Samstag, 25. Mai 2024

Haben sich Ölbosse der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht?

 SPIEGEL-Klimabericht hier  Susanne Götze  24.05.2024

Klimawandel tötet und jemand muss dafür bestraft werden. Das fordern Umweltschützer und verklagen die Chefetage des Ölkonzerns Total. Die CEOs verweisen auf eine steigende Nachfrage und »das wirkliche Leben«.

Öl- und Gaskonzerne sind gut im Geschäft. Über 100 Milliarden Dollar schütteten die »Big Five« Exxon, Chevron, Shell, BP und Total jeweils im Jahr 2022 und 2023 an ihre Anteilseigner aus. 100 Milliarden Dollar sind genau so viel, wie Industriestaaten pro Jahr an Klimahilfen für ärmere Länder zahlen müssen.

Dabei gingen die Gewinne der Konzerne nach den vergangenen Rekordjahren zuletzt zurück. Dennoch wurden Investoren weiterhin mit hohen Dividenden und milliardenschweren Aktienrückkäufen belohnt, zeigen Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Zahlen sprechen für sich: 2022 wurden bei einem Gewinn von 196 Milliarden immerhin 111 Milliarden weitergereicht. 2023 waren es bei »nur« 123 Milliarden Gewinn dann sogar 112 Milliarden.

Dahinter steckt wohl Kalkül: Die Ölkonzerne versuchen, ihre Investoren bei Laune zu halten.
Der Eindruck, fossile Geschäfte seien ein Auslaufmodell, soll mit den Milliardengeschenken verhindert werden. 

Zwar läuft das Geschäft mit Öl und Gas weiterhin gut, doch die Presse ist schlecht und die vorsichtigen Andeutungen etwa auf Uno-Klimakonferenzen zum perspektivischen Ausstieg aus den klimaschädlichen Rohstoffen dürften Anleger zum Nachdenken bringen.

Deshalb buhlen die Ölkonzerne etwa um die Gunst großer Pensionsfonds, schreibt unser Kollege Kai Lange im manager magazin. »Profit steht dabei vor Purpose, das als Dividende ausgezahlte Geld wiegt offenbar schwerer als der Umbau des Geschäftsmodells.« Die Strategie der Ölbosse: Stabilität vorschützen und in turbulenten Zeiten sogar steigende Renditen versprechen.

Anlässlich der Hauptversammlung von TotalEnergies an diesem Freitag zeigen neue Zahlen der Umweltorganisation Urgewald, dass der Ölriese genauso weitermachen will:
Bis 2028 hat der Konzern demnach vor, jedes Jahr zwei bis drei Prozent mehr Öl und Gas zu fördern. Rund eine Milliarde Dollar (!) gibt er zudem jedes Jahr aus, um nach neuen Öl- und Gasfeldern zu suchen. In insgesamt 53 Ländern plant Total derzeit eine Ausweitung der Produktion. Und trotz anderslautender PR wird auch 2030 immer noch 85 Prozent des Geschäftsmodells aus der Förderung fossiler Rohstoffe bestehen.

Fahrlässige Tötung?

Während das Unternehmen seine weitere Expansion plant, gab es zu Beginn des Jahres Meldungen, dass 2023 das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war, mit einer globalen Temperatur von beinahe 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau.

Dass diese Erwärmung auf die Verbrennung von fossilen Rohstoffen zurückgeht, bestreiten nicht mal mehr die Öl- und Gaskonzerne selbst. Sie haben lange den Klimawandel geleugnet oder die Fakten verschwiegen, mittlerweile ist die Klimakrise aber so weit fortgeschritten, dass das zwecklos ist. Jedes Jahr sterben bereits Zehntausende an den Folgen der Erwärmung. Laut einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie WMO  wurden in den Sommern 2003, 2010 und 2022 jeweils zwischen 55.000 und 72.000 Menschen Opfer von Hitzewellen.

Milliardengewinne auf der einen – Tote, Verletzte und Obdachlose durch Hitzewellen und Überschwemmungen auf der anderen Seite. Da liegt die Idee nahe, nach Schuldigen zu suchen.

Genau das haben nun Umweltorganisationen mit einer neuen Klimaklage gegen TotalEnergies getan: In Paris beschuldigten sie den Konzern der fahrlässigen Tötung. »Die Manager und Aktionäre von TotalEnergies wissen, dass der Klimawandel tötet, aber sie haben die zynische Entscheidung getroffen, die Öl- und Gasproduktion aus einem einzigen Grund zu steigern: um möglichst hohe Gewinne zu machen«, erklärten die Kläger am Dienstag. Das Unternehmen ist nach ihrer Einschätzung für etwa ein Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich.

»TotalEnergies ist sich der Auswirkungen seiner Aktivitäten seit mindestens 1971 bewusst«, hieß es weiter. Das Unternehmen habe dennoch eine »klimaskeptische Linie« verfolgt, um seine Investitionen in fossile Energieträger zu schützen. Obwohl die Internationale Energieagentur empfohlen hat, ab 2021 alle Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe einzustellen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, habe TotalEnergies weiterhin Öl- und Gasfelder rund um den Globus erschlossen, so die Kläger.

Die Klage wird von acht mutmaßlichen Opfern des Klimawandels unter anderem aus Pakistan, Griechenland und den Philippinen unterstützt. Auch der 17 Jahre alte Belgier Benjamin B. zählt zu den Klägern. Seine damals 15 Jahre alte Freundin Rosa war 2021 bei einer Überschwemmung vor seinen Augen ums Leben gekommen.

Im Fokus der Vorwürfe steht das Management von TotalEnergies, darunter Unternehmenschef Patrick Pouyanné, aber auch die Aktionäre wie die US-Investmentgesellschaft BlackRock und die norwegische Norges Bank. Pouyanné hatte im vergangenen August erklärt: »Ich bin entschlossen, meine Öl- und Gasinvestitionen fortzusetzen, weil die Nachfrage steigt. Ich respektiere die Meinung von Wissenschaftlern, aber es gibt das wirkliche Leben«.

Nicht ertrunkene oder vom Hitzeschlag getroffene Menschen, sondern Milliardenausschüttungen für Anleger sind für den CEO anscheinend das »wirkliche Leben«.

Das Gericht hat nun drei Monate Zeit, um zu entscheiden, ob Ermittlungen aufgenommen werden, die in einen Prozess münden könnten. Auch hier dürfte es wieder darum gehen, ob einzelne Unternehmen oder Personen für Klimafolgen verantwortlich gemacht werden können. Eine juristische Frage, die noch nie klar beantwortet wurde. Eine ähnliche Klage gegen den deutschen Konzern RWE ist schon seit Jahren anhängig.

Die »wirkliche Welt« der Ölbosse

Einen Eindruck von der angeblich »wirklichen Welt« der Öl- und Gaskonzerne vermittelte vergangenen Oktober eine Tagung im InterContinental Hotel in London-Westminster. Dort tagten die Öl- und Gasmagnaten. Viele Manager kamen am ersten Tag aber gar nicht in das Hotel, weil Greta Thunberg zusammen mit Dutzenden Klimaaktivisten das Gebäude umstellte.

Das »Energy Intelligence Forum« ist eines der größten Treffen der fossilen Branche. Zwischen Häppchen und plüschigen Teppichen versicherten sich die CEOs der großen Unternehmen auf dem Treffen, dass die Klimakrise und ihre Interessen keineswegs im Widerspruch stünden. In ihrer Logik folgen sie nur der steigenden Nachfrage und bereiten sich (angeblich) auf das Zeitalter der Klimaneutralität vor.

»Es geht darum, die Emissionen von Kohlenwasserstoffen zu reduzieren, statt deren Produktion runterzufahren«, erklärte etwa Amin Nasser, Chef des Ölgiganten Saudi Aramco, damals. Das Rohöl und die Emissionen seiner Verbrennung sind laut dem Ölboss demnach zwei Paar Schuhe. Mit Technologien wie der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) sowie »mehr Effizienz« ließe sich der CO₂-Ausstoß von Erdöl und Erdgas senken, so das neue Narrativ der Branche.

Auch TotalEnergies-Chef Patrick Pouyanné war da. Er schwärmte etwa von neuen Förderplänen in Namibia: »Es ist toll, dass wir im 21. Jahrhundert noch so ein ergiebiges Ölfeld entdecken und ausbeuten können.« Zwar gehört es mittlerweile zum guten Ton, dass auch Leute wie Pouyanné von der Energiewende sprechen, dennoch betonte er: »Wir werden noch sehr lange Öl und Gas brauchen.« Die »wirkliche Welt« der Ölbosse ist eine ganz eigene Matrix.


Dazu passt auch dieser Fund ganz gut, der zeigt mit welchen Mitteln gespielt wird.
Nie waren Klagen gegen die Öl-Konzerne wichtiger!

Manager Magazin hier  24.05.2024,

Ölriese gängelt kritische Aktionäre: Weltgrößter Staatsfonds macht Front gegen Exxon

Der US-Ölriese Exxon hat kritische Aktionäre verklagt, die den Konzern zu mehr Klimaschutz bewegen wollten. Nun wächst der Protest: Norwegens Staatsfonds drängt auf einen Umbau an der Exxon-Spitze.

Der Ölriese Exxon ist für seinen ruppigen Umgang mit Kritikern bekannt. Als eine kleine Gruppe von Investoren den US-Konzern per Resolution dazu bewegen wollte, sich stärker für den Klimaschutz zu engagieren und die Ziele zur CO₂-Reduktion zu erhöhen, reagierte Exxon auf ungewöhnliche und handfeste Weise: Statt den Antrag zur Diskussion während der Hauptversammlung am kommenden Mittwoch (29. Mai) zuzulassen und die Aktionäre darüber abstimmen zu lassen, reichte Exxon gleich eine Klage gegen die eigenen Anteilseigner vor einem US-Gericht ein. Wer Kritik übt, wird vor Gericht gezerrt, so die Botschaft.

Die verschreckten Aktionäre, darunter das Aktionärsbündnis „Follow this“, zogen ihren Antrag daraufhin zurück. Trotzdem hält sich Exxon weiterhin die Möglichkeit offen, die Klage weiterzuverfolgen und sich Kosten ersetzen zu lassen. Der Antrag der aktivistischen Investoren habe darauf abgezielt, die Geschäftstätigkeiten von Exxon zu behindern, statt den Shareholdervalue der Exxon-Anteilseigner zu stärken, so die Begründung von Exxon.

Kritiker per Klage zum Schweigen gebracht
Der Antrag zu mehr Klimaschutzbemühungen hätte ohnehin kaum eine Chance auf eine Mehrheit gehabt. Der europäische Ölkonzern Shell hatte einen ähnlichen Antrag der Investorengruppe „Follow this“ zugelassen, er wurde dann während der Hauptversammlung in der vergangenen Woche mit großer Mehrheit abgelehnt. Immerhin hatten die klimabewegten Investoren bei Shell überhaupt die Chance, ihr Anliegen zu formulieren – bei Exxon wurden sie schon vorab mundtot gemacht.

Doch nun wächst der Widerstand. Einen solchen Umgang mit den eigenen Aktionären wollen sich viele Exxon-Investoren nicht mehr bieten lassen. Sie sorgen sich um die Aktionärskultur in den USA: Exxons "ungewöhnliches und aggressives Vorgehen" gegen die Klimaschützer könnte dazu führen, dass sich Anteilseigner gar nicht mehr zu relevanten Themen äußern würden, warnte der einflussreiche Stimmrechtsberater Lewis Glass im Vorfeld der Exxon-Hauptversammlung.

Staatsfonds drängt auf Abwahl von Topmanager
Dieser Kritik schließt sich nun auch der norwegische Staatsfonds an, der mit einem Volumen von 1,5 Billionen Dollar der größte staatliche Investor der Welt ist. Nach Informationen der „Financial Times “ will der Staatsfonds gegen die Wiederwahl von Joseph Hooley (67) stimmen, der als „Leading Director“ eine zentrale Rolle im Board of Directors von Exxon einnimmt.

Exxon-Chef Darren Woods soll zwar entlastet werden, doch Hooley soll wegen seiner führenden Rolle im Prozess gegen die eigenen Aktionäre keine Unterstützung mehr bekommen. „Es ist extrem wichtig, die Rechte der Anteilseigner zu schützen“, begründet das Management des norwegischen Staatsfonds seinen Schritt.

Exxon zeigt sich über die Kritik der beiden Schwergewichte verärgert. Der Schritt sei eine große Ungerechtigkeit gegenüber Board-Mitglied Hooley, dessen Führungsstil „vorbildlich“ sei, teilte der Konzern mit. Es sei außerdem ein Angriff auf Millionen von Exxon-Aktionären, deren Profite unter der Aufsicht von Hooley deutlich gewachsen seien.


Profit vor Purpose: Bei Exxon will man sich von Kleinigkeiten wie dem Klimawandel nicht bremsen lassen – und von kritischen Aktionären erst recht nicht. 

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