hier Die Zeit Von Dr. Claudia Vallentin 2. März 2023
Trockene Flüsse in Frankreich, Gondeln im Schlamm in Venedig: Weite Teile Europas leiden nach dem warmen Winter unter Wassermangel. Und auch Deutschland muss reagieren.
Im deutschen Winter kann man sie leicht vergessen. Aber sobald man nach Südeuropa schaut, wird die Dürre überdeutlich: In Frankreich trocknen Flüsse aus, wochenlang fällt kein Regen – im ganzen Land. In Italien verlieren die großen Seen am Alpenrand über die Hälfte ihres Wassers. Und in Venedig ist es sogar so trocken, dass Gondeln bei Ebbe im Schlamm liegen bleiben.
Die Dürre betrifft nicht nur Südeuropa. Am Ende dieses Winters hat sie den Kontinent von Großbritannien bis in die Türkei im Griff. Für mehrere Länder Europas meldet das Europäische Dürreobservatorium von Copernicus ein erhöhtes Dürrerisiko. Selbst in Deutschland sind tiefe Bodenschichten derzeit deutlich zu trocken für die Jahreszeit, wie Daten des Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zeigen.
Dabei hätte die nasse Jahreszeit in vielen Regionen die Wasserspeicher eigentlich auffüllen sollen. Doch der Winter war ungewöhnlich warm und brachte viel zu wenig Regen und Schnee. Die Lage, betonen Expertinnen, ist damit so ernst wie schon lange nicht mehr: Der Sommer ist noch in weiter Ferne und in Europa fehlt jetzt schon das Wasser.
Damit gibt dieser Winter eine Vorahnung auf das, was dem Kontinent in den kommenden Jahren immer öfter bevorstehen könnte: Ernteausfälle, Wassernotstände, Probleme bei der Energieversorgung, mehr Waldbrände – oder schlicht der Streit darüber, wer noch seinen Rasen wässern darf.
Wenn der Bodensee gleich dreimal verdampft
Der Begriff Dürre kann dabei leicht falsch verstanden werden. Denn Dürre meint nicht zwingend den ausgetrockneten, rissigen Boden, an den viele Menschen wohl als Erstes denken. Vielmehr geht es um fehlendes Wasser im Vergleich zu einem Normalzustand oder besser einem Mittelwert. Und dieser Mittelwert wird schon seit Jahren unterschritten. Bereits die Sommer von 2018 und 2019 waren für Meteorologen eine Zäsur, weil sich in ihnen ein Extrem ans nächste reihte: trockener und heißer als die allermeisten Jahre vor ihnen.
Europaweit gingen damals große Mengen Wasser verloren (Geophysical Research Letters: Börgens et al., 2020). Allein in Zentraleuropa, einem Bereich, der etwa vom Osten Frankreichs bis nach Polen reicht, fehlten 2019 rund 145 Milliarden Tonnen Wasser, die zuvor Teil des Grundwassers, von Oberflächengewässern, Gletschern oder Schnee waren. Die verlorene Menge Wasser entsprach dem dreifachen Volumen des Bodensees – abgeflossen in die Meere oder verdunstet in die Atmosphäre.
Die Lage hat sich seither kaum gebessert, und das, obwohl 2021 vergleichsweise nass ausfiel. 2022 war dann jedoch wieder ein Extremjahr, vermutlich sogar das trockenste seit 1951. Die Wasserreservoirs schrumpften vielerorts wieder auf jenen bedrohlichen Umfang, den sie schon im August 2019 gehabt hatten, das legen jedenfalls vorläufige Analysen des GeoForschungsZentrums (GFZ) Potsdam nahe.
Auch in Deutschland sinken seit Jahren die Grundwasserspiegel. Das zeigt nicht nur eine Auswertung des Recherchenetzwerks correctiv. Auch Satellitendaten, wie sie etwa Forschende der TU Graz auswerten, bestätigen den Trend. Große Teile Europas, darunter Deutschland, befinden sich demnach nach wie vor in einer Ausnahmesituation; an den Pegeln hat sich seit 2019 nicht viel geändert.
"Wasser ist ein fundamentales Gut für viele Menschen", sagt Birgit Bednar-Friedl von der Universität Graz, die am sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC mitgearbeitet hat. "Wir sind es gewohnt, Wasser zu verbrauchen und nicht zu sparen." Und wo es fehlt, ergeben sich schnell Probleme, wie zuletzt der Sommer 2022 zeigte: In der Po-Ebene in Italien brachen die Ernten ein, italienische Städte rationierten das Wasser für Haushalte. In Frankreich mussten unter anderem wegen der Dürre mehrere Atomkraftwerke heruntergefahren werden. Und in Spanien sanken die Pegel von Stauseen so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Dramatische Folgen für Südeuropa
Grundwasser kann sich zwar durchaus regenerieren, aber das Auffüllen dauert und Niederschläge allein reichen nicht. Es kommt auf die Art des Regens und dessen Verteilung über das Jahr an. Starkregen etwa, der in kurzer Zeit viel Wasser in der Landschaft verteilt, fließt oft zu schnell über die Oberflächengewässer ab und sickert nicht in die tiefen Bodenschichten ein. Und genau diese Starkregenereignisse könnten mit dem Klimawandel nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Regionen Europas häufiger werden. Ebenso wie ausgedehnte Trockenperioden.
"Dürren kennen wir hier bisher als punktuelle Ereignisse in der Vergangenheit", sagt die Ökonomin Bednar-Friedl. Aber im Zuge der Klimakrise werde das wahrscheinlich nicht so bleiben: "Gerade bei einer Erwärmung von über zwei Grad wird sich dieses Risiko auch in West- und Zentraleuropa intensivieren."
Deutschland befindet sich bei den Prognosen von Trockenheit und Niederschlägen dabei zwischen zwei Regionen: dem Norden Europas, wo Klimaforscher mehr Regen erwarten, und dem trockener werdenden Mittelmeerraum. "Die Projektionen für Deutschland sind in diesem Punkt unsicherer als im Mittelmeerraum", sagt der Klimawissenschaftler Peter Greve vom Climate Service Center Germany (GERICS), der ebenfalls am IPCC-Bericht mitgeschrieben hat. Im Süden Europas sei der Trend hingegen klar: "Es wird wärmer und trockener werden, da sind sich die Klimamodelle nahezu einig." Greve spricht gar von einem "Hotspot" des Klimawandels, der weltweit einzigartig ist.
Ländern wie Italien, Spanien und Griechenland drohen damit dramatische Folgen. Bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von zwei Grad werde ein Drittel der Menschen in Südeuropa mit Wasserknappheit konfrontiert sein, heißt es etwa im jüngsten Bericht des IPCC (Sechster IPCC-Bericht, Kapitel 13: Europa, PDF). Bei einer Erwärmung von drei Grad verdoppele sich dieses Risiko sogar und gehe einher mit einem "signifikanten ökonomischen" Risiko für Sektoren wie die Land- und Energiewirtschaft, die vom Wasser abhängen.
Was gegen die Dürre hilft
"Südeuropäische Länder wie Spanien und Italien haben viel Erfahrung im Umgang mit knappen Wasserressourcen und darin, trotzdem Landwirtschaft zu betreiben", sagt Greve. "Das ist aber wegen der intensiven und exportorientierten Landwirtschaft keineswegs nachhaltig. Und so wird viel mehr Grundwasser entnommen, als vor Ort neu gebildet wird." Das Wassermanagement müsse sich daher weiterentwickeln und einen höheren Stellenwert erhalten, findet der Experte. Der französische Umweltminister kündigte Ende Januar bereits ein strengeres Wassermanagement an, bis 2027 sollten etwa zehn Prozent weniger Wasser aus dem Boden entnommen werden.
Prinzipiell gibt es noch andere Möglichkeiten, um Wasser zu sparen: Gerade in der Landwirtschaft geht über marode Leitungen in Bewässerungssystemen viel Wasser verloren. In der Industrie könnten außerdem Kühlungssysteme umgebaut werden, damit sie weniger Wasser benötigen. Auch mehr Speicherbecken, Dämme oder große Wasserbauprojekte wie der Tajo-Segura-Kanal in Spanien könnten helfen, die Niederschläge, die fallen, auch zu halten. Daneben könnte man Landschaften dabei unterstützen, Wasser zu speichern, etwa indem man Feuchtgebiete, Moore und Wälder bewahrt.
Bisher werde in mitteleuropäischen Ländern wie Deutschland eher wenig über die Folgen von Trockenheit diskutiert, bemängeln Fachleute. Schließlich fällt die Dürre hierzulande meist nur in den Sommermonaten auf – und lässt sich im Rest des Jahres leicht ausblenden. "Wir sind bei der Klimakrise noch immer gut im Verdrängen und Wegschieben", sagt die Ökonomin Bednar-Friedl.
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