Auch in SatireSenf ist ein neuer Kommentar zur Salemer Gemeindepolitik erschienen
TS43/21: Gewerbeentwicklung Salem: Bürgermeister Manfred Härle schüre Ängste der Bevölkerung
Es hatte ihm sowieso kaum jemand geglaubt? Ihm, dem Salemer Bürgermeister Manfred Härle, der im Kontext seiner denkbar knappen Wiederwahl (nur hauchdünne 50,3 Prozent der Stimmen) im September 2020 Besserung zu seinem Umgang mit demokratischer Kritik gelobt hatte.
Das
Gegenteil scheint der Fall: Jetzt zieht der Salemer Rathauschef mit dem
unverhohlenen Hang zum Sonnenkönigtum erst richtig vom Leder. Warum
auch nicht? Härle hat seinen Amtssessel sicher für die nächsten acht
Jahre. Auf eine Wiederwahl in Salem braucht er nach dem vergangenen
Wahlkampf wohl eher nicht zu hoffen? Und die Stellung
baden-württembergischer Bürgermeister ist bundesweit ohnehin besonders
fest und unangreifbar. Mit den auf diesem Blog thematisierten Folgen!
Es
gehört schon eine ordentliche Portion Demokratie-aversiver Aggression
dazu, sich derart pointiert gegen einen Gemeinderatsbeschluss zum
Regionalplan und zum Gewerbeflächen-Management zu positionieren, wie
Härle das jetzt tut. So habe der Salemer Napoleon gemäß
Berichterstattung auf dem phantastischen Blog UnserLändle4Future öffentlich erklärt, sich zum Thema Regionalplan sowohl im Kreistag wie als Mitglied des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben (RVBO) nicht an den Gemeinderatsbeschluss gebunden zu fühlen. Zur Begründung führt der Mann mit dem tapsigen Rechtsbeistand an, es handele sich um ein „nicht-imperatives Mandat“. Als
Mitglied des Planungsausschusses wolle er (im Widerspruch zum genannten
Gemeinderatsbeschluss) „Überzeugungsarbeit dafür leisten, dass die
Regionalverbandsversammlung am Ende für das Salemer Vorranggebiet für
Industrie und Gewerbegebiet und die Herausnahme des Grünzuges stimmt“ (Quelle).
*
Härles Gebrauch des Narrativs vom blutigen Ende der Gewerbeentwicklung
Aber Härle geht noch viel weiter: Im Amtsblatt der
Gemeinde Salem vergangene Woche hat die Verwaltung einen höchst
irritierenden Artikel „Ortsränder anstatt zentrales Gewerbegebiet? Verwaltung fordert klare Beschlüsse zur Gewerbeentwicklung“
veröffentlicht. In unverhohlener Kritik am Gemeinderatsbeschluss wird
darin behauptet, der lokale Bedarf an weiteren Gewerbeflächen müsse in
Zukunft in den Ortsteilen und an den Ortsrändern ausgewiesen und
erschlossen werden.
Das mag eine persönliche Schlussfolgerung von Härle sein; ein Gemeinderatsbeschluss dazu gibt es nicht. Schlimmer noch: Nach Angaben der Kritiker gebe es noch nicht einmal einen nachgewiesenen Bedarf.
Aber natürlich weckt diese Ankündigung nicht nur Ängste, sondern auch Begehrlichkeiten bei Grundstücksbesitzern mit Verkaufsabsichten.
An dieser Stelle verweise ich gern noch einmal auf meinen Hintergrund-Artikel zum Thema Missbrauch von Amtsblättern …
Der Beitrag im Salemer Amtsblatt stößt auf breite Kritik. Das Aktionsbündnis Grünzug Salem
wirft Härle in einer Pressemitteilung vor, Ängste in der Bevölkerung
dahingehend zu schüren, aufgrund der – bitteschön: demokratisch –
gefassten Gemeinderatsbeschlüsse sei künftig keine Gewerbeentwicklung
mehr in Salem möglich. Die Pressemitteilung des Aktionsbündnisses nachstehend ungekürzt in kursivem Grün. Die fetten Hervorhebungen stammen (teilweise) von mir:
*
Aktionsbündnis Grünzug Salem will bei der Gewerbeentwicklung Flächen sparen
Im Salem aktuell vom 9.4.21 fordern Bürgermeister Härle und seine Verwaltung klarere Beschlüsse zur Gewerbeentwicklung.
Am 23. Februar hat sich der Salemer Gemeinderat in seiner Sitzung gegen
die Ausweisung eines Vorranggebietes für Industrie und Gewerbe
ausgesprochen und für eine bedarfsgerechte, mit plausibilisierten Fakten
belegte Entwicklung des Gewerbegebietes für die Salemer Betriebe.
Außerdem wurde u.a. der Antrag des Bürgermeisters zur Fortschreibung des
Regionalplanes und zur Rücknahme des Grünzuges abgelehnt.
In diesen beiden Entscheidungen sieht Herr Härle einen Widerspruch, den
er dann allerdings selbst herbeigeführt hätte. Dem hat das
Aktionsbündnis Grünzug Salem ausdrücklich widersprochen. Auch die Kommunalaufsicht sieht in ihrer Stellungnahme keinen Widerspruch in den Beschlüssen.
Der wesentliche Punkt des Gemeinderatsbeschlusses vom 23.2. ist die Reduzierung des Flächenbedarfs auf die nachvollziehbaren, lokalen Bedürfnisse. Damit ändert sich die Berechnungsgrundlage für den Bedarf im Regionalplan. Denn
die im Regionalplan vorgesehenen 27,2 ha neue Gewerbefläche basieren
tatsächlich gar nicht auf dem lokalen Bedarf, sondern waren von Anfang
an deutlich überdimensioniert und für den gesamten Bodenseekreis
gedacht.
Mit diesem Beschluss, zuallererst einmal Flächen zu sparen, hat
die Mehrzahl der Gemeinderäte auf lokaler Ebene bereits das
Regierungsprogramm, das Schwarz-Grün vor wenigen Tagen beschlossen hat,
vorweggenommen.
„Ganz zu Anfang steht: Es gilt, das Klima zu
schützen, die Schöpfung und die Artenvielfalt zu bewahren und so die
natürlichen Lebensgrundlagen auch für die kommenden Generationen zu
sichern“.
Nun panisch an den Ortsrändern nach neuen Flächen zu suchen, schürt lediglich Ängste in der Bevölkerung.
Der nach dem Acocella Gutachten errechnete Bedarf lässt sich bspw. auch
über den Rückkauf bereits vergebener, aber ungenutzter Flächen, die
Umnutzung von Industriebrachen oder Ausnutzung von Leerständen decken. Zudem sind derzeit keine Nachfragen zu Gewerbeflächen im Gemeinderat bekannt.
Statt also jetzt bereits nach neuen Gewerbeflächen an den Ortsrändern
zu suchen, wäre der Bürgermeister gut beraten, endlich eine Aufstellung
über den plausibilisierten lokalen Bedarf sowie das noch vorhandene
Potenzial zu machen. Viele Unternehmen haben mit mobilem Arbeiten und
Homeoffice die Zeichen der Zeit längst erkannt und reduzieren ihren
Bürobedarf drastisch. Die Schaffung einer Stelle für professionelles
Flächenmanagement hätte der Gemeinde hier sicher gutgetan. Übrigens auch
für den überhitzten Wohnungsmarkt, dem immer noch erstaunlich viele
leere Häuser und Wohnungen gegenüberstehen.
Das Gebot der Stunde lautet auf jeden Fall: Flächen sparen.
Diese Einsicht lässt sich leider auch mit gutem Willen nicht aus dem
Text in Salem aktuell herauslesen.
*
Meine Quintessenz:
1. Der
Salemer Bürgermeister Manfred Härle agiert beim Thema
Gewerbeentwicklung und Regionalplan unverhohlen und bekennend im
Widerspruch zu den Beschlüssen des Salemer Gemeinderats. Zur
Rechtfertigung verweist er auf ein nicht-imperatives Mandat (das
Gegenteil von dem hier) seines Sitzes im Regionalverband.
2. Der Salemer Bürgermeister Manfred Härle benutzt – hier gehe ich d’accord mit der Meinung des Aktionsbündnisses Grünzug Salem – das Amtsblatt dazu, in der Bevölkerung Ängste zu schüren, eine gewerbliche Entwicklung sei nicht oder wenn dann nur über hektischen Flächenankauf in den Ortsteilen und an Ortsrändern möglich – obwohl derzeit nach Aussage des Aktionsbündnisses Grünzug Salem überhaupt kein lokaler Bedarf bekannt ist.
3. Ich bewerte dieses betonköpfige Vorgehen des Salemer Bürgermeisters in der zentralen Frage von Flächenverbrauch und Gewerbeentwicklung als exemplarisch für die Agitation der ewig Gestrigen aus insbesondere den konservativen Parteien (CDU/Freie Wähler), welche die Zeichen der Zeit und der Klimanot nicht begreifen und auch nicht bereit sind, sich demokratischen Voten auch dort zu unterwerfen, wo ein was-auch-immer-Mandat es nicht zwingend erfordert.
Auf
das desintegrative und gesellschaftlich spaltende Potential einer
solchen „Haltung“ aus der Machtposition eines baden-württembergischen
Bürgermeisters heraus brauche ich nicht separat einzugehen? Dankööö.
Immerhin: Bürgermeister Manfred Härle enttäuscht die Erwartungen nicht, welche seine zahlreichen Kritiker nach der furchtbar knappen Wiederwahl des Unbelehrbaren für dessen weitere Amtszeit hegten.
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