hier FOCUS-online-Redakteurin Stefanie Haas 22.04.2024
Der Klimabericht der EU zieht Fazit zum Jahr 2023, das geprägt von Extremen war. Vor allem die Hitze und die Meere bereiten den Forschenden Sorge - doch es haben sich auch einige Dinge zum Positiven entwickelt.Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte es bereits bilanziert , die Weltwetterorganisation (WMO) auch: Nun bestätigt auch der Copernicus-Klimabericht, dass 2023 das zweitwärmste aufgezeichnete Jahr war. Auffällig: Die wärmsten Jahre befinden sich alle im Zeitraum der letzten zehn Jahre.
Der „Copernicus Climate Change Service“ (abgekürzt zu C3S, zu Deutsch: Kopernikus Klimawandel-Dienst) ist eine von der Europäischen Kommission beauftragte Institution, die Daten und Analysen zum Klimawandel liefert, oft mit Satelliten-Daten in Echtzeit.
Schlecht: Die warmen Ozeantemperaturen – das "Kanarienvogel-Problem“
Im Gespräch mit Medienvertretern nannte die Copernicus-Vizedirektorin, Samantha Burgess, die steigenden Ozeantemperaturen und Anomalien den „Canary in a coalmine“ – ein englischsprachiges Sprichwort, das darauf zurückgeht, dass Kohlearbeiter früher Kanarienvögel mit in die Minen nahmen. Bekam der Kanarienvogel wegen Kohlenmonoxids keine Luft mehr, wussten auch die Kohlearbeiter: Es wird höchste Eisenbahn.
Treffender könnte der Vergleich also für die besorgniserregenden Werte aus den Ozeanen nicht sein. Denn für 2023 war die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Ozeane in und um Europa herum die höchste, die je aufgezeichnet wurde.
Besonders alarmierend: Eine Hitzewelle im Atlantik, die sich westlich von Irland und um das Vereinigte Königreich bildete, sorgte für Temperaturen, die teilweise 5 Grad über dem Normalwert lagen. Das mag nach wenig klingen, jedoch sind diese Temperaturunterschiede gravierend : Landmassen erhitzen sich oft ebenso schnell, wie sie wieder abkühlen. Die Ozeane jedoch, teilweise mehrere Tausend Meter tief,, brauchen wesentlich länger, um sich zu erhitzen und wieder abzukühlen. Für Meereslebewesen kann dies fatale Folgen haben. So warnte erst am Montag die US-Behörde NOAA vor einem erneuten Massensterben der Korallen in den Ozeanen . Grund: Hitzestress.
Doch auch für Menschen kann die Hitzewelle im Wasser fatale Folgen haben. Normalerweise nehmen Meere die Hitze aus der Luft auf und verteilen diese. Somit tragen sie dazu bei, die Temperatur an Land zu senken. Je mehr sich die Ozeane aufheizen, desto mehr wird diese Aufnahmefähigkeit beeinträchtigt.
Gut: Bewusstsein für Hitze als Gesundheitsrisiko steigt
Eine positive Nachricht ist, dass innerhalb der Bevölkerungen und Institutionen das Bewusstsein für Hitze als Gesundheitsrisiko steigt. Hitzewarnungen, die durch Klima- und Wetterdienste wie der WMO herausgegeben werden, stoßen auf mehr Anteilnahme und werden ernster genommen. Außerdem kommen die Autorinnen und Autoren des Berichts zu dem Schluss, dass die Warnungen sich auch als effektiver erwiesen haben.
Kritisiert wird allerdings, die Anpassung über ganz Europa sehr unterschiedlich ist. So haben längst nicht alle Staaten eine Anpassungsstrategie für den Klimawandel entwickelt – obwohl sich dazu eigentlich alle im Pariser Abkommen von 2015 verpflichtet haben. Und auf politischer Ebene haben nur 12 von 50 analysierten Parteien das Thema "Gesundheit unter dem Klimawandel" in ihr Parteiprogramm aufgenommen.
Schlecht: Hitze verursacht 30 Prozent mehr Todesfälle als in den letzten 20 Jahren
Dass solche Maßnahmen zwingend notwendig sind, zeigt die gestiegene Mortalitätsrate: In den letzten 20 Jahren gab es eine Steigerung von 30 Prozent der Hitzetoten. In 94 Prozent der Länder Europas haben hitzebedingte Todesfälle zugenommen.
Im vergangenen Jahr gab es eine Rekordzahl an Tagen mit extremen Hitzestress; hinzu kommt, dass von 12 Monaten elf überdurchschnittlich warm waren. Das zeigt deutlich: Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt.
Das hat auch Konsequenzen für unsere Berge: So gibt es nicht nur weniger Schneefälle im Winter, auch das Eis der Gletscher geht zurück. Am schlimmsten trifft es die Alpen: Dort haben die Gletscher in den Jahren 2022 und 2023 rund zehn Prozent ihrer verbliebenen Masse verloren, die durch die letzten Jahrzehnte ohnehin bereits stark geschrumpft ist. Ausbleibende Schneefälle sorgen dann wiederum dafür, dass sich die Schnee- und Eismassen nicht nachbilden können.
Gut: Rekordhoch an grünem Strom
Neu ist es nicht, aber dennoch erfreulich: 2023 ist so viel Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt worden wie noch nie. Europaweit lag der Anteil bei 43 Prozent, in Deutschland sogar über 50 Prozent. Die überdurchschnittlich vielen Hitzetage auf dem Kontinent haben zudem den Strombedarf in diesen Phasen nach oben getrieben, um für ausreichend Kühlung zu sorgen.
Zahlreiche Stürme haben außerdem dazu geführt, dass es zu einer Rekordmenge an Strom aus Windenergie kam. Auch Wasserkraft verzeichnete eine Rekordmenge, hauptsächlich bedingt durch die überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen in diesem Jahr.
Schlecht: Niederschläge führten zu Überflutungen
Diese lagen nämlich sieben Prozent über dem Durchschnitt – damit, das bilanzierte auch der DWD in seinem Jahresbericht, gehört 2023 zu einem der nassesten Jahre. Die erhöhten Niederschläge trafen vielerorts allerdings auf stark ausgetrocknete Böden, was wiederum mehr Überschwemmungen begünstigte, wie beispielsweise im Herbst in Slowenien oder über Weihnachten in Norddeutschland.
Die starken Regenfälle führten auch dazu, dass ein Drittel aller europäischen Flüsse zu viel Wasser mit sich führte und über die Ufer ging, 16 Prozent wurden gar als „schwere Überflutung“ eingestuft. Die Überflutungen trafen insgesamt 1,6 Millionen Menschen in ganz Europa. Besonders schlimm hat es Teile Griechenlands und der Türkei erwischt: Dort fiel an manchen Orten so viel Regen in einem Tag wie sonst nur in einem ganzen Jahr. Immerhin: Durch den regenreichen Winter haben sich die Böden in Deutschland zumindest so weit erholt, dass der DWD im Februar eine Entwarnung gab und die Dürregefahr aufhob.
Schlecht: Hitze und Trockenheit verursachen Waldbrände entlang der Arktis
Die Erwärmung macht sich auch in der Arktis bemerkbar, wo erneut eines der wärmsten Jahre aufgezeichnet wurde, mit einem Rückgang in der Bildung von See- und Packeis. Gleichzeitig ereigneten sich entlang der Arktis, vor allem in Kanada und Sibirien, großflächige Waldbrände. Die CO2-Emissionen dieser Brände gehören zu den zweithöchsten, die bisher aufgezeichnet wurden.
Der Copernicus-Bericht zeigt deutlich, was uns unter dem Klimawandel bevorsteht: Zunehmende Wetterextreme. Denn das Jahr 2023 war vor allem ein Jahr der Extreme: Ein fast vier Monate dauernder Sommer, übermäßig viele heiße und trockene Tage, gleichzeitig gab es überdurchschnittlich viel Niederschläge. Für uns Menschen wird es also zunehmend schwieriger, sich auf diese Ereignisse einzustellen.
Gut: Internationale Zusammenarbeit zwischen Copernicus und der WMO
Eine nicht zu unterschätzende gute Nachricht ist, dass Copernicus sich mit der Weltwetterorganisation (WMO) zusammengetan und den Bericht gemeinsam verfasst hat. Das bedeutet nicht nur, dass die Copernicus-Daten in einen größeren Kontext und globalen Vergleich gesetzt werden können, sondern auch, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr Know-How haben, um sich untereinander auszutauschen.
Das ist wichtig, um Klima-Modelle und -Prognosen zu verbessern: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto besser und genauer können die Prognosen werden und uns damit ein genaueres Bild davon verschaffen, was auf uns zukommt – und was noch getan werden muss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen