Frankfurter Rundschau hier 03.07.2023, Von: Joachim Wille
Das neue Gesetz der Ampelkoalition ist ein Beispiel misslungener Regierungskunst bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen. Eine Analyse.
Wenn es überhaupt je einen „Heizhammer“ gab, jetzt ist klar: Aus dem Instrument der Ampel-Koalition ist ein Hämmerchen geworden, das eher in die Spielzeugkiste gehört als in den Werkzeugkasten.
Das neue Gebäudeenergiegesetz von SPD, Grünen und FDP, das diese Woche im Bundestag beschlossen werden soll, verschiebt den konzentrierten Start der Wärmewende erneut um Jahre. Man kann nur hoffen, dass die in den vergangenen Monaten heißgelaufene Debatte über das Thema „Wie muss in Zukunft geheizt werden?“ viele Hausbesitzerinnen und -besitzer dazu bringt, auch ohne bessere Vorgaben die richtigen Entscheidungen für klimafreundliche Lösungen zu treffen.
Das Thema anzugehen, war längst überfällig. Die bisherigen Bundesregierungen haben den Klimaschutz und, wie jeder und jede spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs weiß, auch die Energiesicherheit im Gebäudesektor sträflich vernachlässigt.
Insofern ist es gut, dass die Ampel das heiße Eisen überhaupt angepackt hat. Doch die Umsetzung der Pläne zum Ersatz der CO₂-Schleudern in den Kellern der Republik hätte schlechter nicht laufen können. Es ist ein Beispiel misslungener Regierungskunst bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen, das die Bundesregierung und die sie tragenden Koalition da abgeliefert haben.Von Habecks Ansatz beim Heizungsgesetz ist wenig übriggeblieben
Hauseigentümer:innen, die Angst vor Neuerungen haben, können aufatmen. Denn: Vorerst bleibt alles beim Alten. Zuerst müssen die Kommunen Pläne für eine klimafreundliche Wärmeerzeugung erarbeiten, dafür ist in Großstädten Zeit bis 2026, ansonsten sogar bis 2028. Erst dann gilt im Gebäudebestand die Pflicht, dass neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen müssen – wenn nicht ohnehin Wärmenetze vorhanden sind oder gebaut werden sollen. Das kann mit Strom per Wärmepumpe, Pellets und, theoretisch, auch mit Biogas oder Wasserstoff erfüllt werden. Diese Vorgabe soll, anders als ursprünglich von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplant, nur in Neubaugebieten bereits von 2024 an gelten. Das freilich verstärkt dort allenfalls den bestehenden Trend; in modernen Gebäuden mit gutem Energiestandard werden sowieso bereits heute meist effiziente Wärmepumpen installiert.
Von Habecks Ansatz, auch die Bestandsgebäude möglichst schnell umzurüsten, ist wenig übriggeblieben. Ja, teilweise wird sogar die bestehende, von der letzten Merkel-Groko eingeführte Rechtslage gelockert. So ist neben dem Einbau von Gasheizungen unter bestimmten Bedingungen sogar der von neuen Ölheizungen erlaubt. Dabei kommt es gerade auf den Altbau-Bestand an, dessen Beheizung modernisiert werden muss, wenn die Klimaziele erreichbar bleiben sollen. Die auf Druck der FDP ins Gesetz gekommenen Optionen für Gas und Öl aber sind unrealistisch. Vor wenigen Tagen erst hat ein Verbund von acht großen Stadtwerken, darunter die von München, davor gewarnt, dass die dafür benötigten Mengen an Biogas und Wasserstoff nicht zur Verfügung stehen werden. Bei „grünem“ Heizöl sieht es genauso aus.
Entschleunigung der Wärmewende schadet dem Technologie-Standort Deutschland
Das FDP-Mantra der „Technologieoffenheit“, das nun von der ganzen Ampel mitgebetet wird, ist gleich doppelt fatal. Erstens droht es für viele Menschen, die davon eingelullt werden und bis 2026/28 noch neue Gas- und Ölheizungen einbauen, zur Kostenfalle zu werden. Der Grund: Sie werden künftig entweder viel Geld für steigende CO₂-Aufschläge auf Erdgas und Heizöl, für teuren Wasserstoff oder „klimaneutrales“ Öl ausgeben müssen. Man kann nur hoffen, dass die Beratung, die die Ampel Hausbesitzer:innen zu den Folgen einer solchen Entscheidung angedeihen lassen will, solche Fehlentscheidungen verhindert.
Zweitens schadet die von den Lindner-Liberalen durchgesetzte Entschleunigung der Wärmewende dem Technologie-Standort „D“. Die deutsche Heizungsindustrie ist wegen der jahrzehntelangen Konzentration aufs Erdgas gegenüber der ausländischen Konkurrenz ohnehin im Hintertreffen, die viel früher auf die Wärmepumpe gesetzt hat. Das neue Gesetz sei „Gift für unsere Branche“, warnte denn jetzt auch der Verband, der die hiesigen Hersteller dieser Anlagen vertritt. Damit droht Deutschland, den Anschluss zu verpassen – ähnlich wie bei der Autoindustrie, die zu lange am Verbrenner festhielt. Im vorigen Jahr sind hierzulande noch 600.000 neue Erdgasheizungen eingebaut worden. Wenn diese Zahl wegen der beschworenen Technologieoffenheit nicht schnell sinkt, bedeutet das eine unnötige Hypothek für den Klimaschutz. Diese Anlagen haben eine Lebensdauer von rund 25 Jahren.
Heizungsgesetz: In einem Fall hat die Ampel gut gearbeitet
Man kann die Hoffnung haben, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommt. Das wäre dann der Einsicht der Hausbesitzer:innen geschuldet, die ihre Immobilien zukunftsfest machen wollen – Klimaneutralität auch in diesem Bereich muss ja bereits 2045, in gut zwei Jahrzehnten, erreicht sein. Es läge aber auch an den Fördermitteln, auf die sich die Ampel jetzt geeinigt hat. Hohe Zuschüsse auf die Investitionskosten von bis zu 70 Prozent dürften in den meisten Fällen dazu führen, dass auch ärmere Haushalte sich dem Umstieg auf Wärmepumpe oder Pelletsheizung leisten können. Hier, so muss man attestieren, hat die Ampel gut gearbeitet. Das entschärft die soziale Schieflage des Projekts ebenso wie die Regelung für den Heizungstausch bei vermieteten Wohnungen oder Häusern. Die Mieten dürfen maximal um 50 Cent pro Quadratmeter steigen und es soll Härtefallregelungen geben.
Die Union indes beschwert sich lautstark und völlig zu Recht darüber, dass die Ampel ihr Heizungsprojekt nach monatelangem internen Hickhack nun übers Knie bricht. Die Koalition will das Thema vor der Sommerpause abhaken und aus den nächsten Landtagswahlkämpfen in Bayern und Hessen im Oktober heraushalten. Gerade ein Wochenende Zeit bekamen die Abgeordneten und Expert:innen zur Bewertung von 111 Seiten Änderungsanträgen der Ampel zum Heizungsgesetz bis zur heutigen Anhörung im Klimaausschuss. Das ist unwürdig. Freilich, CDU und CSU sollten den Mund nicht gar zu voll nehmen. Sie haben, als sie Regierungsverantwortung trugen, das Thema Klimaschutz beim Wohnen verschleppt – und zwar 16 Jahre lang. Dass es damit nun wirklich eng wird, liegt vor allem an ihnen. (Joachim Wille)
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