Die internationalen Abkommen standen 2024 unter einem besonders schlechten Stern - obwohl unzählige Katastrophen die Welt erschüttert haben. Die Lobby der Fossilen zeigt ihre Macht - ist es ein "letztes Aufbäumen" oder ein "Sieg", der alles mit sich reißen wird?
hier Frankfurter Rundschau 02.12.2024, Von: Joachim WilleDie Plastik-Welt
Damit Plastikmüll weltweit verschwindet, sollte das UN-Treffen in Busan sich auf ein Abkommen verständigen.
Dem UN-Treffen in Busan ist es leider nicht gelungen, sich auf ein Abkommen gegen den Plastikmüll zu einigen. Nun drängt die Zeit - ähnlich wie beim Klimagipfel.
Die fossile Weltordnung ist zäh. Der UN-Klimagipfel, der vor einer Woche zu Ende ging, hat es demonstriert, mit Mühe wurde dort ein Scheitern verhindert. Und für die Verhandlungen zur Beendigung der Plastikverschmutzung, die jetzt im südkoreanischen Busan ebenfalls auf höchster Ebene stattfanden, gilt es nicht minder.
Das geplante, durchschlagend wirksame Abkommen, welches das globale Problem bis zum Jahr 2040 vollständig beseitigen soll, ist auch nach der fünften Verhandlungsrunde noch nicht in Sicht. In Busan rangen die Delegationen von rund 170 Staaten bis zuletzt um Kompromisse in den zentralen Fragen. Am Ende gingen sie ohne Ergebnis auseinander. Es soll nun noch einen weiteren Einigungsversuch geben.
„Beat Plastic Pollution“ – dieses vom UN-Umweltprogramm Unep ausgegebene Motto finden alle richtig. Zumindest in der Theorie. Der Mensch hat es geschafft, noch die entlegensten Regionen der Welt mit Kunststoffmüll und den eigenen Körper mit Mikroplastik zu belasten.
Wilde Deponien und große Flüsse, vor allem in Entwicklungsländern, werden als Entsorgungskanäle für riesige Mengen Kunststoffmüll genutzt. Auf den Weltmeeren schwimmen neue Plastikkontinente, die sich dort in den letzten Jahrzehnten angesammelt haben. Das Problem ist so groß, dass manche Fachleute schon voraussagen, unser Zeitalter werde künftig als „Plastic Age“ bezeichnet.
Vor allem die Bilder von den großen Plastikstrudeln auf den Ozeanen alarmierten die Weltöffentlichkeit. Das brachte enormen Schwung in die Debatte. Die UN-Umweltversammlung beschloss 2022 den straffen Zeitplan, binnen zwei Jahren ein verabschiedungsreifes Abkommen zu verhandeln, das von der Weltgemeinschaft dann 2025 beschlossen werden sollte. Doch was zu befürchten war, trat ein: Die Interessen verschiedener Ländergruppen prallten voll aufeinander, und es gab in den Konferenzen bis zu dem Busan-Treffen kaum echte Fortschritte.
Die Konfliktlinien sind klassisch, es ist ganz ähnlich wie bei den Klima-Verhandlungen.
Eine große Gruppe fortschrittlicher Staaten, die High Ambition Coalition aus inzwischen mehr als 100 der 170 verhandelnden Staaten, darunter die EU und viele Entwicklungsländer, will die Produktionsmengen von Kunststoffen – weltweit inzwischen über 450 Millionen Tonnen jährlich – begrenzen. Andere Länder, vor allem Erdölproduzenten und Staaten mit großer petrochemischer Industrie, wollen dagegen an den Strukturen möglichst wenig ändern und das Problem allenfalls mit besserem Recycling und Abfallmanagement entschärfen. Auch in Busan betätigten sie sich als Bremser. Vor allem Länder wie Saudi-Arabien und Russland versuchten, alle Fortschritte zu blockieren.
Eine große Gruppe fortschrittlicher Staaten, die High Ambition Coalition aus inzwischen mehr als 100 der 170 verhandelnden Staaten, darunter die EU und viele Entwicklungsländer, will die Produktionsmengen von Kunststoffen – weltweit inzwischen über 450 Millionen Tonnen jährlich – begrenzen. Andere Länder, vor allem Erdölproduzenten und Staaten mit großer petrochemischer Industrie, wollen dagegen an den Strukturen möglichst wenig ändern und das Problem allenfalls mit besserem Recycling und Abfallmanagement entschärfen. Auch in Busan betätigten sie sich als Bremser. Vor allem Länder wie Saudi-Arabien und Russland versuchten, alle Fortschritte zu blockieren.
Es ist klar, was hinter dem beinharten Agieren der Erdöllobby steckt, die auch auf der Konferenz in Busan mit vielen Vertreterinnen und Vertretern mitmischte. Sie versucht zwar auch auf den Klimagipfeln und durch Druck auf nationale Regierungen, ihr fossiles Geschäft zu retten. Doch selbst Hardlinern wie Saudi-Arabien ist inzwischen klar, dass sich die Energiewende nicht verhindern lässt. Autos und Heizungen werden über kurz oder lang mit Ökostrom oder mit synthetischem Erdöl-Ersatz betrieben werden.
Ihr Kalkül lautet: Die Plastikproduktion könnte zumindest einen Teil der Umsätze mit den fossilen Rohstoffen retten. Heute fließen vom weltweit geförderten Erdöl und Erdgas rund acht Prozent in die Kunststoff-Produktion, wobei Studien des Industrieländerclubs OECD eine Verdreifachung der Mengen bis 2060 prognostizieren, falls keine Maßnahmen – etwa in einem Plastik-Abkommen – dagegen ergriffen werden.
Eine solche zusätzliche Plastikschwemme aber liegt nicht im Interesse der Weltgemeinschaft, zumal es durchaus Möglichkeiten gibt, das Problem in den Griff zu bekommen.
Dem UN-Umweltprogramm zufolge könnte
die Kunststoff-Neuproduktion bei einem Systemwechsel Richtung Kreislaufwirtschaft
bis 2040 mehr als halbiert und
der in die Umwelt gelangende Müll um mehr als 80 Prozent reduziert werden.
die Kunststoff-Neuproduktion bei einem Systemwechsel Richtung Kreislaufwirtschaft
bis 2040 mehr als halbiert und
der in die Umwelt gelangende Müll um mehr als 80 Prozent reduziert werden.
Die Schlüssel dazu: mehr und intelligenteres Recycling, Umstellung auf Mehrwegsysteme, Ersatz durch andere Materialien. Das ist alles machbar, aber es braucht politischen Mut, die Veränderungen gegen die Lobbys durchzusetzen. In Busan hat sich gezeigt, wie schwierig dies angesichts der realen Machtverhältnisse ist.
hier RND 01.12.2024,
Verhandlungen über UN-Plastikabkommen ohne Einigung zu Ende gegangen
Kunststoff-Obergrenze bleibt strittig, Verhandlungen über UN-Plastikabkommen gescheitert
Jahrelang ist die fünfte Gesprächsrunde für ein UN-Plastikabkommen vorbereitet worden – nun ist sie ohne Einigung zu Ende gegangen. Immerhin: Im nächsten Jahr soll weiterberaten werden.
Die fünfte Verhandlungsrunde für ein UN-Plastikabkommen ist ohne Einigung zu Ende gegangen. Im südkoreanischen Busan hatten eine Woche lang Vertreter aus über 170 Staaten beraten, um nach jahrelanger Vorbereitung verbindliche Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Plastikverschmutzung zu beschließen. Die Zusammenkunft in Busan war ursprünglich als finale Verhandlungsrunde angedacht, nun soll mangels Übereinkunft die Debatte im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Als Grundlage soll der während der vergangenen sieben Tage ausgehandelte Textentwurf dienen.
Plastik-Obergrenze bleibt strittig
Die zentrale, bisher ungelöste Streitfrage betrifft eine mögliche Obergrenze für die Plastikproduktion, wie es von einer Koalition aus über 100 gleichgesinnten Staaten - darunter Mexiko, Panama, Ruanda und die Europäischen Union - gefordert wird. Ölstaaten wie Saudi-Arabien und Russland hingegen hatten sich vehement gegen Produktionsgrenzen ausgesprochen – und stattdessen gefordert, dass sich das Abkommen auf eine effiziente Abfallwirtschaft fokussieren solle.
„Während der gesamten Verhandlungen haben wir den anhaltenden Widerstand einer lautstarken Minderheit von Staaten erlebt, die eindeutig in böser Absicht verhandeln und kein sinnvolles Abkommen anstreben“, hieß es in einer Stellungnahme der Nichtregierungsorganisation WWF.
Greenpeace begrüßt Fortsetzung der Gespräche
Von Greenpeace wurde ausdrücklich begrüßt, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden, statt sich unter Zeitdruck auf einen schwachen Abschluss zu einigen. „Ein wirksames Abkommen muss verbindliche globale Ziele und Maßnahmen zur Senkung der Plastikproduktion enthalten“, sagte Greenpeace-Experte Moritz Jäger-Roschko. Es bestünde weiterhin die historische Chance auf ein Plastikabkommen, das Gesundheit, Umwelt und Klima vor den schädlichen Auswirkungen von Plastik schützt.
„Wir haben nicht das erreicht, wofür wir gekommen sind“, sagte Juan Carlos Monterrey Gómez von der Delegation aus Panama in einer emotionalen Rede zum Abschluss der Verhandlungen, die von anhaltendem Applaus begleitet wurde: „Zögern bedeutet Tod, Handeln bedeutet Überleben“. Er gab sich kämpferisch: Man werde nicht nachgeben und weiter für ein verbindliches Abkommen kämpfen. Wenige Stunden davor hatte Gómez gesagt, dass Plastik für Panama eine „Massenvernichtungswaffe“ sei: „Alles, was wir lieben, steht auf dem Spiel. Dies ist keine Übung, dies ist ein Kampf ums Überleben“.
Mehr als 400 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr
Fast 200 UN-Staaten hatten sich im März 2022 geeinigt, bis Ende 2024 einen gemeinsamen Beschluss zur Eindämmung von Plastik zu fassen. Insgesamt wurde das Abkommen über fast zehn Jahre vorbereitet.
mehr dazu:
ARD hier
Keine Einigung auf UN-Plastikabkommen
t-online hier
Umweltschutz: Bedeutendes Plastikmüll-Abkommen scheitert
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