Donnerstag, 23. Februar 2023

Nachhaltigkeit im Gebäudesektor: Woran die grüne Transformation noch scheitert

 Focus hier  FOCUS-online-Experte Manfred Simmet  Dienstag, 21.02.2023

Kaum ein Bereich ist für den Kampf gegen den Klimawandel so entscheidend wie der Gebäudesektor. Doch auf dem Weg zur Klimaneutralität gibt es hier noch viel zu tun. Das liegt auch daran, dass die Politik nicht entschlossen genug vorgeht, glaubt Manfred Simmet, Deutschlandchef des Gebäudedienstleisters Caverion. Ein Gastbeitrag.

Schlecht sanierte Gewerbekomplexe, energieintensive Liegenschaften oder mangelhaft gedämmte Eigenheime: Der Gebäudesektor nimmt für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft in Deutschland und Europa eine zentrale Rolle ein. Die ökologische Zeitenwende baut dabei auf zwei Säulen auf: Zum einen müssen fossile Energieträger durch Regenerative ersetzt werden. Zum anderen erfordert es einen energieeffizienten Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen. Nur in Kombination dieser beiden Komponenten kann sich der Markt auf der richtigen Seite sehen.

Immobilien in Deutschland: Vor allem Gas, Öl und Kohle

35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO-Emissionen des gesamten Landes: Deutschlands Gebäudesektor spielt nach den Zahlen des Umweltbundesamtes eine maßgebliche Rolle für das Reüssieren (oder auch Scheitern) der Energiewende. Nur wenn es gelingt, den Gebäudesektor heraus aus dem Schatten des politischen Interesses und hinein in den Fokus zu rücken, wird auch die so wichtige Klimawende bis Mitte dieses Jahrhunderts ein Erfolg.

Aktuelle Zahlen legen dabei die Dimensionen auf, mit denen das Marktumfeld zu kämpfen hat: Bei der Verteilung der Energieträger für die Raumwärme in den sogenannten Nichtwohngebäuden (Büro- und Verwaltungsgebäude, Fabrikgebäude, Hotels usw.) beträgt der Anteil der fossilen Energieträger mit Gas 53 Prozent, Öl 22 Prozent und 1 Prozent Kohle - zusammen gut und gerne also fast 80 Prozent. Nur 15 Prozent der traditionell gewerblichen Immobilien werden mit Erneuerbaren betrieben. Diese Tendenz ist zwar in Richtung der grünen Energien enorm steigend, demonstriert allerdings genauso, wie groß die Nachfrage nach Regenerativen ist.

Einen Vorteil hat die Krise

Der Gebäudebereich bietet große Energieeinsparpotenziale. Fast zwei von drei Wohngebäuden in Deutschland wurden noch vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1979 errichtet. Die Effizienzpotenziale bei älteren Häusern sind also besonders hoch. Diese verbrauchen bis zu fünf Mal mehr Energie als nach 2001 errichtete Neubauten, die einen Energieverbrauch von durchschnittlich rund 85 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a) aufweisen, rechnet die Energieagentur Dena vor.

Bis 2050 soll der Primärenergiebedarf laut Bundesregierung um 80 Prozent reduziert werden, der Gebäudebestand nahezu klimaneutral sein. Dafür ist es unabdingbar, die energetische Gebäudesanierungsrate von derzeit etwa ein auf mindestens zwei Prozent zu verdoppeln, mahnt die Dena zurecht.

Die gestiegenen Energie- und Stromkosten als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ab Februar 2022 sowie die sich dramatisch verschärfenden Folgen des Klimawandels verstärken die Notwendigkeit, jetzt zügig zu handeln. Ein Gutes hat die dramatische wirtschaftliche Entwicklung: Die Menschen merken in ihren Abrechnungen und Portemonnaies, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Die Zeiten der dauerhaft günstigen Energie sind ein- für allemal vorbei, Effizienz und Einsparungen damit das Gebot der nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Lange Wartezeiten und geringe Renditen führen zum Stillstand

Doch in der Praxis stoßen sanierungswillige Bürgerinnen und Bürger auf schier unüberwindliche Hindernisse: Die Wartezeiten für Handwerksfirmen und Material erinnert an längst vergessene Krisenverhältnisse der Vergangenheit. Die parallel hohen Kosten und der damit zusammenhängende geringe Return on Investment verstärken die vorhandenen Vorbehalte auf der Seite privater und gewerblicher Immobilieninvestoren und -investorinnen.

Hinzu kommt: Viele Immobilienunternehmen berichten in jüngster Zeit über schlechte Erfahrungen mit großen Consultern sowie selbstständigen Energieberatern auf Stundenbasis. Es scheint, dass die Aussicht auf Sanierungsmandate viele Unkundige und manch Schwarzes Schaf auf den Markt gespült hat. Vor allem über grüne Technologien und ihre Chancen reden viele – doch nur wenige Fachleute scheinen in der Lage, größere Immobilienunternehmen hier fach- und sachgerecht beraten zu können.

Unverständlicher Fokus auf Wind und Solar

Zumal die beste Beratung wenig bringt, wenn es nicht genug Fachkräfte gibt, die sich mit effizienter und nachhaltiger Gebäudetechnik auskennen. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die so dringend notwendige Energie- und Wärmewende am Engpassfaktor Fachkräfte scheitert. Immerhin stimmt mich zuversichtlich, dass viele Entscheider auf staatlicher Ebene dieses Problem erkannt haben und entsprechende Gegeninitiativen gestartet sind.

Doch neben dem Bohren dicker Bretter für das Gelingen der Energie- und Wärmewende gibt es auch viele Stellschrauben, die schnell im Gebäudebereich gedreht werden können. Dazu gehören die Anpassung der Hydraulik, die Installation neuer Gebäudeleittechnik, die Absenkung der Systemtemperaturen oder die Erneuerung der Pumpentechnik.

Doch die entscheidende Stellschraube scheint derzeit, um im Bild zu bleiben, wieder zu verkanten. Da aktuell die Preise für fossile Energieträger, allen voran das Gas, wieder sinken, ist die Integration der Regenerativen ins Stocken geraten. Populäre alternative Energiequellen wie Wind- und Solarkraft liefern leider nur schwankende Energie – ein Problem, dass trotz der massiven Ausbaupläne gerade für die Windkraft in Deutschland nicht auf die Schnelle gelöst werden kann. (Das Problem sind in erster Linie die noch fehlenden Leitungen nach Süden  z.B. hier)

Gerade vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die Politik so einseitig auf Wind- und Solarkraft setzt. Einige regenerative Energiequellen wie die Geothermie, die stabil und zuverlässig an 365 Tagen bereitstehen könnte, fristet leider in der Praxis noch ein stiefmütterliches Dasein. Das muss sich ändern. (es ist durchaus bekannt, dass es eine Wärmewende geben muss  hier)

Die Politik liegt richtig, ist aber zu mutlos

Mit den jüngsten Gesetzesinitiativen wie der neuen Förderrichtlinie zur Bundesförderung effizienter Gebäude (BEG) und dem geplanten Energieeffizienzgesetz schraubt der Staat an den richtigen Stellschrauben. Der Paradigmenwechsel ist damit angestoßen und wird die Immobilienwirtschaft nachhaltig verändern. Doch bei all diesen Verordnungen und Vorschriften könnte die Messlatte mit Blick auf den Klimawandel noch höher gehängt werden. Die Forderungen könnten ambitionierter und konkreter sein. Auch bei der Frage von Sanktionen im Fall von Nichterfüllung wünscht man sich mehr Mut und Durchsetzungswillen, ohne auf das Gießkannenprinzip zu setzen.

Vor allem ist die Politik hier zu wenig angebotsgetrieben. Sie setzt schlichtweg zu wenig Anreize, damit die Kosten für regenerative Energien schneller gesenkt werden können. Das ist der entscheidende Punkt, an dem sich der Erfolg der Wende im Immobiliensektor entscheiden wird. Leider kommt er in der derzeitigen öffentlichen Diskussion noch zu kurz.


Über den Experten

Manfred Simmet ist Executive Vice President für Österreich und Deutschland bei Caverion, einem Anbieter für technische Gebäudeausrüstung und Energiedienstleistungen.

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