Ist es wirklich richtig, jetzt ausgerechnet auf Habeck ein zu prügeln?
Der hat ja viel zustande gebracht bei der Energiewende, er hat seinen Pflicht-Anteil in der Bundesregierung bei weitem übererfüllt und könnte nun mit dem Finger auf die Anderen zeigen - vermutlich müsste er das aus fachlicher Sicht sogar sehr deutlich tun.
Warum hat er nicht diesen vorgezeichneten Weg gewählt?
Was tun, wenn seine Partnerfraktionen mit aller Kraft einbremsen und gegen Klimaschutz steuern?
Was tun, wenn er ständig mit mutwillig voran getriebenen Phantom-Debatten belastet wird? (Atomkraft, Verbrenner-Aus, Heizungs-Aus....)
Was tun, wenn nicht mal einfachste Maßnahmen (Tempo-Limit) ernsthaft erwogen werden?
Teile der Koalitionspartner träumen schon von einfacheren Zeiten ohne die Grünen (außer der SPD Ministerin Svenja Schulzewahrscheinlich)Was tun, wenn vorherige Absprachen einfach gebrochen werden (Rückfahren von klimaschädlichen Subventionen)
Klimapolitisch hat keine andere Fraktion, schon gar nicht die Opposition in den vergangenen Jahren, etwas auf die Reihe gebracht, außer panischer Stimmungsmache, die sich bei CDU/CSU schon gar nicht mehr von der AFD-Stimmungsmache abgrenzt.
Natürlich ist der Vorwurf von Schönrechnerei trotzdem nicht akzeptabel.
Ich kann Habecks Verhalten in diesem Punkt wirklich nicht nachvollziehen.
Doch diese Verfehlung zeigt uns: Wenn die Grünen Klima-Hoffnungen politisch schon in der jetzigen Koalition scheitern, dann kann man nur noch auf den Erfolg von Klimaklagen setzen.
Man denke an die gewonnenen Klagen der DUH hier. Hoffen wir darauf!
Und diese Hoffnungen treffen nicht nur die Ampel, sondern auch jede potentielle Nachfolge-Fraktion.
Ob das die CDU, die so stolz auf ihr Haushaltsurteil ist, schon weiß? Ob das die FDP weiß?
Vermutlich setzen sie alle zusammen noch auf den Phantombegriff der "Technologieoffenheit" hier, dann müssen sie sich nicht mit langweiligen Fakten beschäftigen.
hier Klimareporter am 3.6.24 von Verena Kern
Deutschland wird seine Klimaziele für 2030 nicht erreichen, urteilt der Expertenrat für Klimafragen. Das unabhängige Gremium rückt damit die sehr optimistischen Annahmen des Bundeswirtschaftsministers zurecht.
Seit Wochen erzählt Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) vom "Erfolg des Klimaschutzes", zuletzt beim Demokratiefest Ende Mai in Berlin, bei dem 75 Jahre Grundgesetz gefeiert wurden.
Bei strahlendem Sonnenschein sprach Habeck beim Bürgerdialog über die riesige Klimalücke von 1.100 Millionen Tonnen CO2, die von der Vorgängerregierung hinterlassen und nun von der Ampel mehr als geschlossen worden sei. "Erstmalig sind wir auf Kurs und können die Klimaschutzziele 2030 einhalten", sagte der Vizekanzler. "Insofern ist eine Menge passiert."
Habeck stützt seine Erfolgsgeschichte auf die aktuelle Jahres-Klimabilanz des Umweltbundesamtes (UBA), die er selbst Mitte März vorgestellt hatte. Diese "Treibhausgas-Projektion 2024" fiel äußerst positiv aus. Nach den UBA-Berechnungen ist die Klimalücke nicht nur kleiner geworden, sondern hat sich in eine Übererfüllung verwandelt.
In den kommenden Jahren bis 2030 würde Deutschland demnach sogar fast 50 Millionen Tonnen CO2 weniger emittieren als nach den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes erlaubt, wonach die Emissionen am Ende, also 2030, um 65 Prozent unter denen von 1990 liegen müssen.
Doch das von Habeck gezeichnete Bild bekommt nun tiefe Kratzer. Der Expertenrat für Klimafragen hat das Zahlenwerk geprüft – und widerspricht dem Minister.
"Wir gehen im Gegenteil von einer Zielverfehlung aus"
Die von Habeck verkündete Zielerreichung kann das unabhängige Gremium nicht bestätigen. "Wir gehen im Gegenteil von einer Zielverfehlung aus", sagt der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning.
Laut dem Sondergutachten, das der unabhängige Expertenrat am Montag vorgelegt hat, werden die Gesamtemissionen bis 2030 zwar "substanziell sinken". Allerdings, betont Henning, "vermutlich weniger stark als in den Projektionsdaten ermittelt".
Mit anderen Worten: Die Bundesregierung unterschätzt die Emissionen, die in vielen Sektoren – vor allem bei Verkehr und Gebäuden – in den nächsten Jahren voraussichtlich anfallen werden. Deutschland ist demnach keineswegs auf Kurs.
Fachleute hatten bereits im März gewarnt, dass Habecks Annahmen zu optimistisch seien. Darauf verweist nun auch der Expertenrat. Denn in die Berechnungen des Umweltbundesamtes flossen nur Daten bis zum Oktober 2023 ein, und diese sind mittlerweile teilweise überholt.
Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts etwa erging erst danach, im November. Der Klima- und Transformationsfonds des Bundes verlor dadurch viele Milliarden, für wichtige Klimaschutzmaßnahmen fehlt nun das Geld.
Rats-Vize Brigitte Knopf nennt als Beispiel das Deutschlandticket. "Ihm wurde eine hohe Minderungsleistung zugeschrieben", erläutert sie, "doch jetzt ist die Finanzierung unsicher" – und damit auch die Annahme, dass viele Emissionen eingespart werden können.
"Für die Zeit nach 2030 fehlt eine langfristige Strategie"
Auch die Gaspreise dürften sich anders entwickeln als im Projektionsbericht des UBA angenommen, genauso die Preise im europäischen Emissionshandel. Dazu kommen laut Expertenrat "methodische Limitierungen", die ebenfalls zu Unterschätzungen führen.
Auch für die Zeit nach 2030 dämpft der Expertenrat die Erwartungen. Nach derzeitigem Stand, so das Fazit, wird Deutschland es nicht schaffen, bis zum Jahr 2045 auf netto null Emissionen zu kommen, auch nicht bis 2050. "Insgesamt", so sagt es Brigitte Knopf, "fehlt für die Zeit nach 2030 eine langfristige Strategie, wie das Ziel der Treibhausgasneutralität erreicht werden kann."
Eine solche Langfrist-Strategie mahnen nun Umweltorganisationen an. "Das Sondergutachten ist ein Weckruf an die Politik", sagt BUND-Chef Olaf Bandt. "Es rächt sich, dass die Bundesregierung bei ihrer Klimapolitik bislang so stark auf finanzielle Maßnahmen setzt. Jetzt fehlt das Geld, weil FDP und Kanzler auf Kaputtsparen statt auf Zukunft setzen."
Lutz Weischer von Germanwatch fordert eine Reform der Schuldenbremse. Die Maßnahmen des aktuellen Klimaschutzprogramms der Ampel seien "zu fast 50 Prozent Förderprogramme mit öffentlichem Geld. Wenn die Regierung es nicht schafft, die Finanzierung dieser Programme sicherzustellen, wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen."
Auch der Expertenrat mahnt zum Handeln. Das novellierte Klimaschutzgesetz – das aber noch nicht in Kraft ist – sieht zwar erst dann eine politische Nachsteuerung vor, wenn die Daten in zwei Jahren hintereinander eine Verfehlung der Klimaziele erwarten lassen.
"Doch es gibt immer noch eine Verpflichtung zu handeln", betont der Ratsvorsitzende Henning. "Wir empfehlen, dass die Bundesregierung nicht auf das abermalige Eintreten einer Zielverfehlung warten soll, sondern jetzt zusätzliche Maßnahmen prüft."
Durch die Novelle des Klimaschutzgesetzes sieht sich der Expertenrat indes gestärkt. "Vorher waren die Daten die Grundlage, nach dem neuen Gesetz ist es unsere Einschätzung und unsere Prüfung", erklärt Brigitte Knopf. "Das ist eine Stärkung unserer Rolle."
Laut neuem Gesetz kann das Gremium künftig selber Maßnahmen vorschlagen und mit Gutachten und Stellungnahmen auf mehr Tempo und Ehrgeiz beim Klimaschutz dringen.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Der Kampf um die klimapolitische Glaubwürdigkeit
Jörg Staude am 3.6.24 hier
Der Kampf um die klimapolitische Glaubwürdigkeit
Mit seiner Story, dank der Ampel-Politik sei die Lücke bei der CO2-Reduktion 2030 geschlossen, hat Wirtschaftsminister Habeck der Glaubwürdigkeit von Klimawissenschaft schwer geschadet. Der Expertenrat für Klimafragen hat diese jetzt wiederhergestellt. Nun ist die Politik wieder am Zuge.
15. März 2024: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellt die neuen Treibhausgas-Daten vor. Etwas "Ungewöhnliches" und "Gutes" habe er zu verkünden, warb Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck Mitte März bei Medien um Verständnis für die frühe Tageszeit. Denn zu acht Uhr hatte sein Ministerium die Presse geladen, damit Habeck selbst die "Treibhausgas-Projektion 2024" des Umweltbundesamtes (UBA) vorstellen konnte. UBA-Chef Dirk Messner konnte oder wollte dabei nur online assistieren.
Auf dass kein Berichterstatter womöglich das "Gute" übersehe, griff Habeck bald zu einer seiner beliebten Grafiken. In drei Säulen machte er auch den Klimaunkundigsten klar: Die Ampel und insbesondere ihr grüner Klimaminister haben es vollbracht.
Die riesige Lücke bei der CO2-Reduktion – mehrere hundert Millionen Tonnen groß und von der Groko hinterlassen – habe die Ampel nicht nur geschlossen, nein, sie werde das Klimaziel für 2030 sogar übererfüllen, sagten die drei breiten Säulen.
Die genauen Zahlen müsse man nicht kennen, erläuterte Habeck, die Grafik haltend und wissend, dass vielen Medienleuten seit jeher eingebläut wird: Die Story ist wichtig – und bloß keine Zahlen! Also sagte der Minister nur: Deutschland sei klimapolitisch auf Kurs und der Kurs müsse nun gehalten werden.
Tatsächlich war die Botschaft ungewöhnlich. Denn schon Anfang des Jahres hatte vor allem die Klimabilanz des Thinktanks Agora Energiewende gezeigt: Der starke Rückgang der CO2-Emissionen 2023 hat weniger mit ambitioniertem Klimaschutz der Ampel zu tun, sondern mit unerwartet niedrigen Gaspreisen und schlechter Konjunktur.
Tatsächlich stellte sich dann bei Habecks Präsentation selbst heraus: In der lückenschließenden Projektion waren zum Beispiel weder die Milliarden-Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds berücksichtigt worden noch das Desaster beim Heizungsgesetz und die Wiederkehr der Gasheizung.
Entsprechende Nachfragen bügelte Habeck damals mehr oder weniger ab oder reichte sie an UBA-Chef Messner weiter, der die Folgen der Klimafonds-Kürzungen auch nicht kannte oder kennen wollte. Keineswegs sollte die "gute" Botschaft verwässert werden. Und so stand sie dann auch in vielen Berichten.
Deutschland wird auch 2050 nicht klimaneutral
Tatsächlich hat sich nun der Expertenrat für Klimafragen die "genauen Zahlen" angeschaut – und rückt die Verhältnisse wieder ins Lot: Angesichts der Daten könne nicht davon ausgegangen werden, dass Deutschland sein Klimaziel 2030 erreicht, so das unabhängige Gremium in dem heute erschienenen Sondergutachten. Und noch weniger gut: Deutschland wird 2045 nicht klimaneutral sein und 2050 auch nicht.
Tatsächlich, so stellt sich nun heraus, wurde in Habecks Projektion getrickst. So würde es der auf seine Glaubwürdigkeit achtende Klimarat zwar niemals sagen. Sein Gutachten aber lässt keinen anderen Schluss zu: In der von Habeck und Messner gezeigten Projektion wurde die große, vor allem auf Einmaleffekten beruhende CO2-Einsparung des Jahres 2023 – immerhin 76 Millionen Tonnen – als eine Art Puffer über die Folgejahre verteilt. Im Ergebnis wird für diese Jahre mehr Klimaschutz vorgespiegelt, als wirklich stattfand.
Tatsächlich, auch das macht der Expertenrat klar, operierte die Ampel bei der Projektion mit viel zu günstigen Annahmen beim Emissionshandel oder rechnete mit unbeschränkten Investitionsmöglichkeiten privater Haushalte.
Tatsächlich tritt, weil die Ampel den Klimaschutz in Sektoren wie Verkehr und Gebäude auf die Zeit nach 2030 verschiebt, danach der klimapolitische GAU ein. Habecks Lückenschluss 2030 ist also eine schöngerechnete Momentaufnahme auf Kosten der Zukunft.
Tatsächlich klappt es bei der Ampel mit dem Klimaziel für 2030 am Ende auch nur, weil der Bereich Landnutzungsänderungen (LULUCF) völlig ausgeklammert wird. Dieser Sektor wird, das steht schon so gut wie fest, bis 2030 nicht – wie im Klimaschutzgesetz festgelegt – zur CO2-Senke werden, sondern als CO2-Quelle die Klimabilanz verschlechtern.
Tatsächlich ist die Lage bei der Landnutzung so schlecht, dass hier auch eine völlige Kehrtwende bis 2030 nicht viel bringen würde. Denn es dauert viele Jahre, bis neue Wälder oder wiedervernässte Moore wirklich zusätzliche CO2-Mengen binden.
Die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft
Angesichts all der negativen Fakten versuchten Habeck und seine PR-Abteilung wider besseres Wissen die "gute" Botschaft an die Leute zu bringen. Das war kein Fauxpas. Damit hat der Wirtschafts- und Klimaminister die Glaubwürdigkeit all derer untergraben, die sich wissenschaftlich für echten Klimaschutz einsetzen.
Wer soll Gutachten über zu wenig Klimaschutz oder zu hohen CO2-Ausstoß noch ernst nehmen, wenn sich der zuständige Minister Daten so zurechtlegen lässt, dass seine gewollte Erfolgsstory herauskommt? Wer wird Fachleuten noch glauben, wenn sie in Gummistiefeln durch überschwemmte Gebiete wandern und mehr Klimaanpassung fordern?
Schlimm ist auch, dass Habeck mit der Erfüllungsgeschichte die Glaubwürdigkeit des renommierten Umweltbundesamtes in Zweifel gezogen hat. Bei jeder künftigen Klimabilanz des UBA wird man sich jetzt fragen: Wie viel davon ist Wissenschaft und wie viel Politik?
Fürs UBA ist eigentlich Umweltministerin Steffi Lemke zuständig, ebenfalls eine Grüne. Lemke und UBA-Chef Messner müssen sich fragen lassen, ob sie weiter untätig zusehen wollen, wie der klimapolitische Ruf des UBA immer mehr beschädigt wird.
Vor einigen Wochen hat das neue Klimaschutzgesetz dem UBA zum Erstellen künftiger Klimaprojektionen ein Konsortium an die Seite gestellt, dessen einziger Sinn nur darin bestehen kann, die UBA-Daten richtig zu interpretieren. Dafür hat Habeck schon mal die Blaupause geliefert.
Der Klimarat jedenfalls hat mit seinem Gutachten der Klimawissenschaft ihre Glaubwürdigkeit zurückgegeben. Sein Fazit: Die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland das Klimaziel 2030 verfehlt, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass das Ziel erreicht wird. Deswegen müssen ziemlich schnell weitere Maßnahmen her, um die CO2-Last stärker zu mindern – vor 2030 und nach 2030.
Und jetzt ist die Politik wieder am Zuge, das bitte wieder mit Glaubwürdigkeit.
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