Mittwoch, 28. Dezember 2022

Psychologists / Psychotherapists for Future nehmen Stellung zur Kriminalisierung der Klimabewegung

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Wir als Psychologists / Psychotherapists for Future e.V. stellen uns ausdrücklich gegen die Kriminalisierung der Klimabewegung und hinter die Forderungen auch der Letzten Generation.

Die Forderungen eines allgemeinen Tempolimits von 100 km/h und eines bezahlbaren ÖPNV mit dem dauerhaften 9 Euro-Ticket stellen konkrete Vorschläge zur deutlichen und zügigen Treibhausgasreduktion dar. 

Darüber hinaus fordert die Letzte Generation die Bundesregierung insgesamt auf, Klartext mit uns Bürger*innen zu reden, uns selbst im Rahmen von Bürger*innenräten über unsere Lebensbedingungen mitentscheiden zu lassen und alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Klimakrise abzubremsen.

Die teils polarisierenden und radikalen Kommentare einiger auch Spitzenpolitiker*innen über die Aktivist:innen wirken wie der hilflose Versuch, das eigene radikale, unzureichende und kontraproduktive Handeln im Angesicht der Krisen zu verschleiern. Wir halten dies für eine große Gefahr – sowohl für unsere partizipative und demokratische Gesellschaft als auch für die Resilienz der Gesellschaft angesichts der multiplen Krisen, denen wir gegenüberstehen.

Auf dem aktuellen Pfad steuern wir auf eine 2,5 bis 3 Grad heißere Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (1850) zu, was durch klimatische Kipp-Effekte noch schlimmer werden kann. Das würde in unseren Breiten u. a. eine Zunahme an Hitzewellen, Dürren und Nahrungsmittelknappheit weit jenseits der derzeitigen Erfahrungen bedeuten. Daneben würden auch Extremwetterereignisse noch stärker unsere Zivilgesellschaft bedrohen und natürlich unsere Gesundheit psychisch wie auch körperlich massiv gefährden. Bereits diesen Sommer sind in Europa ca. 100.000 Menschen mehr an Hitzewellen gestorben, als ohne die Klimakrise wahrscheinlich gewesen wäre.

Vor diesem Hintergrund sind die Beweggründe und die Gefühle, welche die Menschen der Letzten Generation und andere Akteur*innen zu ihren gewaltfreien Handlungen des Zivilen Ungehorsams bewegen, nachvollziehbar und angemessen – geht es doch um nichts geringeres als das Ziel, stabile natürliche Rahmenbedingungen zu sichern, um Gesundheitsgefahren vorzubeugen und unsere Handlungsfähigkeit und Zivilisation zu bewahren. Denn diese werden durch die Zunahme von u.a. Artensterben, Flüchtlingskrisen & globalen Ressourcenkämpfen bedroht. Eine Politik des “Weiter-so” führt uns laut einer Studie der Vereinten Nationen sehr wahrscheinlich in den globalen Kollaps.

Wir stellen uns daher hinter den gewaltfreien Protest der Letzten Generation und gegen den Versuch der Kriminalisierung, der mit den Hausdurchsuchungen und Vorwürfen der Bildung einer kriminellen Vereinigung vorangetrieben wird. Wir sehen darin einen Verzögerungsdiskurs und Spaltungsversuch, der wieder nicht die Krisenbewältigung fokussiert. Stattdessen wird versucht, die Menschen zum Schweigen zu bringen, die auf die Krisen und das diesbezügliche politische Versagen hinweisen, das wissenschaftlich belegt ist und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde.

Wir erleben eine Radikalisierung in der Politik, bei der einige Politiker*innen scheinbar vergessen haben oder verdrängen möchten, dass demokratischer Protest auch die Störung umfasst, wie das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Auch der Präsident des Bundesverfassungssschutzes stellt klar, dass die Letzte Generation mit großem Respekt für unsere Demokratie handelt. Gesellschaftliche Errungenschaften wie das Frauenwahlrecht, die Abschaffung der Rassentrennung oder jüngst die Erhaltung des Restes des Hambacher Forstes wären ohne gewaltfreien Zivilen Ungehorsam nicht möglich gewesen.

Wir sehen es deswegen als notwendig an, dass Politiker*innen aller demokratischen Parteien gemeinsam Diskussions- und Lösungsräume schaffen, in denen die wissenschaftlichen Fakten und Prognosen ehrlich dargestellt werden und mit Menschen auf Augenhöhe diskutiert und lösungsorientiert gehandelt wird. Dies kann Spaltung und Radikalisierung entgegenwirken und das gesellschaftliche Miteinander fördern.

Dass die Letzte Generation uns als Gesellschaft so wirkungsvoll, unter vollem persönlichen Einsatz und – ja – auch störend auf das bisherige Versagen der Politiker*innen hinweist, um damit Diskussionsräume und Lösungen voranzutreiben, verdient unseren Respekt.

Die Erfüllung der Forderungen der Letzten Generation sowie der Klimagerechtigkeitsbewegung insgesamt sind wichtige erste Schritte in der echten Begrenzung der Klimagerechtigkeits- und Biodiversitätskrisen und für den Erhalt der Demokratie und zur Sicherung unserer Grundrechte. Deshalb fordern wir als Psychologists / Psychotherapists for Future e.V. ein Ende der Kriminalisierung der Klimabewegung und stattdessen ein Zuhören und Handeln. 

Wir sind erschöpft von Politiker*innen, die lieber ignorieren, radikalisieren, spalten und kriminalisieren, als sich zu kümmern. Wir brauchen Politik für die Zukunft der gesamten Menschheit statt Politik für den Profit Weniger.

Eine Zusammenstellung der wichtigsten Quellen:

https://letztegeneration.de/mitmachen/werte-aktionskonsens/

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/03/rk20110307_1bvr038805.html

https://www.de-ipcc.de/358.php

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/klimaforscher-schellnhuber-pariser-klimaziele-nicht-mehr-erreichbar-18312546.html

https://www.spiegel.de/wissenschaft/klimawandel-erhoeht-sterblichkeit-in-europa-100-000-tote-zusaetzlich-im-sommer-2022-a-49651597-e247-4b4d-ab76-41469994554f

https://www.undrr.org/publication/global-catastrophic-risk-and-planetary-boundaries-relationship-global-targets-and

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