesamt hat die „Letzte Generation“ es geschafft, dass das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Deutschland überall auf der Agenda steht. Wir brauchen aber eben auch die Entscheidungsträger.

Was halten Sie von deren Fahrplan? Die Bundesregierung plant 100 Prozent Ökostrom bis 2035 und generelle Klimaneutralität bis 2045.

Die Ziele sind zu unambitioniert – und werden mit den aktuellen Maßnahmen nicht mal erreicht.

Dabei haben Sie sich nach der Bundestagswahl sehr gefreut. Endlich sei die Partei abgewählt worden, die den Klimaschutz jahrelang vernachlässigt hat – und jetzt sind diejenigen am Ruder, die es ernst meinen.

Ich finde, dass es aus dem grünen Wirtschaftsministerium durchaus positive Signale gibt. Womit ich nicht gerechnet habe, ist der Widerstand der FDP. Ich verstehe einfach nicht, warum Christian Lindner aus der Energiewende kein Gewinnerthema macht. Neue Technologien, neue Jobs, Wirtschaftswachstum – das berührt doch den Kern liberaler Politik. Aktuell hat man den Eindruck, dass der einzige Beitrag der FDP in der Klimadebatte ist, dass man als die Partei wahrgenommen werden möchte, die das Tempolimit verhindert.

Wer die Debatte nach der Verantwortung beobachtet, kann zwei Lager ausmachen. Die einen nehmen das Individuum in die Pflicht, die anderen fordern Verbote. Was ist der richtige Weg?

Beides. Ich sehe schon, dass jeder einzelne Mensch eine Verantwortung hat. Deswegen fliege ich nicht mehr und ernähre mich vegan. Aber ohne die große Lösung wird es auch nicht gehen. Wenn wir bei Wärmepumpen auf Freiwilligkeit setzen, wird es nicht klappen. Insofern ist der Habeck-Vorschlag richtig.

Gerne wird auf andere Länder verwiesen, die erstmal nachziehen sollen. Deutschland sei doch schon Vorreiter. Stimmt das?

Wir sind im Mittelfeld. Aber wenn wir uns den Pro-Kopf-Ausstoß anschauen, gehören wir zu den größten Klimasünder-Ländern. In absoluten Zahlen sind wir auf dem siebten Platz – vor uns sind so Länder wie China, die USA oder Indien.

Klingt so, als hat Deutschland fast alles falsch gemacht.

Wir haben durchaus schon einiges geschafft, zum Beispiel beim Ausbau von Solar- und Windenergie. Trotzdem sind wir zu langsam. Wenn wir das Tempo nicht erhöhen – wir müssten fünfmal so schnell sein – werden wir erst in der späten zweiten Hälfte des Jahrhunderts klimaneutral. Dann würden wir alle Klimaziele reißen und fatale Kippunkte überschreiten. Es gibt ein Klimaschutz-Ranking von Germanwatch. Da sind die ersten drei Plätze immer vakant, weil kein Land es schafft, die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten. Dann kommen die skandinavischen Länder und weitere Staaten wie zum Beispiel Indien oder Marokko. Deutschland kommt erst auf Platz 16.


Zur Person

Prof. Volker Quaschning wurde 1969 geboren. Er ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Quaschning ist Teil der „Scientists For Future“-Bewegung. Zuletzt ist das Buch „Energierevolution JETZT!“ erschienen, das er gemeinsam mit seiner Frau Cornelia geschrieben hat.


Was machen Sie am 26. März?

Da werde ich gespannt schauen, ob die Berlinerinnen und Berliner sich für richtig viel Klimaschutz entscheiden. Ich hoffe, dass sie das tun.

Der Volksentscheid sieht vor, das Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz vom 27. August 2021 zu ändern. In diesem wird bislang das Ziel ausgegeben, die CO₂-Emissionen im Land Berlin bis 2045 um 95 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Die Initiative schlägt stattdessen vor, dass sich Berlin verpflichtet, dieses Ziel bis 2030 zu erreichen. Ein realistisches Ziel?

Das ist die falsche Frage. Schaffen wir das nicht, werden wir die viel beschworene 1,5-Grad-Grenze reißen – mit fatalen Folgen. Um es ganz klar zu sagen: Für ambitionierte Ziele fehlt es in Deutschland nicht an technischem Know-How, nicht an Geld oder sonst einem vorgeschobenen Argument. Es fehlt einzig und allein am Willen. Mit der nötigen Entschlossenheit können wir die Klimakatastrophe noch abwenden.

Wie soll Berlin das schaffen?

Dafür reicht es natürlich nicht, ein paar Radwege auf die Straße zu pinseln oder über E-Fuels zu philosophieren. Wir brauchen weitreichende und schnelle Veränderungen beim Verkehr und beim Wohnen, die am Ende nicht nur das Klima schützen, sondern auch unsere Stadt deutlich lebenswerter machen.

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