Utopia hier Von Lena Rauschecker 4. Januar 2023
Leben ohne Auto und mit Fahrrad
Mit dem Fahrrad ins Büro und mit dem Bus zum Sport– in der Stadt kein Problem. Auf dem Land sieht das anders aus. Dennoch lebt unsere Autorin seit dem Sommer ohne Auto in einem kleineren Ort. Sie berichtet über ihren unfreiwilligen Selbstversuch.
Ende Juli war es so weit: Unser Auto kam unerwartet nicht durch den TÜV. Seitdem ist es vorübergehend stillgelegt, weil wir noch nicht entschieden haben, ob wir die relativ aufwendige Reparatur durchführen lassen wollen. Das bedeutet seit etwas mehr als fünf Monaten ein autofreies Leben mit der Aussicht auf Verlängerung. Ich habe gelernt: Auch auf dem Land ist das machbar – aber teilweise frustrierend.
Autofrei auf dem Land: Diese Alternativen habe ich
Ich möchte klarstellen: Ich schildere hier nur meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen von einem Alltag ohne eigenes Auto. Für Familien mit kleinen Kindern, Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder Bewohner:innen von sehr kleinen Dörfern ohne jeglichen Bahnanschluss sieht die Ausgangssituation anders aus.
Meine Eckdaten sind die folgenden: In meinem Nachbarwohnort gibt es einen Bahnhof, den ich mit dem Fahrrad in fünf Minuten erreichen kann. Zwei Gehminuten entfernt gibt es eine Bushaltestelle, die einige Male am Tag angefahren wird. Bäckerei und Supermarkt sind ebenfalls zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar.
Ich nutze in meinem Alltag fast jeden Tag das Fahrrad und mache kleine Besorgungen zu Fuß, Familie und Freund:innen erreiche ich teilweise ebenfalls mit meinem Rad, alternativ mit der Bahn und einem Spaziergang.
Mein Arbeitsweg: Zum Glück ohne Auto möglich
Für meinen Weg ins Utopia-Büro habe ich seit meinem Umzug aufs Land eine bewährte Routine entwickelt: Mit dem Fahrrad zum Zug, danach umsteigen in die S-Bahn und U-Bahn. Was für Autofahrer:innen umständlich klingen mag, funktioniert zuverlässig.
Wobei zuverlässig es nicht perfekt beschreibt, denn es vergeht ehrlicherweise fast keine Arbeitswoche ohne eine Verspätung der Regionalbahn, wodurch ich an einer anderen Haltestelle umsteigen muss und dadurch einen längeren Arbeitsweg habe. Auch Zugausfälle nerven und erschweren das Hin- und Herkommen.
Doch ohne Auto zur Arbeit fahren funktioniert für mich und auch, als das Auto noch vor der Haustür stand, habe ich es für den Arbeitsweg nie benutzt. Ich vermisse es nicht und werde auch weiterhin mit den Öffis ins Büro pendeln. Was mir dabei sehr entgegenkommt: Ich fahre an zwei Tagen die Woche ins Büro und nicht jeden Tag.
Einkaufen mit dem Fahrrad – easy!
Einkaufen erledige ich ebenfalls mit dem Fahrrad – das bin ich aus meiner Zeit in München so gewohnt. Doch was jetzt auf dem Land nervt: Auf dem Weg zum Supermarkt fehlen teils die Fahrradwege und man muss auf der vielbefahrenen Straße radeln.
Leben ohne Auto: In welchen Momenten mir das Auto fehlt
Wenn nicht für die Arbeit und zum Einkaufen, wozu benutze ich das Auto dann überhaupt oder wofür nutzte ich es bislang gerne? Für Fahrten in der Freizeit – zum Beispiel zum Wandern. Ich weiß, viele Wanderziele erreicht man auch per Bus und Bahn. Das mache ich auch regelmäßig und in Zeiten des 9-Euro-Tickets bin ich ausschließlich damit und nicht mit meinem Auto in die Berge gefahren.
Doch ohne einen günstigeren Nahverkehr überwiegen bei meinem Hobby die Nachteile des ÖPNV: Teure Bahntickets, unflexiblere Abfahrtszeiten in vollen Zügen und teils lange Wartezeiten, da die Züge nur stündlich verkehren. Hinzu kommen überlaufene Wanderwege, weil die Öffis vor allem bekannte und beliebte Ausgangspunkte anfahren.
Und es gibt weitere Punkte, die ohne Auto auf dem Land schwieriger sind: Die Fortbewegung am Abend und in der Nacht. Die Züge beenden ihre Fahrten gegen Mitternacht, von München aus muss ich mich um 23 Uhr auf den Heimweg machen, um die letzte Umsteigemöglichkeit nicht zu verpassen. Für kürzere Wege muss ich auf das Fahrrad ausweichen.
Gerade im Winter ist das teils herausfordernd. Zwar kann man sein Fahrrad winterfest machen, doch bei Neuschnee oder Glätte radle ich nicht gerne durch die Gegend. Deshalb habe ich diesen Winter bereits auf das ein oder andere Treffen mit Freund:innen verzichtet, weil ich bei Minusgraden nicht mehr mit dem Radl losfahren wollte.
Mein Verzicht auf ein eigenes Fahrzeug erfolgte nicht freiwillig. Dennoch kann ich dem autofreien Leben einiges Positives abgewinnen: Das Radeln sorgt für Bewegung im Alltag und macht mich an den Bürotagen morgens wach. Mit etwas mehr Zeitaufwand komme ich weiterhin gut von A nach B.
Ich fahre aus Überzeugung lieber Bahn statt Auto und habe durch den fehlenden eigenen PKW gemerkt, wie selten ich ihn überhaupt brauche. Was ich mir aber wünsche: Ein bezahlbares Carsharing-Angebot mit E-Autos auf dem Land für Ziele und Strecken, die mit Radl und Bahn nicht gut machbar sind. Und eine zügige Umsetzung des 49-Euro-Tickets, damit der ÖPNV endlich besser bezahlbar wird. Denn der Ausbau des Streckennetzes und eine Taktverdichtung sind zwar ebenso wichtig, werden aber wohl noch auf sich warten lassen.
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