Klimawandel in Deutschland ist Fakt. Ein "weiter so" geht nicht mehr lange gut, auch wenn viele Bauern sich -in Verkennung der Tatsachen- gegen jede Transformation stellen. Mag sein dass die Agrar-Industrie noch ein paar Jahre gut verdienen kann mit der üblichen Bewirtschaftung, vielleicht auch nicht.
Was bleibt dann zurück? Und wie ist es dann um unsere viel beschworene Ernährungs -Sicherheit bestellt?
Jetzt muss ein Umbau stattfinden, um die Böden und den Wasserhaushalt zu stabilisieren, um die Bestäuber-Insekten zu retten. Eine Verbesserung kann nicht in einem Jahr passieren.
NTV hier Von Oliver Scheel 09.05.2024
Die Winter werden nasser, die Sommer trockener - und damit die Probleme für die Landwirtschaft immer größer. Für die Bauern sind die zunehmenden Wetterextreme enorme Herausforderungen, die schnell existenzgefährdend werden können. Das hat 2024 jetzt schon gezeigt.Bild: aus einer Bauerndemo
Das Jahr ist noch jung, aber die Landwirte kämpfen schon wieder mit dem Wetter: Der Winter war so nass, dass viele Bauern Probleme bei der Aussaat bekamen. Und der späte Frost zerstörte die Erntehoffnungen der Obst- und Weinbauern im Osten Deutschlands.
Was ist los auf Deutschlands Äckern und welche Rolle spielt der Klimawandel dabei?
Frühes Austreiben rächt sich: Frost-Risiko für Laubbäume steigt - trotz Erwärmung
"Das hat es so noch nie gegeben", sagt Felix Hößelbarth. Der Vorsitzende des Weinbauverbands Sachsen spricht über den strengen Frost, der in den Weinbaugebieten von Sachsen und Sachsen-Anhalt nichts als Zerstörung hinterließ. "Im Anbaugebiet ist kein Hektar der Reben verschont geblieben, es gibt flächendeckenden Spätfrostschaden", so der Experte, den besonders die Härte des Frostes überraschte. In den Nächten ab dem 21. April war es bis zu minus 6 Grad Celsius kalt. Die Kälte war so extrem, dass es bis in die Steillagen hinein fror. "Normal kommt Frost in den Senken vor oder an den Flusstälern. Aber in den Steilhängen eigentlich nie."
Der Frost war deswegen so verheerend, weil die Natur wegen des milden Wetters sehr früh erwachte. "Es war schon Ostern sehr warm, der Austrieb war drei bis vier Wochen vor der normalen Zeit", beschreibt Hößelbarth das Frühjahr. Das erste Mal wurde bereits am 6. April in Deutschland die 30-Grad-Marke geknackt - so früh wie noch nie. Die jungen Triebe hatten dann gegen den schweren Frost keine Chance.
Jetzt befürchten viele Winzer erhebliche Ernteeinbußen. 30 bis 40 Prozent der normalen Ernte seien jetzt ein optimistisches Szenario. Zwar treibe die Rebe noch mal aus, doch erfahrungsgemäß bringe das viel weniger Trauben hervor, so Hößelbarth. Vor allem für kleinere Betriebe, die noch nicht so lange auf dem Markt seien und weniger Rücklagen hätten, könne dieser Frost existenzgefährdend sein: "Da kann es mit der Liquidität schon eng werden."
Noch schlimmer hat der Frost die Obstbauern in Sachsen erwischt. In tieferen Lagen hatten die Obstbäume Sachsens schon Früchte ausgebildet. Vor allem beim Steinobst sind die Schäden enorm, teilweise bis zum Totalausfall. "Die Fröste werden erhebliche Auswirkungen auf die Erntemengen haben", sagte Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther. Äpfel, Kirschen, aber auch die an der Elbe wachsenden Quitten und Aprikosen seien durch den heftigen Frost voll getroffen worden.
Versicherung meldet enormen Schaden
Der Spätfrost hat nicht nur für die Bauern Konsequenzen:
Die Versicherung "Vereinigte Hagel"
schätzt den Schaden deutschlandweit voraussichtlich
auf mehr als 500 Millionen Euro.
Sämtliche Anbaugebiete Deutschlands verzeichneten "zum Teil heftigste Frostschäden bis hin zu Totalverlusten", wie die Spezialversicherung für landwirtschaftliche Betriebe mitteilte. Neben Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde auch Rheinhessen schwer getroffen.
So wurde die frühe Blüte durch die hohen Temperaturen zum Bumerang. Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd führt die Schäden eindeutig auf den Klimawandel zurück. "Früher gab es auch Fröste um die Jahreszeit, sogar viel strengere Fröste. Damals seien aber die Reben im Weinbau und die Blüte im Obstbau viel später gekommen. Heute sei viel mehr da, "was dem Frost zum Opfer fallen kann".
Äußerst nass im Norden - schon wieder trocken im Osten
Im Norden Deutschlands kämpfen die Landwirte mit ganz anderen Problemen. Dort war der April unfassbar nass. An der Küste fiel oft das Zweieinhalbfache des üblichen April-Regens. Die aufgeweichten Böden stellen ein Problem für die schweren Landmaschinen dar. Schon im Februar konnten die Bauern die Gülle kaum auf die Felder bringen.
So wollen Bauern die Erde vor Dürre schützen
Glücklicherweise war es Ende April ein paar Tage trocken. "Und es war windig, das hat sehr geholfen", sagte Daniela Rixen, Pressesprecherin bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, zu ntv.de. Über mögliche Ernteausfälle will Rixen nicht spekulieren. "Die Natur hat ein hohes Kompensationsvermögen", sagt sie. Dennoch hat der nasse Winter die Aussaat beim Winterweizen stark verzögert beziehungsweise sogar ganz verhindert. Nun aber säen die Bauern, was das Zeug hält.
Im Osten hätten sie gerne ein wenig von dem Wasser, das den Norden flutete. Dort wünscht sich Andreas Jahnel, Referatsleiter Acker- und Pflanzenbau beim sächsischen Bauernverband, einen "feuchten Mai - und nicht ganz so warm, das wäre schön", sagt er zu ntv.de. Denn in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fehlt das Wasser, besonders im tieferen Boden sehe es nicht gut aus. "An einigen Stellen gibt es Ausfallerscheinungen, gerade beim Raps. Wo Bestände Lücken haben, kann das eine beginnende Dürre sein", so Jahnel.
Selbst beim pflanzenverfügbaren Wasser im Oberboden gibt es bereits wieder Defizite, wenn die Lage auch nicht so schlimm ist wie während der Dürre, die sich ab 2018 aufgebaut habe. Dennoch haben viele Landwirte Sorgenfalten auf der Stirn. "Die Landwirte überlegen immer, was ist geeignet, was funktioniert auf meinem Standort? Aber die Anpassungsmöglichkeiten sind begrenzt, denn der Anbau muss wirtschaftlich Sinn ergeben. Die Bauern brauchen ja einen Absatzmarkt. Was nutzt es, etwas anzubauen, was sie nicht loswerden?", sagt Jahnel.
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