Samstag, 30. März 2019

Bürgerstimme: Munira Jutta Saarmann

Das Schreiben von Herrn Härle, auf das sich dieser Brief bezieht, finden Sie hier

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Härle,
In Ihrem offenen Brief stellen Sie das Aktionsbündnis als Zukunftsblocker dar. Sie reden ausschließlich von gewerblicher Weiterentwicklung, den Landbau erwähnen Sie nicht.
Sie sprechen auch von "Weitsicht" und "wohlbedacht". Nun denn…
Die klimatische Entwicklung auf unserm Planeten hat ganz aktuell andere Probleme in den Vordergrund
gerückt, als die von Ihnen angesprochenen. Das Überleben der nachfolgenden Generationen ist nicht
mehr davon abhängig, ob sie einen Arbeitsplatz finden, sondern ob der Planet noch bewohnbar ist.
Tausende von Wissenschaftlern auf der Erde betonen, dass uns nur wenige Jahre bleiben, um enorme
Anstrengungen zu unternehmen, um katastrophale Folgen und einen Genozid auf der Erde zu verhindern.
Aufgrund dieser aktuellen Sachlage ist unser Anliegen (des Aktionsbündnisses), den Grünzug zu erhalten, seine klimatische Bedeutung zu würdigen und den Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen zu stoppen so dringlich.
Über dieses Thema haben Sie nichts Weitsichtiges geäußert.
Unter enormen Anstrengungen verstehe ich, unser wirtschaftliches Handeln komplett neu zu überdenken. Es kann kein "Weiter so" geben. Dass uns das zunächst im herkömmlichen Sinne einschränken wird, ist klar. Wir können nicht immer weiter produzieren, Flächen zubauen, immer größere Betriebe ansiedeln oder das Heil eines Betriebes in seiner Vergrößerung suchen.
Das wäre ein Verhalten auf dem Niveau einer Blattlaus.
Aber in einer quantitativen Beschränkung sehe ich auch eine Möglichkeit zur qualitativen Verbesserung. Wir sollten Ernst machen mit dem in aller Munde leichtsinnig geführten Begriff der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit bedeutet, dass nach meinem (z.B.) wirtschaftlichen Handeln genauso viele Ressourcen zur Verfügung stehen wie vorher. Ich kann die Erde an meine Kinder weitergeben und sie haben dieselben Möglichkeiten wie ich, auf ihr zu leben.
Betrachtet man den Flächenverbrauch für Salem, der durch die Erweiterung des Industriegebietes und die nachfolgenden Notwendigkeiten wie Wohnungsbau, Straßenbau, Luftverschmutzung durch wesentlich mehr Verkehr, Wegfall von landwirtschaftlichen Flächen entsteht, so ist da gar nichts nachhaltig dran. Im Gegenteil:
Für die nächsten 2000 Jahre verlieren wir humusreichen Boden, auf dem Nahrung produziert werden
könnte. Wir verlieren einen Grünzug, der unsere Luft abkühlen könnte, wenn durch den Klimawandel die Sommer immer heißer werden.
Wir verlieren eine Landschaft, die durch ihre besondere Sanftheit und landwirtschaftliche Prägung, Ruhe und Erholung ermöglicht. Nicht nur wir Salemer profitieren davon. Auch unsere Feriengäste verlieren einen Ort, in dem sie vom Stress in den Städten ausspannen können.
Haben Sie das wohlbedacht? Denkt man daran, was überlebenstechnisch wirklich wichtig ist, dann sollten wir als größte Flächengemeinde im Bodenseekreis diese Flächen genau dafür nutzen: Den Ackerbau stärken, um uns regional versorgen zu können, an der Verbesserung der Böden arbeiten, Bäume pflanzen, wo immer es geht. Die Betriebe unterstützen, statt auf Expansionskurs zu gehen, nachhaltige Modelle für ihre Wirtschaftlichkeit zu finden. Unsere Jugend einbinden in diesen Lernprozess, für eine Erde zu arbeiten, die auch morgen noch Bestand haben kann: Bildungsarbeit, ökologische Zukunftswerkstätten ins Leben rufen, um kluge Lösungen für Wohnraum ohne Flächenverbrauch finden oder Dachbegrünungen im Gewerbegebiet anzustoßen.
Statt die Flächen an Investoren zu geben, die dann aus der ganzen Nation die zahlungskräftigen Bürger in unsere Gemeinde locken, wie es zur Zeit in der Neuen Mitte passiert.
Es gibt so viel zu tun, dass es uns an Arbeit und Arbeitsplätzen in dieser Richtung sicher nicht mangeln
wird.
Wenn ich die Schnelligkeit beobachte, mit der in Salem zur Zeit Flächen zugebaut werden, kann ich mir
kaum vorstellen, dass es länger als drei Jahre dauern wird, bis die geplante Gewerbefläche bebaut ist. Und dann ?....
Herr Franke vom Regionalverband sagte sinngemäß. "Die erste Reihe am See ist zugebaut, jetzt kommt die zweite Reihe dran."
Ist das Ihr Plan für die Zukunft?
"Ich fordere Sie auf, an allen Fronten mehr Ehrgeiz zu zeigen. Diese Gelegenheit zu
verschleudern, würde unsere letzte gute Chance zunichte machen, einen ungebremsten
Klimawandel zu stoppen. Das wäre nicht nur unmoralisch, das wäre selbstmörderisch."
(UN-Generalsekretär António Guterres vor Abschluss des Gipfels)
In diesem Sinne, mit freundlichen Grüßen
Munira Jutta Saarmann

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