Schwäbische Zeitung hier 15.9.23 Philipp Richter
Nach der Genehmigung des Regionalplans durch die Landesregierung bleibt der Protest laut. Jetzt könnten juristische Mittel zum Einsatz kommen.
Der Widerstand gegen den vergangene Woche genehmigten Regionalplan für die Region Bodensee–Oberschwaben hält weiter an. Auch Klagen gegen das Werk, das Planungsgrundlage für die Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und den Bodenseekreis ist, stehen weiterhin im Raum. Ob es soweit kommt, ist allerdings noch nicht sicher. Zentraler Kritikpunkt im Kreis Ravensburg bleibt der umstrittene Kiesabbau im Altdorfer Wald.
Vor allem die Regionalplan–Initiative machte jüngst in einer Pressemitteilung ihren Unmut laut. Die Initiative vertritt eigenen Angaben nach etwa 40 Gruppen aus den Bereichen Umwelt– und Naturschutz, Fridays–, Parents– und Scientists–For–Future, das Klimacamp Ravensburg, landwirtschaftliche Verbände, die Katholische Arbeitnehmerbewegung KAB, Verkehrswende–Gruppen und lokale Initiativen.Kritik: Flächenfraß und Ressourcenverbrauch
Die Gruppierung sieht bei dem neuen Regionalplan die Klimaziele verfehlt, bemängelt Flächenfraß bei Industrie– und Baugebieten sowie einen zu hohen Ressourcenverbrauch. So begleiteten Demos, Unterschriftensammlungen und Petitionen die Erstellung des Regionalplans. Auf die „Petition für einen zukunftsfähigen Regionalplan“ wurde im Juli auch die Antwort vom Petitionsausschuss veröffentlicht.
In der Drucksache 17/5028 des Landtags von Baden–Württemberg wird das Thema aufgearbeitet. In Bezug auf den Klimaschutz heißt es darin: „Dabei kommt dem Klimaschutz grundsätzlich kein Vorrang vor den anderen Belangen zu, die im konkreten Planungsfall ebenfalls Berücksichtigung finden müssen.“ Zudem seien die CO2–Einsparungsziele nicht auf Regionen herunterzubrechen. „Deutlicher kann eine Landesregierung das Recht nachfolgender Generationen auf eine lebenswerte Zukunft nicht verweigern“, sagt Barbara Herzig von der Regionalplan–Initiative.
BUND: Flächenverbrauch halbieren
Der BUND sieht in seinen Bemühungen einen Teilerfolg, dass die vier interkommunalen Gewerbeflächen in Friedrichshafen, Pfullendorf, Kißlegg und Leutkirch und der geplante Kalksteinabbau im Donautal herausgenommen wurden. Dennoch sagt Ulfried Miller, BUND–Geschäftsführer in Ravensburg: „Es wird ignoriert, dass wir in diesem Zeitraum den Flächenverbrauch in unserer Region von über 2500 Hektar auf etwa 1250 Hektar halbieren müssen, um die Nachhaltigkeitsziele des Landes und Bundes einzuhalten.“
Mehr Fläche und mehr Bauen bedeuten auch einen höheren Bedarf an Baurohstoffen wie etwa Kies. Vor allem der Verein Natur– und Kulturlandschaft Altdorfer Wald kritisierte einen zu hohen Rohstoffabbau, der sich an der Bevölkerungsprognose sowie den Gewerbe– und Baugebiete bemisst. Dazu heißt es in der Drucksache, dass die Abbaumengen im neuen Regionalplan von bis zu elf Tonnen pro Jahr auf neun Tonnen bereits reduziert worden seien. Zudem mache der Rohstoffabbau im Altdorfer Wald nur 0,4 Prozent der Fläche aus.
Absage an Umweltabgabe
Einer aus der Region Bodensee–Oberschwaben geforderten Umweltabgabe auf Kies nach Vorarlberger Vorbild stehen die Ministerien kritisch gegenüber. Wörtlich heißt es: „Ob Rohstoffexporte durch eine Verknappung [...] oder einen Preisanstieg tatsächlich eingedämmt beziehungsweise verhindert werden können, ist jedoch fraglich.“ Dies könnte auch als Absage interpretiert werden.
Der BUND Baden–Württemberg hat nach wie vor „erhebliche Bedenken“ und bezieht sich dabei auf sein Rechtsgutachten. „Wir werden die Plangenehmigung deshalb genau prüfen lassen“, so Ulfried Miller.
Baienfurt berät sich mit Anwalt
Auch im Schussental will man den Regionalplan genau prüfen lassen. „Wir werden uns mit unserem Gutachter Hermann Schad und unserem Anwalt Reinhard Heer gründlich beraten“, sagt Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder, der auch Vorsitzender des Zweckverbandes Wasserversorgung Baienfurt–Baindt ist. Beide Gemeinden beziehen ihr Trinkwasser aus der Quelle Weißenbronnen in der Nähe des umstrittenen Kiesabbaus bei Grund und wehren sich gegen die neue Grube, weil sie befürchten, dass dies Einfluss auf den Trinkwasserspeicher haben könnte.
Man wolle das Thema auf jeden Fall sachlich und juristisch genau prüfen, so Binder. Auch mit dem BUND wolle Binder noch Kontakt aufnehmen. Es sei nicht auszuschließen, dass Abwägungsfehler passiert sind und dass es Erfolgsaussichten bei einer Klage gibt. Ob man dann wirklich so weit gehe, könne heute noch nicht beurteilt werden. Aber man müsse es in Erwägung ziehen. Darüber wolle er mit dem Gemeinderat beraten. Am 19. September tagt das Baienfurter Gremium wieder. Auch die Nachbargemeinde Baindt müsse darüber noch beraten.
Einen Monat Zeit für die Klage
Laut Binder werde der Regionalplan erst mit der Veröffentlichung rechtskräftig, und dies sei noch nicht geschehen. Dann habe man einen Monat Zeit, Klage beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einzulegen. Dort würde dann ein sogenanntes Normenkontrollverfahren gestartet.
Ob die Gemeinde Vogt bereit für eine Klage ist, ist noch nicht klar. Bürgermeister Peter Smigoc dazu: „Ob und falls ja, in welcher Form wir etwas machen, entscheidet der Gemeinderat.“
Kritik von Grünen und ÖDP
Die Fraktion aus Grünen und ÖDP in der Regionalversammlung lehnt in einer Stellungnahme den Regionalplan weiterhin ab. Sie kritisiert: „Unser Ziel ist es, der Sicherung der Trinkwasserressourcen, dem Hochwasserschutz, dem Stopp des Moorabbaus und dem teilweisen Stopp von Neuaufschlüssen bei oberflächennahen Rohstoffen eine weitaus höhere Priorität als bisher einzuräumen.“ Konsequent wäre, die anvisierte Menge an Kiesabbau um die entfallenen 120 Hektar Bebauung zu reduzieren. Und weiter: „Mit Blick in die Zukunft halten wir die bisher gefällten Entscheidungen für fatal und werden aus diesem Grund auch nicht den Beitrittbeschluss fassen.“
Die Waldbesetzer im Altdorfer Wald wollen trotz der Genehmigung des Regionalplans in ihrem Baumhauscamp bleiben. In einer Stellungnahme aus der Besetzung heißt es: „Die Landespolitik beweist einmal mehr, dass wir die Sicherung unserer Zukunft selbst in die Hand nehmen müssen [...]. Um unsere Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen zu erhalten, ist mehr denn je außerparlamentarischer Druck von der Zivilgesellschaft notwendig.“
Werner von Kreit spricht von Rechtsbruch
Bruno Werner von Kreit aus Mosisgreut (Vogt) ist nach wie vor der Meinung, dass ein Kiesabbau in Grund mit Zulieferung in das Kieswerk mit Asphaltmischanlage in Grenis unzulässig ist. Er schreibt: „Die Perspektive eines 35 bis 45 Jahre andauernden Kiesabbaus bei Vogt im Altdorfer Wald für einen Unternehmer rechtfertigt nicht, einen faktischen Vertrauens– und Rechtsbruch in Bezug auf die befristeten Genehmigungen in Grenis billigend in Kauf zu nehmen — mit all seinen nachhaltigen Kollateralschäden für jetzige und nachfolgende Generationen.“
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