Samstag, 18. Februar 2023

Europa soll zum Fahrrad-Kontinent werden

 hier  t3n  Von Stefica Budimir Bekan  16.02.2023

Fahrradfahren ist mindestens genauso wichtig wie Autos und öffentliche Verkehrsmittel? Ja, wenn es nach dem EU-Parlament geht. Eine neue Fahrradstrategie soll dem bisher vernachlässigten Verkehrsmittel nun die Anerkennung bringen, die es verdient.

„Fahrradfahren kann heute nicht länger als reines Hobby verstanden werden, sondern ist als Teil der Transport-Infrastruktur in Europa anzusehen.“ Dies erklärte die Vorsitzende des Verkehrs- und Tourismusausschusses im Europäischen Parlaments (TRAN), Karima Delli, am 31. Januar in Brüssel nach dem vorbereitenden Votum zum 1. EU-Fahrradplan. Um das zu erreichen, hat das EU-Parlament nun eine wichtige Entscheidung getroffen.

„Ich bin sehr stolz auf den TRAN-Parlamentsausschuss, der mit diesem grundlegenden Beschluss einen Meilenstein für die zukünftige Entwicklung und Integration des Fahrradsektors im EU-Transportsystem geleistet hat”, so Delli.

17-Punkte-Aktionsplan beschlossen

Die Entschließung des Europäischen Parlaments, die am 16. Februar 2023 fast einstimmig in Straßburg angenommen wurde, legte einen 17-Punkte-Aktionsplan fest. Das Fahrrad soll als vollwertiges Verkehrsmittel anerkannt und bei allen Planungen berücksichtigt werden. Der Entschluss soll vor allem für einen gezielteren Ausbau der Fahrradinfrastruktur und den Aufbau einer eigenständigen europäischen Fahrradproduktion sorgen. Das Ziel: die grüne Transformation in der EU beschleunigen.

„Die Entscheidung sendet ein wichtiges Signal für die Notwendigkeit, das Radfahren in der EU voranzutreiben“, sagte Thomas Lymes, Politikberater von Eurocities für Mobilität und Luftqualität. „Die jüngsten Fortschritte in unseren Mitgliedsstädten zeigen, dass sich die Mobilitätsgewohnheiten schnell ändern können, wenn ein starker politischer Wille durch eine angemessene Infrastruktur unterstützt wird“, fügte er hinzu.

Verkehrswende: Experten fordern mehr Platz für Fahrräder

Die „Resolution zur Entwicklung einer EU-Fahrrad-Strategie” trage den Europaabgeordneten zufolge wesentlich zur Erreichung der Ziele des Europäischen Green Deals sowie des „Fit for 55“-Paketes für besseren Klimaschutz bei.

Radfahren in Deutschland immer noch rar

Und gerade die Deutschen haben in Sachen Radfahren mächtig Nachholbedarf. Denn laut einer Auswertung der Umweltorganisation Greenpeace investiert München jährlich nur 2,30 Euro pro Kopf in den Radverkehr, Köln 2,80 Euro, Hamburg 2,90, Berlin 4,70 Euro. In anderen europäischen Städten wie Kopenhagen dagegen sind es 35,60 Euro, in Oslo 70 Euro, in Utrecht sogar 132 Euro. Fast jede Fahrt wird dort inzwischen statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zurückgelegt.

Und das soll sich auch EU-weit ändern. Fahrradfahren schont das Klima – die Zahl der mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer in Europa soll bis 2030 auf 312 Milliarden Kilometer pro Jahr verdoppelt werden. Die Europaabgeordnete Karima Delli sagte: „Radfahren bringt so viele Vorteile mit sich: bessere Gesundheit, weniger Staus, lebenswertere Städte und so weiter. Bisher fehlte uns jedoch von den EU-Institutionen ein starkes Signal, das die zentrale Rolle des Radfahrens in unseren Gesellschaften anerkennt.“

Es gibt aber auch Hürden

Gleichzeitig verweisen die EU-Abgeordneten auf Hindernisse, die zum Problem werden könnten. So herrsche ein Mangel an gesicherten Abstellplätzen und Radwegen, es brauche auch mehr Synergien mit anderen Verkehrsträgern wie der Bahn. Dazu gehören auch mehr Abstellplätze in Zügen oder sicherere Parkmöglichkeiten an Haltestellen des ÖPNVs.

Neben der Ausrufung eines „Europäischen Jahrs des Fahrrads 2024“ sollen mit dem EU-Fahrradplan außerdem die Mehrwertsteuersätze für den Kauf, den Verleih und die Reparatur von Fahrrädern und E-Bikes gesenkt werden.



16.02.2023  |  VON KATRIN PRIBYL WIRTSCHAFT@SUEDKURIER.DE  hier

Frans Timmermans ist nicht nur ein Sozialdemokrat fürs Grüne, sondern auch Niederländer und damit praktisch auf dem Radsattel geboren worden. Deshalb wird der Vizepräsident der EU-Kommission auch als natürlicher Verbündeter all jener Abgeordneten betrachtet, die von der Brüsseler Behörde fordern, erstmals eine europäische Fahrradstrategie zu entwickeln und das Verkehrsmittel in Gesetzgebungsprozesse sowie bei der Vergabe von Geldern zu berücksichtigen. 

Das EU-Parlament will über eine entsprechende Resolution abstimmen. Das Ziel: den Fahrradsektor als Teil der Mobilitätswende in den Mittelpunkt zu stellen und die Zahl der mit dem Velo zurückgelegten Kilometer in Europa bis 2030 auf 312 Milliarden Kilometer pro Jahr zu verdoppeln.

Die Vorteile liegen für die EU-Parlamentarier auf der Hand: gesündere Menschen, weniger Staus und Lärmbelästigung, bessere Luftqualität, Schutz der Artenvielfalt. Gleichzeitig verweisen die Abgeordneten auf die aktuellen Hindernisse. So herrsche ein Mangel an gesicherten Abstellplätzen und Radwegen, aber auch an unzureichenden Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen. Es brauche, wie es in der Resolution heißt, mehr Synergien mit anderen Verkehrsträgern wie der Bahn, etwa mehr Abstellplätze in Zügen oder sicherere Parkmöglichkeiten an Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs. Zu den Forderungen gehört neben der Ausrufung eines „Europäischen Jahres des Fahrrads 2024“ zudem, die Mehrwertsteuersätze für den Kauf, den Verleih und die Reparatur von Fahrrädern und E-Bikes zu senken.

Vize-Kommissionspräsident Timmermans dürfte weitestgehend auf der Seite der Volksvertreter stehen. „Alles sollte, wo möglich, eine Fahrraddimension haben“, hatte er vergangenen Sommer gesagt. Die EU hatte in den vergangenen Jahren vor allem die Auto- und Wasserstraßen sowie den Schienen- und Flugverkehr im Blick bei ihren verkehrs- und transportpolitischen Entscheidungen im Rahmen des Green Deals. Mit diesem will die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt werden. Das Fahrrad soll seinen Beitrag leisten, doch dafür benötige es „dringend europäische Koordination sowie die nötigen Investitionen“, sagt die Grünen-Politikerin Anna Deparnay-Grunenberg. Die Hälfte der mit dem Pkw gefahrenen Strecken in Europa seien kürzer als fünf Kilometer. „Allein daran wird deutlich, dass auch das Fahrrad die Verkehrswende deutlich voranbringen kann.“

Die Unterschiede zwischen den 27 Mitgliedstaaten und vor allem den einzelnen Städten sind dabei groß. Einer 2020 veröffentlichten Eurobarometer-Studie zufolge schwingen sich die Niederländer am häufigsten auf den Sattel, gefolgt von den Schweden. Das dürfte auch an den Bedingungen liegen. Als Leuchtturm versteht sich neuerdings Paris, wo man vor ein paar Jahren aufs Rad gekommen ist. Die französische Metropole will etwa bis 2026 insgesamt 250 Millionen Euro für neue Fahrradwege ausgeben und 100 000 sichere Parkplätze im Stadtzentrum schaffen.

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