Der Aufruf des Papstes.( hier im Originalwortlaut)
Wir werden sehen inwieweit die Aussagen des Kirchenoberhauptes beachtet werden, insbesondere die große Partei mit dem C im Namen sollte sich doch daran messen. Es scheint mit den Aussagen des Parteichefs nicht besonders zu harmonieren.
Papst Franziskus drängt zum Handeln – auch in der Kirche hier
Die Zeit wird knapp. Acht Jahre nach der Umwelt-Enzyklika "Laudato si" richtet Papst Franziskus einen noch drängenderen Appell an die Weltöffentlichkeit, endlich angemessen auf die Klima-Krise zu reagieren.
Der Text mit dem Titel "Laudate Deum" ist ungewöhnlich: Wohl noch nie hat ein päpstliches Lehrschreiben so umfangreich naturwissenschaftliche Tatsachen geschildert. Kleinteilig buchstabiert der Papst aus, was die Klimaforschung in den letzten Jahren herausgefunden hat, in der Hoffnung, dass Tatsachen verfangen. Papst Franziskus hat sein Schreiben an alle Menschen guten Willens gerichtet. Die Formel, die erstmals von Papst Johannes XXIII. für seine Friedensenzyklika "Pacem in terris" (1963) verwendet wurde, ist in diesem Fall nicht ganz passend: Denn ausdrücklich adressiert der Papst auch an diejenigen, die gerade nicht guten Willens sind. Er spricht sie jedenfalls an: "In den vergangenen Jahren hat es nicht an Personen gefehlt, welche diese Beobachtung kleinreden wollten", schreibt er über Versuche, die Klimakrise "zu leugnen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren".
Das sind nicht nur konservative bis rechtsextreme Populisten in der Politik. "Ich sehe mich gezwungen, diese Klarstellungen, die offenkundig erscheinen mögen, aufgrund bestimmter abschätziger und wenig vernünftiger Meinungen vorzunehmen, die ich selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde", schreibt er. Franziskus nennt keine Namen. Man muss dazu nicht so weit gehen wie zum ehemaligen US-Nuntius Carlo Maria Viganò, der seit Jahren über eine Weltverschwörung phantasiert, zu der Maßnahmen gegen den Klimawandel gehören. 2021 stellte eine in der umweltwissenschaftlichen Fachzeitschrift "Environmental Research Letters" veröffentlichte Untersuchung fest, wie systematisch die US-amerikanischen Bischöfe "Laudato si" und die päpstlichen Appelle zum Klimaschutz ignoriert haben – wohl aufgrund einer einseitigen politischen Allianz. "Wir haben herausgefunden, dass der politische Konservatismus der katholischen Bischöfe in den USA mit dem Schweigen, der Leugnung und der verzerrten Darstellung der kirchlichen Lehren zum Klimawandel in ihren offiziellen diözesanen Veröffentlichungen zu Laudato Si' korreliert", stellten die Forscher nach einer Analyse von bischöflichen Verlautbarungen fest.
In der Kirche in Deutschland gibt es diese Positionen zum Glück kaum. Klimawandel-Leugner und -Kleinredner gibt es vor allem in den Parteien rechts der Mitte, im kirchlichen Diskurs in Deutschland beschränkt sich diese Spielart der Kultur des Todes auf reaktionäre Medien. Die deutschen Bischöfe sprechen sich seit Jahren klar für eine konsequente Klimapolitik aus, Bistümer und kirchliche Einrichtungen unternehmen Anstrengungen, selbst den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Schon kleine, individuelle Schritte sieht Franziskus dabei als hilfreich an. Eine Veränderung des individuellen Lebensstils mag keine unmittelbar quantitativ messbaren Erfolge mit sich bringen, räumt auch er ein. Helfen können solche kleinen Schritte auf dem Weg zu einem Kulturwandel, um "große Transformationsprozesse in Gang zu setzen, die aus der Tiefe der Gesellschaft heraus wirken".
"Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott"
Wie genau Papst Franziskus den Diskurs kennt, zeigen seine Analysen der Versuche, den Einsatz gegen die Klimakrise zu delegitimieren: "Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, 'Grünes', Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird.Geben wir endlich zu, dass es sich um ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem handelt."
Er stellt sich an die Seite von Aktivistinnen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer, die oft das Ziel von Spott und Herablassung sind. Franziskus erweist sich auch als der bessere Ökonom als vermeintlich bürgerliche Politiker, die nur kurzfristige Egoismen bedienen: Er spricht sich für Einschränkungen des Wohlstands und des Konsums jetzt aus, um dauerhaft die Existenzgrundlagen der Menschheit zu sichern. Dem Argument, dass Maßnahmen gegen die Klimakrise Arbeitsplätze gefährden würden, hält er die tatsächlichen Konsequenzen entgegen, wenn nur der Status quo bewahrt wird: "Tatsache ist, dass Millionen von Menschen aufgrund der verschiedenen Folgen des Klimawandels ihren Arbeitsplatz verlieren" – und zwar jetzt schon, und nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihre Lebensgrundlage und ihre Heimat.
Ungewöhnlich deutlich nennt der Papst auch Schuldige. Er distanziert sich davon, die Schuld bei den Armen zu suchen, die angeblich zu viele Kinder bekommen. Ein kleiner Prozentsatz der Reichsten verschmutze die Erde mehr als die ärmste Hälfte, stellt er fest: "Wie können wir vergessen, dass Afrika, wo mehr als die Hälfte der ärmsten Menschen der Welt leben, nur für einen winzigen Bruchteil der in der Geschichte angefallenen Emissionen verantwortlich ist?" Die USA greift er besonders heraus: Doppelt so hoch sind die Emissionen pro Person dort als in China, und siebenmal so hoch wie der Durchschnitt der ärmeren Länder. Wenn man das bedenke, "dann können wir bekräftigen, dass eine umfassende Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils, der mit dem westlichen Modell verbunden ist, eine bedeutende langfristige Wirkung hätte".
Papst Franziskus setzt auf die Kraft der Vernunft, um alle Menschen guten Willens zum Einsatz für eine lebenswerte Welt zu gewinnen – nicht zuletzt Bischöfe, andere Christen und sich aufs Christliche berufende Politiker, die bislang noch fragwürdige politische Allianzen und kurzfristige Besitzstandswahrung über das Gemeinwohl stellen. Das ist ein Wagnis: Verzichtspredigten sind aus der Mode gekommen. Aufrufe zur Umkehr sind unpopulär. Und dennoch sind sie nötig.
- „Mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht.“
- „Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leugnen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren, die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor.“
- „Die Wirklichkeit ist, dass ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten 50% der gesamten Weltbevölkerung.“
- „Der menschliche – anthropogene – Ursprung des Klimawandels kann nicht mehr bezweifelt werden.“
- „Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst, und nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird, vor allem wenn man bedenkt, in welcher Weise sie sich gerade jetzt ihrer bedient…“
- Es bleibt bedauerlich, dass man globale Krisen verstreichen lässt, wo sie doch die Chance bieten würden, heilsame Veränderungen herbeizuführen.“
- „Zu sagen, dass man sich (vom nächsten Klimagipfel in Dubai) nichts zu erwarten braucht, gliche einer Selbstverstümmelung, denn es würde bedeuten, die gesamte Menschheit, insbesondere die Ärmsten, den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auszusetzen.“
- „Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, ‚Grünes‘, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird.“
- „Es wird von uns nichts weiter verlangt als eine gewisse Verantwortung für das Erbe, das wir am Ende unseres Erdendaseins hinterlassen werden.“
- „Ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst.“
Spiegel hier 04.10.2023,
Papst über Klimakrise: »Die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt«
Papst Franziskus fordert in einem neuen apostolischen Schreiben eindringlich mehr Klimaschutz. In der Pflicht sieht er Politik und Wirtschaft.
Papst Franziskus hat in einem neuen Lehrschreiben einen dringlichen Einsatz gegen den Klimawandel angemahnt und mangelndes Handeln von Politik und Wirtschaft angeprangert. Die Erderwärmung sei eine der größten Herausforderungen für die Gesellschaft und die globale Gemeinschaft, heißt es in dem apostolischen Schreiben »Laudate Deum« (Lobet Gott). »Mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht«, schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche.
Die Situation werde immer dringlicher und die Sorge um das gemeinsame Haus immer größer, erklärte der Papst. Nötig sei daher ein Umdenken der Menschen und vor allem der Politik.
»Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott,
der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, ›Grünes‹, Romantisches darstellt,
das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird.«
Klare Absage an Klimaleugner
Franziskus erteilte Leugnern des Klimawandels eine klare Absage. Es fehle nicht an Menschen, die die Beobachtungen der Experten kleinredeten. Aber:
»Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leugnen,
zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren:
Die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor.«
Das nun publizierte Schreiben »Laudate Deum« ist als Aktualisierung der viel beachteten Umwelt-Enzyklika »Laudato Si'« aus dem Jahr 2015 zu verstehen. Eine Enzyklika ist eines der wichtigsten Lehrschreiben der katholischen Kirche. In »Laudato Si’« rief Franziskus zu einer »ökologischen Umkehr« und mehr Klimaschutz auf und prangerte Umweltzerstörung, soziale Ungerechtigkeiten und Konsumrausch an.
Der grüne Papst
Konkret fordert der 86-Jährige in seinem neuen Schreiben die internationale Politik zu einem neuen Multilateralismus auf. Der Klimawandel betreffe die ganze Welt – eine globale Zusammenarbeit sei nötig, die nicht von wechselnden politischen Umständen oder den Interessen einiger weniger abhänge. Auch die menschliche Macht sollte überdacht werden. Die Welt sei kein Objekt der Ausbeutung und ungezügelten Nutzung. Man müsse anerkennen, dass »unsere Macht und der Fortschritt, den wir erzeugen, sich gegen uns selbst richten«.
Eine praktische Maßnahme sei demnach der Übergang zu erneuerbaren Energieformen.
Bei der großen Energiewende sieht der Papst vor allem den Westen in der Pflicht. Eine umfassende Veränderung des unverantwortlichen Lebensstils, der mit dem westlichen Modell verbunden sei, hätte demnach eine bedeutende langfristige Wirkung. Denn in diesem Rahmen werden nach seinen Worten Millionen arme Menschen ausgebeutet, die unter dem Klimawandel am meisten litten.
Papst sieht Klimaaktivisten positiv
Der Umwelt- und Klimaschutz erfordere die Beteiligung aller, sagte der Papst.
»Niemand rettet sich allein«
sagte Franziskus weiter. Das Engagement von Klimaaktivisten sieht er dabei positiv. Sogenannte radikalisierte Gruppen zögen mit Aktionen die Aufmerksamkeit auf sich – damit füllten sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft, die einen gesunden »Druck« brauche:
»Es liegt an jeder Familie, zu bedenken,
dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.«
Süddeutsche Zeitung hier 4. Oktober 2023, Kommentar von Thomas Hummel
Klimakrise: Der grüne Papst
Papst Franziskus hat acht Jahre nach seiner ersten Enzyklika zum Thema Klima und Umwelt nun eine weitere verfasst - verbunden mit scharfer Kritik.
Franziskus fordert erneut entschiedenen Schutz der Umwelt. Das muss politischen Parteien zu denken geben, die sich auf christliche Werte berufen.
Wer die deutschen Debatten verfolgt, wer die Erdinger Demo zur "Heizungsideologie" gesehen und die teils heftigen Angriffe auf "die Klimakleber" gehört hat, der müsste eigentlich zu dem Schluss kommen: Für einen wachsenden Teil dieser Gesellschaft dürfte der Papst ein links-grün-verbohrter Umweltaktivist sein.
Papst Franziskus, mittlerweile 86, veröffentlichte bereits 2015 mit der Enzyklika "Laudato si'" eine der entschiedensten Umweltschriften unserer Zeit. Acht Jahre später fühlt er sich genötigt nachzulegen. Sein Apostolisches Schreiben "Laudate Deum" ist eine Warnung an den Menschen, seine technologische und wirtschaftliche Macht nicht dazu zu nutzen, alles auf der Erde zu nutzen, zu verändern - und am Ende nach Belieben zu zerstören. Es ist eine Kritik am Umgang mit Tieren, mit der Natur. Auch an einem Kapitalismus mit der "Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums", dem alles untergeordnet werde.
Die Position von Papst Franziskus verdient Respekt
Stattdessen erinnert Franziskus daran, worum es in dieser Zeit geht. Und das nicht ist wenig. Mit der zunehmenden Erderwärmung verändern sich die Lebensbedingungen aller Arten auf dem Planeten, viele Arten bedroht sie in ihrer Existenz. Das Weltengefüge als Ganzes ist in Gefahr. Das ist zwar wissenschaftlich belegt. Und wer sich nach der Hitze und Trockenheit in diesem September keine Sorgen darüber macht, wie das wohl in 20 oder 30 oder 50 Jahren aussieht, der ist schon sehr abgestumpft. Dennoch trauen sich immer weniger, das offen auszusprechen, die angebliche "Klimahysterie" geht den Leuten auf die Nerven.
Das ist einerseits verständlich, denn man kann und will sich nicht ständig Sorgen machen über ein Problem, das ein einzelner Mensch nicht lösen kann. Umso wichtiger ist der Standpunkt von einflussreichen Persönlichkeiten. Dass sich das Oberhaupt von weltweit 1,4 Milliarden Katholiken so deutlich positioniert, verdient bei allen Schwächen und Missständen der katholischen Kirche Respekt. Denn der Papst bezieht sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und legt sich an mit den Reichen und Mächtigen, die das Problem größtenteils verursachen. Beides war nicht immer die Stärke der katholischen Kirche. Auch die Anführer anderer Glaubensgemeinschaften schlagen sich gerne auf eine andere Seite, zu sehen bei der orthodoxen Kirche Russlands oder in den weit verbreiteten Verschwörungsmythen unter Evangelikalen in Nord- und Südamerika.
In Deutschland wird bisweilen übersehen, dass katholische wie evangelische Kirche entschiedene Maßnahmen gegen die Erderwärmung einfordern. Selbst zur Teilnahme bei Demonstrationen etwa von Fridays for Future rufen sie auf.
Das Schreiben des Papstes führt deshalb auch zu Fragen an die deutsche Politik: Wie kann es sein, dass die Position des Papstes in so wichtigen Fragen viel näher an der eher atheistischen, städtischen Klientel der Grünen liegt als etwa an der katholisch geprägten Landbevölkerung Bayerns? Wieso bezeichnen Vorsitzende der CDU und CSU die Grünen als Hauptgegner, während eine Leitfigur der christlichen Welt eindringlich mehr Umwelt- und Klimaschutz fordert? Sind sich hier zwei Milieus näher als viele in den Unionsparteien, aber auch bei den Grünen, wahrhaben wollen? Und die AfD sollte sich fragen, welches "christliche Abendland" sie eigentlich verteidigen will, wenn sie gleichzeitig im Bundestag beantragt, aus allen Klimaabkommen auszusteigen.
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