26.06.2023 hier im Südkurier
Bad Urach – Seeburg ist für viele Menschen ein beliebtes Ausflugsziel. Auch Motorradfahrer fahren gern durch den Ort, um weiter kurvenreich hoch nach Hengen zu gelangen. An einem schönen Tag können das bis zu 1000 Motorräder sein – für die Anwohner eine enorme Lärmbelastung. Doch seit Ende April dieses Jahres dürfen die Motorradfahrer am Wochenende und an Feiertagen nicht gleich am Ortsende beschleunigen, sondern müssen sich noch 300 Meter zügeln, bevor sie Gas geben können. Erst danach endet für sie Tempo 50.
Einen solchen Korridor für Motorradfahrer gibt es in Baden-Württemberg bisher nur in Seeburg und im Lautertal, weil das Landesverkehrsministerium gemeinsam mit dem Reutlinger Landratsamt eine juristische Begründung gefunden hat, die von der Straßenverkehrsordnung noch gedeckt ist. „Es handelt sich hierbei um eine atypische Lärmbelästigung“, sagt Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) am Telefon und lobt diese Lösung, weil beschleunigende Motorräder im Vergleich zum Auto im Schnitt um etwa 20 Dezibel lauter seien und gefühlt sogar viermal so laut wahrgenommen werden. „Das entlastet die von Lärm betroffenen Menschen.“ Die Straßenverkehrsordnung sollte nach Meinung von Zimmer stärker auf einen besseren Schutz der Gesundheit ausgerichtet werden und den Fokus nicht nur auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs legen.
Aus diesem Grund setzt sich Baden-Württemberg nun gemeinsam mit Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für einen wirkungsvolleren Lärmschutz ein, der die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Kommunen erleichtert.
Zum Beispiel gelten bei bestehenden Straßen und Verkehrswegen bisher keine verbindlichen Schwellenwerte von 65 Dezibel bei Tag und 55 Dezibel bei Nacht, um dort Tempo 30 einzuführen. „Nur falls dort ein Kindergarten oder ein Altersheim steht“, erläutert Zimmer.Die vier Bundesländer haben deshalb Ende vergangener Woche bei einem Lärmkongress in Stuttgart eine gemeinsame Erklärung mit zentralen Forderungen unterschrieben. „Der Bundesverkehrsminister darf das Thema nicht weiter auf die lange Bank schieben“, sagt Staatssekretärin Zimmer. Das aktuelle Lärmschutzrecht sei nicht geeignet, die Bevölkerung ausreichend vor Verkehrslärm zu schützen. „Es kann nicht sein, dass selbst bei gesundheitskritischen Lärmbelastungen kein Rechtsanspruch auf Lärmschutzmaßnahmen besteht.“
Schon häufiger haben die Verkehrs-, Gesundheits- und Umweltminister der Länder den Bund aufgefordert, den gesundheitlichen Schutz mitzuberücksichtigen. Bisher vergeblich. „Aber“, sagt Zimmer, es tue sich was. Seit der vergangenen Woche gebe es einen Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums zur Fortschreibung des Straßenverkehrsgesetzes, „in dem erstmals der Begriff Gesundheit auftaucht“. Vielleicht, fügt die Staatssekretärin hinzu, „kommt unsere Erklärung zur richtigen Zeit, damit der Bund nun endlich verbindliche Schwellenwerte einführt.“
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