Donnerstag, 23. Februar 2023

„Das Parken von Autos wird als selbstverständlich angesehen. Aber das ist kein Naturgesetz.“

  Auszüge aus der Wirtschaftswoche  hier

LIME-CEO WAYNE TING  Interview von Stephan Knieps  21. Februar 2023

Die grellgrünen E-Scooter von Lime sind in Deutschlands Städten weit verbreitet. Tragen Sie zum Klimaschutz bei – oder liegen sie im Weg? Und wie kann man damit Geld verdienen? Fragen an den Lime-Chef Wayne Ting.

....WirtschaftsWoche: Wayne Ting, zum ersten Mal in der sechsjährigen Unternehmensgeschichte von Lime haben Sie ein Geschäftsjahr ohne Verlust hinter sich gebracht. Was war 2022 anders?

Wayne Ting: Es ist das erste Mal, dass überhaupt ein Unternehmen aus der Mikromobilitätsbranche Gewinn gemacht hat. Das ist ein Meilenstein. Wir haben den unbedingten Willen, zur Dekarbonisierung des Verkehrs beizutragen. Alles was wir tun, zahlt darauf ein, CO2 einzusparen.

 Zudem ist unsere Hardware besser geworden: Fast alle unsere Wettbewerber kaufen ihre E-Scooter bei den beiden großen chinesischen Herstellern. Wir bauen unsere Scooter und E-Bikes selbst – von der Entwicklung bis hin zur Produktion, wobei alles für Nachhaltigkeit konzipiert ist, um Fahrer anzusprechen und so langlebig wie möglich zu sein. Unsere neueste Serie von Scootern und E-Bikes halten fünf Jahre und mehr. Und wir sind der einzige globale Anbieter von Mikromobilitätsdienstleistungen – wir sind auf fünf Kontinenten vertreten. Deshalb verfügen wir über sehr viel Erfahrung aus verschiedensten Märkten.

....Sie behaupten, Lime hätte in seiner sechsjährigen Geschichte insgesamt 85 Millionen Autofahrten ersetzt und so 32.000 Tonnen CO2 vermieden. Worauf beruht diese Annahme?

Wir befragen unsere Kunden: Was hätten Sie getan, wenn Sie nicht mit dem E-Scooter oder E-Bike gefahren wären? Insgesamt wurden mit Lime-Fahrzeugen schon mehr als 400 Millionen Fahrten gemacht: zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen. Davon sind ungefähr 85 Millionen Fahrten, die eine Autofahrt ersetzt haben. Und eine durchschnittliche Fahrt mit einem E-Scooter oder E-Bike produziert etwa sieben Prozent des CO2-Ausstoßes, den eine vergleichbare Autofahrt verursacht. Übrigens auch deutlich weniger als eine Fahrt mit einem Elektroauto.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts von Oktober 2022, die Lime in Auftrag gegeben hat, bestätigt da passenderweise, dass E-Scooter und E-Bikes helfen können, den CO2-Ausstoß zu senken...

Der Hauptverursacher von Treibhausgasen in Europa und in den USA ist der Verkehr. Der größte Teil davon kommt von privaten Autofahrten. Und eine der großen Lügen im Verkehrssektor lautet: Wenn man nur alle Diesel-Fahrzeuge und Benziner durch Elektroautos ersetzt, sei alles okay.
Das stimmt einfach nicht! Der Grund, warum Autos so viel Energie verbrauchen und CO2 verursachen, ist ihr Gewicht. Das durchschnittliche Auto wiegt fast 2000 Kilogramm, das durchschnittliche Elektroauto wiegt noch mehr. Wenn also ein durchschnittlich 80-Kilo-Mensch sich im Auto bewegen möchte, wird fast die gesamte Energie dafür gebraucht, das Auto zu bewegen. Wenn wir also nur alle Verbrenner durch E-Autos ersetzen, lösen wir das Problem nicht. Sondern: Wir müssen das Gewicht der Verkehrsmittel pro Reisenden reduzieren.

Das tun aber auch U-Bahnen und Busse. Absolut!

Das leuchtet alles ein. Trotzdem sind Sie nach wie vor in einer Position, in der Sie die meisten Leute überzeugen müssen. Das größte Problem dürfte doch sein, dass viele Menschen E-Scooter nicht als Alternative zum Auto betrachten. Wie wollen Sie die für sich gewinnen?

Die Mehrzahl aller Autofahrten in deutschen Städten geht über Strecken unter sieben Kilometern. Und in den meisten Fällen sitzt auch nur eine einzige Person im Auto. Wenn eine Person zu einem zwei, drei Kilometer entfernten Ziel muss, sollte sie – zum Wohle des Planeten – nicht Auto fahren. Sondern entweder öffentlichen Nahverkehr nutzen, oder ein Fahrrad oder einen E-Scooter.

In der Theorie dürften ihnen viele zustimmen. Dennoch: Die meisten Leute lassen sich ungern vorschreiben, wie sie sich fortzubewegen haben.

Ja, es ist hart. Aber wir müssen diese harten Gespräche führen. Wir müssen die Leute herausfordern! Denn die besagte falsche Annahme ist leider weitverbreitet: Ich fahre ein Elektroauto, ich habe damit alles getan, was ich tun kann. Nein! Das stimmt nicht!

Aber das Autofahren ist vielerorts leider gelerntes Verhalten……besonders in Deutschland!

Gut möglich, ja. Ist diese von Ihnen angestrebte Verhaltensänderung der schwierigste Teil Ihres Jobs?

Wenn man den Leuten, vor allem den jüngeren, die Frage stelle: „Was ist das größte Problem?“ – dann werden die meisten antworten: die Klimakrise. Viele wollen sich besser verhalten, wissen nur nicht, wie. Man startet wohl am besten mit diesem Argument: Es ist eigentlich gar nicht so schwer, Dein Verhalten an Deine Sorgen anzupassen. Die Idee, Plastikflaschen zu recyclen, erschien vor zwanzig Jahren völlig verrückt! Aber Leute können ihr Verhalten ändern. Nur: Es braucht Zeit.

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