NTV hier 16.05.2024 Quelle: ntv.de, mli/dpa
Im Klimaschutzprogramm legt die Bundesregierung fest, wie viel Emissionen Deutschland einsparen soll. Die Frage ist jedoch, ob sie genug Maßnahmen ergreift, um diese Ziele zu erreichen. Die Deutsche Umwelthilfe hat Zweifel, klagt - und bekommt nun Recht.
Die Bundesregierung muss ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Die bisher aufgelisteten Maßnahmen reichten nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, urteilten die Richter und gaben damit zwei Klagen der Deutschen Umwelthilfe statt.
In seiner bisherigen Form erfülle das im vergangenen Oktober beschlossene Programm nicht vollständig die gesetzlichen Vorgaben, hieß es weiter. Die Bundesregierung kann in Revision gehen und die Wirkung des Urteils damit aufschieben. Dann wäre das Bundesverwaltungsgericht am Zug.
Die Umwelthilfe war zuletzt schon einmal juristisch gegen die Klimapolitik der Bundesregierung vorgegangen und hatte im November 2023 einen Sieg errungen. Damals hatte das OVG Berlin-Brandenburg geurteilt, dass die Regierung ein Klima-Sofortprogramm in den Sektoren Verkehr und Gebäude auflegen muss. Dagegen läuft die Revision beim Bundesverwaltungsgericht.
Basis für die am Donnerstag verhandelten DUH-Klagen waren wie damals die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes für verschiedene Sektoren zur Minderung des Ausstoßes an Treibhausgasen für die Jahre 2024 bis 2030. Zudem ist im Gesetz das Ziel verankert, diese Emissionen in ihrer Gesamtheit bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken.
2023 waren rund 46 Prozent Minderung erreicht.
Das Klimaschutzprogramm ist eine Art Gesamtplan der Bundesregierung, um diese Ziele zu erreichen. Es listet zahlreiche Maßnahmen in den Sektoren Verkehr, Energie, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft auf.
ZDF hier von Ann-Kathrin Jeske 16.05.2024
Sieg für die Umwelthilfe: Regierung zu mehr Klimaschutz verurteilt
Bis 2030 will die Ampel die CO2-Emissionen um 65 Prozent senken. Das aktuelle Klimaschutzprogramm ist zu schwach, um das zu erreichen. Berlin - so ein Urteil - muss nachbessern.
Es ist ein weitreichendes Urteil, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am Donnerstag gefällt hat. Die Botschaft: Die Klimaschutzpolitik der Ampel-Regierung ist mangelhaft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung nicht ausreichen, um das selbst gesteckte Ziel von 65 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 zu erreichen.
Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung zu vage
Dabei ging es vor allem um das Klimaschutzprogramm aus dem Jahr 2023 der Bundesregierung. Das Programm ist die Richtschnur für den Klimaschutz: Es legt fest, wie die CO2-Reduktion bis 2030 erreicht werden soll.
Welche Maßnahmen die Regierung wählt, steht ihr frei. Das bekräftigte auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Ein Plan, wie der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden soll, kann genauso dazu gehören wie ein Tempolimit.
Die Vorsitzende Richterin Ariane Holle kritisierte aber, dass das Klimaschutzprogramm der Ampel-Koalition auf unrealistischen Annahmen beruhe. Aus dem Programm müsse klar hervorgehen, dass die maximal zulässigen Jahresemissionsmengen durch die geplanten Maßnahmen tatsächlich eingehalten werden können.
Bundesregierung muss Klimaschutzprogramm nachbessern
Die Bundesregierung ist jetzt verpflichtet, ein neues Klimaschutzprogramm mit effektiveren Maßnahmen zu beschließen, um das selbst gesteckte Klimaziel bis 2030 zu erreichen. Eine Niederlage vor allem für das grün geführte Bundeswirtschafts- und Klimaministerium von Robert Habeck, dem nun bescheinigt wurde, dass seine Klimapolitik nicht den gesetzlichen Vorgaben genügt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hingegen sieht sich bestätigt. Sie hatte die Klage auf den Weg gebracht. Jürgen Resch von der DUH erklärte:
Das ist ein großer Tag für den Klimaschutz.
Die Bundesregierung muss jetzt konkrete Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel klimaschädliche Subventionen abbauen
oder ein Tempolimit einführen
In der Verhandlung hatten sich selbst die Vertreter der Bundesregierung nur zaghaft gegen den Vorwurf gewehrt, zu wenig für den Klimaschutz zu tun. Die Regierung hatte bei der Vorstellung des Klimaschutzprogramms 2023 im vergangenen Herbst selbst zugegeben, dass bis 2030 rund 200 Millionen Tonnen CO2 mehr eingespart werden müssten, als der Plan vorsehe. Darauf stellte auch das Gericht ab.
Klimaschutzprogramm rechnet mit alten Zahlen
Inzwischen dürfte die Bilanz "noch schlechter ausfallen", erklärte in der Verhandlung die Sachverständige Brigitte Knopf vom Expertenrat für Klimafragen, einem Gremium, das die Regierung berät. Der Grund dafür, dass die Lücke noch größer geworden sein dürfte: Die knappe Haushaltslage. Im aktuellen Klimaschutzprogramm sind Gelder enthalten, die es inzwischen nicht mehr gibt.
Das Programm rechnet mit Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds - das ist der Fonds, den das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Schuldenbremse im November 2023 kippte. Seitdem muss die Bundesregierung mit 60 Milliarden Euro weniger auskommen. Auch das Klimaschutzprogramm ist seither um Milliarden ärmer. Angepasst wurde es seither aber nicht.
Zweite Niederlage der Bundesregierung vor Gericht
Es ist nicht die erste Niederlage, die die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz vor dem Gericht hinnehmen musste. Erst vor einem halben Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht geurteilt, dass die Regierung zeitnah Klimaschutz-Sofortprogramme auf den Weg bringen muss. Grund war, dass das Bundesbau- und das Bundesverkehrsministerium die sogenannten Sektorziele verfehlt hatten. Sie hatten in ihrem Sektor mehr CO2 verbraucht als geplant.
Schuldenbremse und Co.: Wichtige Begriffe zur Haushaltskrise
Die Ampel-Koalition ignoriert das Urteil bislang, wohl auch, weil sie die Sektorziele abschaffen will. Künftig soll es bei der Frage, ob genügend Emissionen eingespart wurden, nicht mehr auf die einzelnen Ministerien ankommen, sondern darauf, ob die Regierung insgesamt genug gespart hat.
Ein neues, abgeschwächtes Klimaschutzgesetz mit diesem Ziel soll am morgigen Freitag den Bundesrat passieren. Wird das Gesetz verabschiedet, dürfte das Urteil zu den Sofortprogrammen hinfällig sein.
An dem heutigen Urteil zum Klimaschutzprogramm ändert das nichts: Das Ziel bis 2030 im Vergleich zu 1990 65 Prozent CO2 zu reduzieren steht auch in dem neuen Gesetz. Das Urteil bindet die Regierung also auch, falls das neue Gesetz verabschiedet wird. Möglich ist eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht.
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