Donnerstag, 13. Januar 2022

Update: "Die Widerstände gegen Frauen sind stark"

Anhand der großpolitischen ZDF-Überschrift zunächst ein kleiner Ausflug zu unseren Gegebenheiten im Ländle und der Ansage aus dem Ministerium: Der Regionalverband vertritt den Willen der Region, daher kann das Ministerium nicht lenkend eingreifen.

In Stuttgart, in der Theorie,  haben wir eine Landesregierung, die im Namen der Demokratie großen Wert auf Bürgerbeteiligung legt (hier):

"Die Landesregierung macht Baden-Württemberg zum Musterland von lebendiger Demokratie und Bürgerbeteiligung. An unserer Demokratie sollen mehr Menschen teilhaben. Bürgerbeteiligung soll die Regel sein und nicht die Ausnahme."

Hier im Ländle, in der Praxis, haben wir  über Jahrzehnte perfekt eingeschliffene Mechanismen, die ganze Bevölkerungs-Gruppen erfolgreich draußen halten, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Und diese Gewohnheits-Übergriffe sind auch noch gesetzlich verankert (hier) .

Bei der Fortschreibung des Regionalplans ist es uns schon stark ins Auge gesprungen:
Wir Frauen im Ländle sind auf der Entscheidungs-Ebene unglaublich abgehängt (hier).
Ich habe mir die Situation mal ganz genau angeschaut:


Der entscheidende Sprung erfolgt schon im Kreistag:
 Im Bodenseekreis ist bei 15 CDU-Kreisräten keine einzige Frau dabei! So kommt die CDU in den 3 Kreisen des Regionalgebietes auf 7% Frauenanteil. Da scheinen die Freien Wähler mit 19% noch richtig gut vertreten, wenn sie auch natürlich nicht auf die 41% der Grünen oder 31% der SPD kommen.
Der Große Schwund wird dann aber im Regionalverband deutlich: in der CDU schwindet der Frauenanteil von 7 auf 5%, bei den Freien Wählern gar von 19 auf 7 %. 

Was ist da passiert? Das Gremium des Regionalverbandes wird eben nicht direkt gewählt, sondern von den (sowieso schon Männer lastigen) Kreisverbänden entsandt. Und was passiert an dieser Stelle?
CDU und Freie Wähler entscheiden sich dafür, die sowieso schon äußerst zweifelhafte "Ämterhäufung" auf die Spitze zu treiben, indem sie hauptsächlich Bürgermeister/Berufspolitiker entsenden.
17 Bürgermeister von der CDU, 10 von den Freien Wählern! Dazu kommen noch 2 von der SPD.

Wer nun denkt, dass sich so was halt einfach "ergibt", weil die Bürgermeister so unwahrscheinlich beliebt sind, dem kann ich eine Erfahrung der letzten Kreistagswahl mitgeben:
Eine sehr beliebte und aussichtsreiche CDU-Kommunalpolitikerin hatte bereits den Zettel für die Kreistagswahl unterschrieben. Auf der Liste ist sie dann allerdings nicht aufgetaucht, weil die Herren  beschlossen haben, dass sie womöglich die Widerwahl des Bürgermeisters gefährden könnte, der (wer hätte das gedacht?) sowohl im Kreistag als auch im Regionalverband sitzt.

Somit ergibt sich eine Lehre: Frauen haben weder im Kreista
g noch im Regionalverband eine große Chance, wenn sie nicht gerade von den Grünen kommen. So kommt es,  dass Dank der Grünen im Regionalverband eine "sagenhafte Frauenquote von  12,5 %" besteht. Ohne Grüne wären es 7%.

Muß noch betont werden, dass selbstverständlich der Verbandsvorsitzende sowie der "alles-richtende" Regionaldirektor Männer sind ?
Und da Frauen in der Regel  anders denken als Männer, hat das ziemlich schwerwiegende Folgen: für uns Frauen selbstverständlich, die wir uns nicht wiederfinden. Aber mehr noch  für die ganze Gemeinschaft, die es sich "leistet", sich bei Zukunftsperspektiven so unglaublich einzuschränken.

Dieses e
wige Mantra vom "Weiter so" ist nun mal ziemlich verbreitet bei Männern "vom alten Schlag", die sich hauptsächlich ihre Pfründe sichern möchten. Das erkennt man schon daran, dass 52%  der Entsandten einer einzigen Berufsgruppe zuzuordnen sind, den "kommunalen Berufspolitikern".
Und genau die stehen doch ständig im Zentrum der Interessenskonflikte - welcher Bürgermeister verzichtet  schon 
freiwillig  für`s Gemeinwohl auf seine beste und bequemste Einnahmequelle "Gewerbegebiet"?

Auch die "Jüngeren S
timmen" fehlen schmerzlich bei den wichtigen Entscheidungsprozessen, die die Zukunft unseres Ländles bestimmen.
Wir stecken heute in lebensbedrohenden globalen Krisen  fest  - und es fehlen Stimmen für die notwendige Veränderung, die sich daraus ergeben muss. Es fehlt an Vorstellungsvermögen, wie eine lebenswerte Welt der Zukunft gestaltet werden könnte, wenn in einer kleinen Gruppe immer nur stur gegen Veränderung gekämpft wird.

Im  Antwortbrief des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen (
hier) wurde für mich wieder einmal deutlich sichtbar, wie eine trickreiche Entscheider-Gruppe wirkliche Demokratie verhindern kann: 
Die im Regionalplan getroffenen Aussagen und Festlegungen werden als "Willen der Region" dargestellt, der nicht vom Ministerium geprüft werden kann. 

Dieses Gremium befindet dann also über den Willen der Region, indem sie die Einwendungen abwägt
Ich weiß von den kritischen RV-Mitgliedern, dass zuvor nicht einmal  alle ihrer Fragen beantwortet wurden. Insbesondere der Einwohnerzuwachs war nie geklärt worden.

Die Abwägung von tausenden von Einsprüchen erfolgte innerhalb von 5 Stunden, mit kaum Vorlauf. Und was bedeutet eine Abwägung in einem solchen einseitigen, rückwärtsgewandten
  Gremium schon anderes, als dass der eigene Wille in den Vordergrund drängt? Die Einwendungen des Regierungspräsidiums und des Wirtschaftsministeriums unterschieden sich an Klima- und umweltrelevanten Stellen kaum von denen der Aktivisten und wurden genauso verworfen. Beteiligung der Naturschutzverbände? Nichts als hohle Worte. Die wurden genauso wenig ernst genommen und deren Einwände einfach weggedrückt.
Meines Erachtens kann vom "Willen der Region" keine Rede sein, solange ganze Bevölkerungsgruppen mißachtet werden. Es wird Zeit das System zu ändern!

ZDF   hier  vom   05.12.2021 

 "Die Widerstände gegen Frauen sind stark" 
Politikexpertin Kristina Lunz erklärt im Interview mit ZDFheute Machtstrukturen, die gegen Frauen in der Politik eingesetzt werden und Strategien, sich dennoch durchzusetzen. 

Frauenanteil:

  • Bevölkerung: 50,8 Prozent
  • Bisher nominiertes Kabinett: 50 Prozent
  • Bundestag: 34,7 Prozent
  • Landtage: Im Schnitt 32,2 Prozent, bei einer Spannweite von 26,8 Prozent in Bayern bis 44,7 Prozent in Hamburg
  • Kommunale Vertretungen: 23 Prozent
  • Regionalverband Bodensee-Oberschwaben  12,5%   (Zeile von mir eingefügt)
  • Bürgermeisterinnen: 9 Prozent
  • Oberbürgermeisterinnen 8 Prozent

und gleich noch ein interessanter Beitrag, der sich aus gegebenem Anlass mit den  besonderen "Qualitäten "der Frauen beschäftigt


ZDF hier von Sophia Rockenmaier
Feminismus in der Außenpolitik Sind Frauen die besseren Friedensstifter?

Eine Studie der Vereinten Nationen kam zu dem Ergebnis, dass Vereinbarungen in Friedensprozessen häufiger getroffen werden, wenn Frauen an den Verhandlungen beteiligt sind.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Friedensabkommen länger als 15 Jahre Bestand hat, steigt um 35 Prozent, wenn Frauen an der Kompromissfindung beteiligt waren.
Die Bekämpfung der Klimakrise ist ein zutiefst feministisches Anliegen. Von den Folgen der Klimakrise sind Frauen überproportional betroffen, erklärt Kristina Lunz: 80 Prozent aller Klimaflüchtlinge sind Frauen (Kristina Lunz)

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