hier im Handelsblatt Daniel Delhaes 24.07.2023
Ein Regierungsbericht zeigt, dass Deutschland nicht bis 2045 klimaneutral wirtschaften wird. Deutschlandticket und Bahnfahren helfen kaum – das Problem fährt auf der Straße.Vor allem der Verkehrssektor stößt so viele Treibhausgase aus, dass Deutschland seine Klimaziele möglicherweise nicht erreicht. Quelle: dpa
Berlin Deutschland wird seine Klimaziele laut einer Projektion der Bundesregierung weder 2030 noch 2045 erreichen. Das geht aus dem Projektionsbericht hervor, den die Ministerien gerade abstimmen und den die Bundesregierung danach der EU-Kommission übermitteln wird. Der Bericht liegt dem Handelsblatt vor.
Demnach entstehen neben dem Verkehrssektor in der Industrie und beim Heizen zu viele Emissionen. Deswegen wird laut Projektionsbericht „das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 (…) deutlich verfehlt“.
Die Bundesregierung muss alle zwei Jahre einen entsprechenden Bericht verfassen. Darin analysiert ein Forscherteam um das Öko-Institut und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, ob die von der Regierung geplanten und beschlossenen Maßnahmen helfen, Emissionen einzusparen.
Das größte Problem bleibt der Verkehrssektor, der bis 2030 rund 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu viel ausstoßen wird – ungefähr so viel, wie Autos, Lastwagen, Busse, Bahnen und Flugzeuge aktuell in 15 Monaten produzieren.
Hier ist entscheidend, dass der Verkehr bis 2050 deutlich zunehmen wird. Zugleich aber wird Deutschland laut Bericht nicht wie geplant der führende Markt für Elektromobilität: Statt der angestrebten 15 Millionen E-Autos werden bis 2030 allenfalls 8,2 Millionen auf den Straßen fahren, erwarten die Forscher. Ein Grund sei, dass erst ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden dürfen.
Erst danach werde die Elektrifizierung Fahrt aufnehmen, sodass 2050 „bis auf sehr wenige Brennstoffzellenfahrzeuge ausschließlich batteriebetriebene Elektroautos neu zugelassen“ werden. Statt der heute noch 47 Millionen Benziner und Diesel auf deutschen Straßen rechnen die Experten dann nur noch mit gut fünf Millionen Verbrennern.
Forderung nach neuer Kaufprämie wird laut
Fraglich ist, mit welchen neuen Maßnahmen die Bundesregierung reagieren will. Während laut Bericht das geplante Heizungsgesetz helfen wird, mit dem Umstieg auf Wärmepumpen, Fernwärme und Biomasse die Klimaziele im Gebäudebereich 2030 „beinahe“ zu erreichen, fehlt die Perspektive im Verkehr.
So bewirke etwa das „Deutschlandticket“ im Nahverkehr, das Bund und Länder mit drei Milliarden Euro fördern, „nur unwesentliche Änderungen“ bei der möglichen Anschaffung eines Autos, wie es in dem Bericht heißt. Der Klimaeffekt sei mit deutlich weniger als einer Million Tonnen im Jahr gering.
Bedeutsamer ist da die Elektrifizierung des Autoverkehrs. SPD, FDP und Grüne lehnen es aber ab, den Kauf von E-Autos noch lange zu subventionieren. Das Wirtschaftsministerium hatte vergangene Woche angesichts der bereits einsetzenden Absatzkrise lediglich angekündigt, die Mittel für die seit 2023 gekürzte Kaufprämie noch einmal aufzustocken. Spätestens 2025 aber soll Schluss sein.
Kritik kommt vom Bundesverband eMobilität, der die Bundesregierung auffordert, staatliche Hilfen für Verbrenner zu streichen. „Wer den Benzin- und Dieselfahrzeugen die Steuervorteile nimmt und sie konsequent mit einer CO2-Steuer belegt, hat genügend Budget, um damit eine Kaufprämie auf alle elektrisch betriebenen Fahrzeuge auszureichen und den deutschen Herstellern die absolut notwendigen Hinweise für eine klimapolitisch gewünschte Produktpalette zu geben“, sagte Vorstand Markus Emmert.
Der Verkehr wächst und wächst
Für Lastwagen hat die Regierung die Kaufprämie bereits bis 2028 verlängert. Gerade Schwerlaster auf der Fernstrecke sind für einen Großteil der Emissionen verantwortlich. Von ihnen aber werde frühestens 2030 eine erwähnenswerte Zahl mit Elektroantrieben fahren, heißt es im Bericht.
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Klimaneutralität ist der insgesamt wachsende Verkehr. Laut Bericht werden Lastwagen bis 2050 deutlich mehr Strecke im Jahr zurücklegen als heute. Auch mit dem Auto werden die Menschen mehr fahren als derzeit. Eisenbahnen werden rund zehn Prozent mehr Menschen transportieren.
Im öffentlichen Nahverkehr hingegen halbiere sich die Zahl der Kilometer bezogen auf die transportierten Personen. Die Experten erklären dies so: Je mehr E-Autos auf dem Markt sein werden, desto günstiger wird es wieder, mit dem Auto zu fahren. Deshalb werden die Menschen dann wieder weniger den Bus und die Bahn nutzen.
Die Regierung hatte sich eigentlich das Ziel gesetzt, den Anteil des Bahnverkehrs am deutschen Mobilitätsmix deutlich zu steigern. Deshalb will sie Milliarden extra ins Schienennetz investieren. Den größten Klimaeffekt sehen die Experten darin, Kohlendioxid einen klaren Preis zu geben und Fahrzeuge mit klimaneutralen Antrieben steuerlich zu bevorzugen.
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