Klimaschutz-Initiative für einen zukunftsfähigen Regionalplan Bodensee-Oberschwaben
„Wir brauchen einen nachhaltigen Regionalplan für eine zukunftsfähige Region“
Klimatechnisch
gesehen haben wir nicht mehr lange Zeit. Wissenschaftliche Szenarien gehen von
15 bis 20 Jahren aus, in denen die Menschheit die Möglichkeit hat, das in der
Klimakonferenz von Paris gesteckte Ziel von 1,5 Grad Erderwärmung bis zur Jahrhundertwende
einzuhalten. Erreichbar ist das nur, wenn alle mitmachen und den CO2 Ausstoß
auf jährlich 2 Tonnen pro Person begrenzen.
Hier in Deutschland und Oberschwaben sind wir von diesem Ziel zwar noch weit entfernt, aber es ist möglich. Derzeit ist bei uns jede Person etwa 10 Tonnen (Zahlen für Ravensburg aus den Berechnungen zum European Energy-Award) dabei. Bleibt das so, dann wird die 1,5 Grad-Grenze bereits in weniger als 10 Jahren gerissen. Wichtige Stellschrauben sind unser Umgang mit Energie, Flächen und Rohstoffen. Mobilität, Wohnen, Arbeiten und Konsum spielen eine ebenso große Rolle.
Vorschlag der Regionalversammlung ist nicht
zukunftsweisend
Seit
2020 wird in der Regionalversammlung der Kreise Sigmaringen, Ravensburg und
Bodenseekreis über den neuen Regionalplan debattiert. Dieser muss die von der
Bundesregierung beschlossenen Ziele zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen
umsetzen. Es scheint allerdings so, als ob die Mehrheit der Mandatsträger*innen
in der Regionalversammlung dies nicht verinnerlicht hat. Vollmundig wird zwar
von Nachhaltigkeit und Klimaschutz gesprochen, der Entwurf des
Regionalplans, der bis 2035 gilt, sieht allerdings einen immensen Flächenverbrauch
von 2.700 Hektar vor. Experten der Naturschutzverbände (BUND, NABU und LandesNaturschutzVerband),
teilweise Mitglieder der Initiative „Zukunftsfähiger Regionalplan
Bodensee-Oberschwaben“ sprechen von einem gerade noch vertretbaren Flächenverbrauch
von 1.500 Hektar, der für Wohnen, Industrieflächen, Verkehr und Rohstoffabbau
(v.a. Kies) gebraucht werden dürfte. „Weniger wäre natürlich besser“, sagt Uli
Miller, Geschäftsführer des BUND Bodensee-Oberschwabens und Mitverfasser der
Stellungnahme der Naturschutzverbände zum Regionalplan.
Laut
Berechnungen vom BUND gibt es dagegen zum Wohnen genügend Platz: Alleine in
Ravensburg und Weingarten stehen nach aktuellen Mikrozensus-Erhebungen über 1.000
vermietbare Wohnungen leer. Mit innerörtlicher Nachverdichtung und
Aufstockungen in ökologischer Bauweise mit Holz ließe sich sehr schnell
Wohnraum schaffen. Wie in Sigmaringen zum Beispiel: Hier wird das Areal des
Zollschulgeländes frei, dies könnte laut Gerhard Stumpp vom BUND Sigmaringen
statt eines überdimensionierten Wohngebiets „Am Schöneberg“ bebaut werden. „Es
könnte dort sogar eine ökologische Mustersiedlung entstehen mit mehrgeschossigen
Bauten aus Holz, zusätzlich Möglichkeiten wie Car-Sharing, Begegnungsräumen, Mehrgenerationenhäusern“,
sagt Rüdiger Sinn vom Verein FairWandel SIG aus Sigmaringen, der der Initiative
angehört.
Weitere
Möglichkeiten der Innenentwicklung sieht auch Bruno Sing vom
BUND-Regionalvorstand aus Aulendorf in den Martinshöfen in Weingarten und dem
Bezner-Areal in Ravensburg. Wenn dann noch Dachflächen von Wohnhäusern,
Gewerbehallen und Parkhäusern sowie Parkplätze zur Energie-Gewinnung genutzt würden,
bräuchten wir weniger landwirtschaftliche Flächen und Wald für Photovoltaik,
Bioenergie und Windkraftwerke.
Aktionsbündnis
sieht Verkehrswende als weiteres zentrales Klimaschutz-Thema
Für das
Aktionsbündnis für einen zukunftsfähigen Regionalplan, das aus bisher 19
Interessensgruppen, Vereinen und Projekten aus dem Naturschutz
und dem sozial-ökologischen Spektrum besteht, ist auch die Verkehrswende ein
zentrales Element für einen zukunftsfähigen Regionalplan. Obgleich hier
Planungen hauptsächlich im Bundesverkehrswegeplan entschieden werden, kann der
Regionalplan bei Verkehrsinfrastrukturprojekten Weichen stellen. Allerdings
wird hier aus Sicht der Initiative genauso rückschrittig agiert wie bei
der Flächenplanung. Statt auf den Schienenverkehr zu setzen, wird auf die
Straße gesetzt. „Besonders der geplante Bau der B311/313neu durch
teilweise geschützte Waldgebiete ist nicht hinnehmbar, eine
Modernisierung der Bahnlinie Freiburg-Ulm würde diesen Straßenbau obsolet machen“, sagt
Werner Löw vom NABU in Sigmaringen. Vor Allem der Schwerlastverkehr könnte so in
absehbarer Zeit endlich auf die Schiene verlagert werden, auch bei schon
vorhandenen und teilweise sogar schon wiederbelebten Schienenstrecken wie der
Ablachtalbahn, der Donautal-Bahn, oder der Räuberbahn zwischen Pfullendorf und
Altshausen.
Laut Barbara Herzig,
Koordinatorin des Aktionsbündnisses für einen zukunftsfähigen Regionalplan und
Sprecherin des BUND Bad Saulgau, sind die oberschwäbischen Landstraßen und
Dörfer durch den massiven Kiesabbau teilweise schwer belastet, das Radwegenetz
bisher noch unzureichend ausgebaut, und Reaktivierung, Elektrifizierung sowie
weiterer Ausbau von umweltfreundlichen Bahnstrecken längst überfällig.
Kies- und Kalkabbau so nicht hinnehmbar
Einen weiteren Eingriff in die Natur sieht der Regionalplan, der in dieser Form von der 56- köpfigen Regionalversammlung in der zweiten Offenlegung derzeit bis Ende Februar wieder ausliegt (die Mehrheitsverhältnisse in der Regionalversammlung liegen bei der CDU und den Freien Wählern) für den Kiesabbau, den Torf- und Kalksteinabbau in der Region vor. Die Abbaumengen von 630 Hektar sind für die Mitglieder der Initiative völlig überzogen und alles andere als nachhaltig. Der Kies wird meist in Nachbarländer exportiert, die im eigenen Land eine „Umweltsteuer“ auf den Rohstoffabbau erheben. „So werden unsere Rohstoff-Ressourcen billig ins Ausland verscherbelt, anstatt unsere Lebensgrundlagen nachhaltig zu schützen“, sagt Alexander Knor vom Verein „Natur- und Kulturlandschaft Altdorfer Wald. „Man geht einfach von der bisherigen Wachstums-Entwicklung aus und schreibt das weiter fort, ohne die Möglichkeit zu sehen, dass zum Beispiel neue Bautechniken entstehen. Beispielsweise könnte durch mehr Holzeinsatz statt Betonbauweise jede Menge Energie und Rohstoffe – Kies und Sand – eingespart werden“, meint Petra Karg vom Aktionsbündnis Grünzug Salem.
Beim Kiesabbau geht es unter anderem um das mit rund 82 km2 größte zusammenhängende Waldgebiet in Oberschwaben, den Altdorfer Wald. Dieser muss dringend durch den Regionalplan als geschützter regionaler Grünzug gesichert werden. Der Altdorfer Wald ist ein riesiger Wasserspeicher und wichtig auch klimatisch für das gesamte Schussental.
Gerhard Stumpp vom
BUND Sigmaringen hält den geplanten erstmaligen Abbau hochreiner Kalke im
Natura 2000-Gebiet im Oberen Donautal bei Beuron-Thiergarten für besonders
gravierend und fordert die Streichung des Vorhabens im Regionalplanentwurf.
Im Aktionsbündnis für einen zukunftsfähigen Regionalplan haben sich Fridays-, Parents- und Scientists4Future-Gruppen, Landwirtschafts- und Vermarkterverbände wie Bioland und Demeter, die Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft, BODEG, freie Bäcker sowie mehrere Initiativen wie der Verein Altdorfer Wald, Lebenswertes Schussental, Gegen den 1000-Kühe-Stall Ostrach, Grünzug Salem, Gegen Kiesabbau Mittelberg, und auch weiteren Wandel-Gruppierungen wie wir&jetzt, FairWandel SIG und AK Zukunft Bad Saulgau zusammengeschlossen. Auch die Jugendlichen, die in Ravensburg mehrere Baumhäuser für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit gebaut haben, sind sich darüber bewusst, dass Klimaschutz vor der eigenen Haustüre beginnt und dem Bündnis freudig beigetreten. „Wir brauchen einen vernünftigen Regionalplan für eine zukunftsfähige Region, in der auch unsere Kinder noch gut leben können“, sagt der 18-jährige Aktivist Samuel Bosch.
Unterschreiben
und sich informieren kann man hier: www.fairwandel-sig.de/regionalplan Weitere Informationen bieten: www.ländle4future.de
oder (www.bund-bodensee-oberschwaben.net)
Rückfragen an:
Ulfried
Miller, BUND-Regionalgeschäftsstelle Ravensburg, Telefon 0751/21451, E-Mail ulfried.miller@bund.net
Barbara Herzig, BUND Bad Saulgau, Telefon 07587 9506223, E-Mail barbara.herzig@t-online.de
Rüdiger Sinn, Fairwandel SIG, Telefon 0174 7976341, E-Mail ruediger.sinn@posteo.de
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