Eine tolle Idee - warum wird nicht so was mal umgesetzt?
Süddeutsche Zeitung hier 26. Januar 2024 im Klimafreitag,Vera Schroeder
Vielleicht ist das Bitterste daran, dass das geplante Klimageld sich immer weiter in Richtung Sankt-Nimmerleins-Tag verzögert, die verpasste symbolische Chance. Die vielleicht 100 Euro pro Kopf im Jahr für alle Bürgerinnen und Bürger wären endlich ein klares, positives Signal an die Menschen gewesen.
Noch dazu eins, das schon lange versprochen wurde: Dieses Geld ist für die Klimawende, die müssen wir gemeinsam schaffen. Ja, der CO₂-Preis macht das Leben teurer – aber man bekommt auch ein Motivationsgeld zurück, damit man mit den Kosten der Transformation besser zurechtkommt. Denn wir alle sind Teil dieser Veränderung. Und wer klimafreundlicher lebt, hat am Ende mehr übrig, als jemand, der das nicht tut.
Oder, wie mein Kollege Michael Bauchmüller es kommentiert: „Es steckt also auch etwas Umverteilung im Klimageld – die wiederum dem Umstand gerecht wird, dass so ein CO₂-Preis diejenigen am meisten belastet, die es nicht so dicke haben.“ Die Wissenschaftlerin Friederike Otto sagt im Interview mit der SZ: „Der Klimawandel verstärkt Probleme, die wir ohnehin schon in der Gesellschaft haben, ganz besonders die Ungleichheit.“ Die Idee Klimageld ist wiederum die Anerkennung der Tatsache, dass die Transformation nur mit sozialem Ausgleich funktionieren kann. Es ist das Versprechen, dass man niemanden ganz hängen lässt auf diesem langen, neuen Weg.
In der tristen deutschen Realität warten die Menschen allerdings weiterhin und fangen allmählich an, beim Wort „Klimageld“ ähnlich mit den Augen zu rollen, als hätte jemand „Wärmepumpe“ oder „Bahnverkehr“ gesagt. Die Verteilung soll verwaltungstechnisch zu kompliziert sein, heißt es aus Regierungskreisen, die Behörden haben die Kontonummern schlichtweg nicht. Außerdem weiß niemand, woher man es nehmen soll. Das Klimageld wurde zwar versprochen, aber die Töpfe sind leer.
Als im November 1989 die Mauer fiel, holten bis zum Jahresende fast alle DDR-Bürger und Bürgerinnen die 100 D-Mark Begrüßungsgeld im Westen ab – bar auf die Hand. Kein Mensch, der diese Zeit erlebt hat, wird die Schlangen vor den Banken und Sparkassen je vergessen. Die Frage „Und was hast du mit den 100 Mark gemacht?“ stellt man sich bis heute im Gespräch über diese Zeit, die auch der Beginn einer neuen Zeit war.
Ketzerische Idee: Was, wenn man das Klimageld als maximal symbolischen Akt des „Wir gehen das jetzt gemeinsam an“ einmal im Jahr bar auf die Hand auszahlen würde? Mit Infoständen zum klimafreundlichen Leben, zu lokalen Bürgerbeteiligungsprojekten oder gegen Leugner-Verschwörungserzählungen vor den auszahlenden Kreditinstituten. Für die Kinder Verkehrsinselbepflanzungsaktionen mit torffreier Blumenerde. Für die Alten Gesundheitstipps für ein Leben mit heißeren Sommern. Was, wenn man aus den Auszahlungswochen deutschlandweite Klimawendewochen machen würde, ein Volksfest für eine lebenswerte Zukunftsvision?
Klingt wie eine Idee aus dem vergangenen Jahrhundert? Vielleicht. Wie kraftvoll ein gemeinsames Erlebnis sein kann, in dem man sich der Welt zum Trotz verbündet, lässt sich andererseits ganz aktuell mitten auf den Straßen spüren. So viel Utopie dürfte, ja müsste also eigentlich drin sein, bei dem, was da insgesamt vor uns liegt
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