Donnerstag, 20. Juni 2024

Ermächtigung zum Flächenfraß durch Normenkontrollantrag eingeleitet

 Bürokratie -Abbau ist  so ein Wort, das jeder Mensch in seinem ganz persönlichen Sinne gebrauchen kann, denn wer regt sich nicht über Bürokratie auf , wer wird bei einem in Aussicht gestellten Abbau nicht sofort hellhörig?

Doch ein Bürokratie- Abbau sieht für die Herren Zwick und Gerster von der CDU wesentlich anders aus als für die Landwirte oder gar die Naturschützer. 

Wir sollten das Ich -Wünsch-Mir-Was-Wort daher als Nebelbank in einer Kommunikation erkennen. Und bei Gebrauch darauf drängen, mehr über das konkrete Anliegen dahinter zu erfahren.
Das hat Hr. Mendelin in seinem Artikel sehr überzeugend getan.
Und wir haben erfahren, was Bürokratie-Abbau für Zwick und Gerster und den Gemeindetag bedeutet: eine Ermächtigung zum Flächenfraß. Alternative Ideen dazu oder Reflektion - leider Fehlanzeige.
Ein trauriges Bekenntnis zum "Weiter so".

Und daher möchte ich noch auf die Resolution des BUND (hier) verweisen:

Die BUND-Gruppen der Region Bodensee-Oberschwaben fordern die Städte und Gemeinden der Region auf, die Netto-Null beim Flächenverbrauch bis 2035 über die Flächennutzungspläne sicherzustellen. Dieses Ziel ist im Koalitionsvertrag Baden-Württemberg festgelegt. Die Pläne müssen neben Bauflächen auch Flächen für die Nachverdichtung, für den Rückbau und die Entsiegelung oder Doppelnutzung ausweisen.


Schwäbische Zeitung  hier  15.06.2024, Ulrich Mendelin

Kampf um den Acker: Darum ziehen zwei Bürgermeister vor Gericht

Grund und Boden ist heiß begehrt: Kommunen sind auf der Suche nach Bauland, Landwirte fürchten zunehmende Konkurrenz um Ackerflächen.

Werden Kommunen bei der Erschließung von Bauland zu stark behindert? Die Bürgermeister von Pfullendorf und Meßkirch sehen das so, am Montag ziehen sie vor Gericht.

Zwei Bürgermeister aus dem Landkreis Sigmaringen ziehen vor Gericht. Die CDU-Männer Arne Zwick und Ralph Gerster, Rathauschefs in Meßkirch und Pfullendorf, wollen eine Regelung kippen, die Kommunen auf der Suche nach Grundstücken ihrer Ansicht nach benachteiligt - bei der Erschließung von neuem Bauland ebenso wie auf der immer wieder nötigen Suche nach Ausgleichsflächen zum Beispiel für Naturschutzmaßnahmen. Das bestehende Gesetz soll Bauern schützen. Deren Verbände sehen den Vorstoß daher mit ebenso mit Sorge wie Agrarminister Peter Hauk, ebenfalls von der CDU. Am Montag wird am baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof in Stuttgart verhandelt.

Stein des Anstoßes ist eine Regelung im so genannten Agrarstrukturverbesserungsgesetz (ASVG). Dabei geht es um den Kauf und Verkauf von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken. Dieser muss bei Flächen ab einem Hektar Größe von der Landwirtschaftsbehörde - also vom Landratsamt - genehmigt werden. „In der Praxis ist das ein Bürokratiemonster“, klagt der Pfullendorfer Bürgermeister Gerster. Es gibt nur zwei Ausnahmen. Die Genehmigungspflicht entfällt erstens, wenn bereits eine Bauleitplanung existiert. Und zweitens, wenn als Käufer entweder der Bund, das Land Baden-Württemberg oder eine der großen Kirchen auftritt.

Das Gesetz schränkt uns in unserer kommunalen Selbstverwaltung drastisch ein.

Arne Zwick

Gegen letztere Regelung wehren sich Gerster und Zwick mit einem so genannten Normenkontrollantrag - sie wollen prüfen lassen, ob das ASVG in Einklang mit höherrangigem Recht steht. Die beiden Bürgermeister bezweifeln das, sie wollen eine grundsätzliche Befreiung von der Genehmigungspflicht auch für Kommunen erreichen. „Wir sind Teil des Staates, und wir haben am meisten mit Grundstücken zu tun, viel mehr als Bund und Land“, sagt Zwick. Sein Kollege Gerster ergänzt: „Das Gesetz schränkt uns in unserer kommunalen Selbstverwaltung drastisch ein.

.....Unterstützung bekommen die Bürgermeister aus dem Kreis Sigmaringen vom baden-württembergischen Gemeindetag. Das Ziel des ASVG sei es ja, „die Agrarstruktur in allen Teilen des Landes zu verbessern“, sagt Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. „Das stellen die Städte und Gemeinden nicht in Frage, vielmehr setzen sie dies seit Jahren beispielsweise durch eine große Zahl an Flurneuordnungsmaßnahmen zielgerichtet um.“ Daher sei es „legitim und zugleich sachgerecht“, Kommunen von der Genehmigungspflicht auszunehmen.....

Das ASVG entstand, um Landwirte im Konkurrenzkampf um knapp werdende Flächen zu schützen. Dabei hatte der Landtag, als er die geltenden Regelungen 2010 verabschiedete, gar nicht so sehr die Städte und Gemeinden als Konkurrenten der Landwirte im Blick. In der damaligen Gesetzesbegründung wird eine ganz andere Käufergruppe ausdrücklich genannt, vor der heimische Bauern geschützt werden sollten: „Verstärkt seit Mitte der 90er-Jahre ist die Agrarstruktur im deutschen Zollgrenzgebiet zur Schweiz gravierenden Beeinträchtigungen durch Kauf- und Pachtaktivitäten finanzkräftiger Schweizer Landwirte ausgesetzt“, heißt es da. Die Genehmigungspflicht, die den Landhunger von Großinvestoren aus dem Nachbarland einschränken sollte, traf im Ergebnis aber alle, auch die hiesigen Kommunen.

Nach Ansicht von Bauernverbänden und Stuttgarter Agrarministerium ist diese Regelung weiter unerlässlich. „Dass Landwirte landwirtschaftliche Flächen privilegiert kaufen können, ist enorm wichtig“, sagt Padraig Elser vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV). Sonst würden sie den Wettbewerb um Ackerflächen gegen finanzkräftigere Mitbieter verlieren.


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