Donnerstag, 19. Januar 2023

Bericht zu Treibhausgasen: Warum CO2 aus der Luft gefiltert werden muss

 Manchmal darf man sich schon fragen, wie verrückt und unzurechnungsfähig wir uns alle verhalten:

Wir stoßen weiterhin ungehemmt unsere CO2-Abfälle in die Luft aus, um mal schnell irgendwo hin zu kommen, um mal schnell irgendwas zu beleuchten, um mal schnell etwas herzustellen......Und filtern  das Zeugs dann irgendwann mit ungeheuer viel Geld- und Energie -Aufwand wieder aus der Luft heraus. Am Besten erst in vielen Jahren, dann wenn andere es bezahlen müssen - nämlich unsere Kinder, die wir heute in vermeintlicher Liebe mit überflüssigem Konsum überschütten.
Wenn sie es dann noch bezahlen können, sie erben von uns ja auch noch einige andere Lasten.....
Wäre es nicht angebracht heute, aus großer Liebe zu unseren Kindern, den Ausstoß  drastisch zu senken. Zu Sparen indem wir alle Umdenken, und eben nicht so weiter machen wie bisher?


ARD Tagesschau hier  Stand: 19.01.2023 Von Pascal Kiss, SWR

Den Ausstoß von Kohlendioxid zu begrenzen, wird nicht ausreichen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Stattdessen muss langfristig auch CO2 aus der Atmosphäre "eingefangen" werden - vor allem mit neuen Technologien.

"CO2-Entnahmen sind eine Notwendigkeit, sie werden nicht vom Himmel fallen", sagt Klimaforscher Jan Minx. In Zukunft muss viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre entnommen werden, ist sich der Experte sicher. So will Deutschland ab 2045 nicht nur klimaneutral sein, sondern wenige Jahre später sogar CO2 der Atmosphäre entziehen.

So steht im deutschen Klimaschutzgesetz: "Negative Treibhausgasemissionen" sollen ab 2050 erreicht werden." Das übersehen viele Leute, aber Mitte des 21. Jahrhunderts werden CO2-Entnahmen den Klimaschutz dominieren", prognostiziert Minx. Darüber müssten wir schon heute nachdenken. Es geht um eine der größten Herausforderungen der Menschheit, sagen Fachleute. "Doch gerade sind wir erst ganz am Anfang", findet Klimaforscher Minx, Mitautor des ersten Berichts zur weltweiten Bestandsaufnahme der CO2-Entnahmen ("The State of Carbon Dioxide Removal").

 Laut dem Bericht muss der Atmosphäre durch neue Technologien deutlich mehr Kohlendioxid entzogen werden als heute.  Wälder und Moore können nicht genügend CO2 speichern.  Aktuell wird CO2 aus der Atmosphäre vor allem durch Aufforstung, also neue Wälder, und durch wiedervernässte Moore gespeichert - etwa zwei Gigatonnen pro Jahr. Doch schon bis 2050 müsste laut dem Bericht doppelt so viel CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden, wenn das Klimaziel von einer Erwärmung um maximal 1,5 Grad eingehalten werden soll. 

Beim Zwei-Grad-Ziel müsste immerhin 50 Prozent mehr CO2 aus der Atmosphäre geholt werden als heute. Das kann durch neue Wälder und Moore allein nicht funktionieren, sagt Klimaforscher Minx und sieht auch schon kleine Steigerungen als große Herausforderung: "Wir haben im Moment keinen Plan dafür."

Könnten aber in Zukunft wirklich große CO2-Mengen aus der Atmosphäre entzogen werden, könnte das dazu beitragen, den Klimawandel abzuschwächen. Laut dem Bericht würden sogar die meisten Klimamodelle fest damit rechnen. Und wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden sollen, müssen laut dem Bericht langfristig neue Technologien eingesetzt werden, die viel mehr Kohlendioxid speichern können. 

Mit Ventilatoren CO2 herausfiltern? Viele neue Technologien werden gerade noch im Labor getestet. Aber vor allem in den vergangenen zwei Jahren hat es laut dem Bericht einen großen Innovationsschub gegeben. Viel Aufmerksamkeit bekommen sogenannte Direct-Air-Capture-Anlagen. Mit Ventilatoren und Filtern wird das CO2 aus der Luft geholt und reagiert dann später im Boden zusammen mit Wasser und Basalt - ein festes Gestein entsteht.  "Momentan sind das nur einige tausend Tonnen, die jedes Jahr mit eingefangen werden", sagt Forscher Minx. Eine bereits bestehende Anlage auf Island kann gerade mal den jährlichen CO2-Ausstoß von 500 Deutschen ausgleichen. Für 2025 plant das isländische Unternehmen Carbon Engineering aber ein Eine-Million-Tonnen-Kraftwerk, sagt Minx: "Es wäre das erste in solch einem industriellen Maßstab." 

Viele Technologien stehen noch am Anfang Noch sind die Anlagen zur direkten CO2-Entnahme sehr teuer und brauchen viel Energie aus erneuerbaren Quellen. Aber auch mit Pflanzenkohle oder Bioenergieanlagen mit CO2-Speicherung könnte in Zukunft viel Kohlendioxid gebunden werden. Aktuell werden die meisten Verfahren aber erst im Labor getestet: "Die gibt es noch fast gar nicht", sagt Minx. Nur zwei Millionen Tonnen CO2 könnten derzeit durch alle neuen Technologien gespeichert werden.    Wer klimaneutral sein möchte, muss CO2 abbauen Auch das ehrgeizigste Land der Welt wird Mitte des Jahrhunderts nicht ganz auf Treibhausgasemissionen verzichten können. Doch noch hätten die Staaten überhaupt keine Pläne, sagt Oliver Geden vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit: "Regierungen, insbesondere diejenigen, die Netto-Null-Ziele beschlossen haben, müssen klären und müssen öffentlich sagen, wie viel CO2-Entnahme sie machen wollen." Aber genau diese Frage werde bisher nicht beantwortet.

CO2-Speicherungen in Deutschland verboten 

Aktuell sind viele Speichertechnologien in Deutschland durch das Kohlendioxid-Speichergesetz verboten, und das werde sich wohl auch nicht so schnell ändern, sagt Sozialwissenschaftler Geden. Deshalb werde Deutschland in der ersten Phase der Atmosphäre entnommenes Kohlendioxid exportieren müssen. "Wie sich diese Debatte langfristig entwickelt, ist bislang aber schwer zu sagen. Aus der Sicht der Wissenschaft ist auch da egal, wo das CO2 eingelagert wird", sagt Geden.

Langfristig könnte Deutschland den eigenen CO2 -Müll auch selbst im eigenen Land speichern: Noch gebe es in Deutschland aber insgesamt viele Vorbehalte, sagt Christine Merk vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel: "Heute sind die meisten noch abgeschreckt von den Methoden." In Zukunft könnten wir uns mit CO2-Maßnahmen zumindest teilweise von einer Schuld freikaufen: "Das wird interessant sein, die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten zu beobachten", sagt Merk. 

Hoffen auf Innovationen

Die Innovationen im Bereich der CO2-Entnahme haben laut dem Bericht in den vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen. Doch noch braucht es eine große politische Anschubhilfe. Etwa 120 Regierungen möchten langfristig klimaneutral sein. Ganz auf CO2-Emissionen wird aber wahrscheinlich niemand in diesem Jahrhundert verzichten können.Umso wichtiger sind Aufforstungen, aber auch die Förderung neuer Technologien, um Kohlendioxid langfristig zu binden. Jede Tonne weniger CO2 hilft, den Klimawandel zumindest ein bisschen zu bremsen, so die Hoffnung des Forschungsteams. 


Spektrum der Wissenschaft  hier

KLIMAWANDEL: Riesiger Aufholbedarf bei Kohlendioxid-Entnahmen aus der Atmosphäre

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, führt kein Weg daran vorbei, CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. In einer Bestandsaufnahme stellen Forscher enorme Lücken fest.

Rund 1300 Tonnen klimaschädliches CO2 pustet die Menschheit pro Sekunde in die Atmosphäre – und heizt damit den Planeten auf. Dass die Emissionen sinken müssen, um eine drohende Klimakatastrophe abzuwenden, ist wissenschaftlicher Konsens. Doch das allein reicht schon längst nicht mehr. Das Treibhausgas muss zusätzlich effektiv aus der Atmosphäre entfernt werden, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

»CO2-Entnahmen sind eine Notwendigkeit. Sie werden nicht vom Himmel fallen, sondern wir müssen uns darum kümmern«, sagte Jan Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in einem Onlinegespräch vor Journalisten. Der Umweltökonom ist einer der Autoren eines aktuellen Berichts zum Thema. Darin kommt ein Forschungsteam aus Deutschland, Großbritannien, Australien und den USA zu dem Schluss: Die Staatengemeinschaft hat enormen Aufholbedarf beim »Carbon Dioxide Removal« (CDR).

Der Bericht ist eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme, inwieweit Methoden zur Entnahme von klimaschädlichem CO2 aus der Atmosphäre bereits angewendet werden und wie sie genutzt werden müssten, um die internationalen Klimaziele zu erreichen. Nach Angaben des Teams ist er der erste umfassende seiner Art und soll der Auftakt einer Serie sein.

Klimaschutzpläne sehen die Entwicklung neuartiger CDR-Methoden bislang kaum vor

Die wichtigste Botschaft lautet: Obwohl es für die Einhaltung der Pariser Ziele unabdingbar ist, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft an Land, im Meer, in geologischen Formationen oder in Produkten zu speichern, sehen Staaten in ihren Klimaschutzplänen die Entwicklung neuartiger CDR-Methoden kaum bis gar nicht vor. Zwar werde auch heute schon CO2 aus der Atmosphäre entnommen, allerdings fast ausschließlich durch konventionelle Methoden wie etwa Aufforstung und die Bewirtschaftung bestehender Wälder. (worüber wir sehr froh sein können!, was natürlich eingelagert wird, müssen wir nicht teuer entfernen)

 Negative Emissionen

Davon unterscheiden die Wissenschaftler neuartige Methoden wie die direkte CO2-Entnahme aus der Luft mit anschließender Speicherung (DACCS, Englisch für Direct Air Carbon Capture and Storage). Oder auch das BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) genannte Verfahren, bei dem – grob gesagt – Energie aus Pflanzen gewonnen und das bei der Nutzung entstehende CO2 gespeichert wird. Da die Pflanzen immer wieder nachwachsen, können sie der Atmosphäre auf diese Weise dauerhaft CO2 entziehen. Ohne solche neuartigen Methoden gehe es nicht, lautet die Einschätzung der Autoren des Berichts.

Aktuell werden mit den neuartigen Methoden dem Bericht zufolge gerade einmal 0,002 Gigatonnen CO2 pro Jahr gebunden. Zur Erreichung der Klimaziele müsste – über verschiedene Szenarien gemittelt – bis 2030 gut 30-mal so viel Kohlendioxid entnommen werden, bis Mitte des Jahrhunderts sogar 1300-mal so viel. »Da stehen wir wirklich noch total am Anfang, fast noch bei null«, sagt Experte Minx. Zum Vergleich: Schätzungen zufolge betrug der globale CO2-Ausstoß im Jahr 2022 40,6 Gigatonnen.


»Es geht nicht um Entweder-oder. Wir brauchen beides«

Oliver Geden, Stiftung Wissenschaft und Politik


Die Wissenschaftler warnen davor, die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre als Alternative zu ambitioniertem Klimaschutz zu sehen. Eine rasche und tief greifende Verringerung der Emissionen sei zusätzlich zu den Reduktionszielen dringend notwendig. »Es geht nicht um Entweder-oder. Wir brauchen beides«, sagte Mitautor Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. In allen realistischen Szenarien, die zur Erreichung der Pariser Klimaziele vorlägen, sei eingeplant, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. Hier klaffe jedoch eine große Lücke zwischen dem Ziel und dem aktuellen Stand dessen, was die Länder bereits umsetzen oder konkret planen.

Die Weltgemeinschaft hatte im Jahr 2015 in Paris vereinbart, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau deutlich unter 2 Grad zu halten, möglichst aber bereits bei 1,5 Grad zu stoppen. Damit sollen die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte mit unumkehrbaren Konsequenzen vermieden und die schwerwiegendsten Folgen eines fortschreitenden Klimawandels abgewendet werden. Die bislang geplanten Maßnahmen der Staaten sind dafür jedoch längst nicht ambitioniert genug.

Die kommenden Jahre sind entscheidend

Kein Land lege mit seinen nationalen Klimazielen einen Plan vor, wie neuartige Entnahmemethoden bis 2030 bis zur nötigen Größe ausgebaut werden sollen, heißt es im Bericht. Selbst bei den langfristigeren Klimazielen bis 2050 werde dies bislang kaum eingeplant.

Gleichzeitig weisen die Forscher darauf hin, dass jedes Land oder Unternehmen, dass sich ein Netto-Null-Emissionsziel – gemeinhin als Klimaneutralität bezeichnet – gesetzt habe, die Entnahme von CO2 bereits mit eingepreist habe. Denn es werde immer Restemissionen geben, die ausgeglichen werden müssen. Politik und Wissenschaft müssten daher klären, welche Methoden sie zur CO2-Entnahme einsetzen wollten, in welchem Ausmaß diese genutzt werden und – ganz wichtig – wer das bezahlen solle. »Wer darauf keine Antwort hat, dessen Netto-Null-Ziel kann man eigentlich nicht richtig ernst nehmen«, sagte Sozialwissenschaftler Geden.


»Bislang wird die CO2-Entnahme und Speicherung so wenig diskutiert,
dass es in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist
und nicht differenziert betrachtet wird.«

Christine Merk, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel


Die kommenden Jahre sind laut den Autoren entscheidend dafür, die Methoden zur CO2-Entnahme weiterzuentwickeln und politische Rahmenbedingungen für ihre Skalierung zu schaffen. Nur wenn dies geschehe, sei es realistisch, dass sie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auch in großem Maßstab zum Einsatz kämen.

Ob dies geschehe, hänge zudem von der öffentlichen Wahrnehmung des Themas ab, betonte Christine Merk vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, die den Bericht begutachtet hat. Ausschlaggebend dafür sei ebenso, wer wie über das Thema spricht, etwa in der Politik. »Bislang wird das so wenig diskutiert, dass es in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist und nicht differenziert betrachtet wird.« Tendenziell sei die Zustimmung zu konventionellen, natürlichen Methoden wie der Aufforstung höher als zu unbekannteren Entnahmemethoden – auch wegen potenziell unbekannter Folgen neuer Verfahren. Doch die konventionellen Maßnahmen haben ihre Grenzen: So könnten die steigenden Temperaturen Wäldern so stark zusetzen, dass sie keine verlässlichen CO2-Speicher mehr sind, merkte Geden an. 


Die Zeit hier  19.1.23

"Wir könnten längst viel mehr CO₂ aus der Atmosphäre holen"

Die Politik könnte einem neuen Bericht zufolge mehr tun, um CO₂ aus der Luft zu holen. Das Potenzial sei längst nicht ausgeschöpft, sagen Experten.

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