hier Eine Kolumne von Christian Stöcker 21.04.2024
Streit über Importzölle
Volker Wissing, der Mercedes-Chef und der Auto-Branchenverband sind sich einig: Alle lehnen Importzölle auf chinesische E-Autos ab. Zum Teil aus den falschen Gründen – aber zu Recht!
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kommt in dieser Kolumne meistens eher schlecht weg (zum Beispiel vergangene Woche ). Das Gleiche gilt für die deutsche Automobilindustrie: Sie hat das E-Auto zu lang verschlafen, ihre Lobbyanstrengungen pro Verbrennungsmotor und gegen Schadstoffgrenzwerte machen sie genauso unsympathisch wie der unzureichend aufgearbeitete Dieselskandal um technische Betrugssysteme.
Christian Stöcker, Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang Digitale Kommunikation. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.
In einer wichtigen aktuellen Streitfrage aber liegen sowohl Volker Wissing als auch der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) ausnahmsweise richtig: Sowohl der Verkehrsminister als auch der VDA lehnen Strafzölle für chinesische Elektroautos grundsätzlich ab. VDA-Verbandschefin Hildegard Müller (einst enge Vertraute von Angela Merkel), erklärte vor einer Woche , Gegenmaßnahmen wie zusätzliche Zölle würden die Herausforderungen, vor denen die europäische Autobranche steht, nicht lösen.
»Wir sollten sie senken«
Die EU-Kommission lässt derzeit untersuchen , ob China mit Subventionen für Hersteller wie Geely, BYD und SAIC unlauteren Wettbewerb befördert. Im Moment ist von möglichen Auswirkungen allerdings noch wenig zu sehen: Dem NDR zufolge wurde im Jahr 2023 in Deutschland 525.000 vollelektrische Fahrzeuge zugelassen. Nur 5,5 Prozent davon kamen aus China, also nicht mal 30.000.
Hersteller kappen Rabatte für Elektroautos
Noch weiter als der VDA ging vor einigen Wochen Mercedes-Chef Ola Källenius im Gespräch mit der »Financial Times«: »Erhöhen Sie nicht die Zölle. Ich bin da ganz anderer Meinung, ich denke, wir sollten den umgekehrten Weg gehen: die Zölle, die wir haben, nehmen und sie senken.« Im Moment gibt es einen Zoll von zehn Prozent auf Autoimporte aus China und umgekehrt einen Importzoll von 15 Prozent auf Autos, die China selbst einführt. Allerdings stehen viele Fabriken deutscher Autofirmen ohnehin in China.
Gesenkte Zölle würden chinesische E-Autos in Europa billiger machen. Im Moment sind chinesische Modelle in Deutschland noch ziemlich teuer. Zu Hause bietet BYD Neuwagen ab einem Preis von circa 10.000 Euro an . Hier kostet das Auto deutlich mehr, aber nicht nur wegen der Zölle. Deshalb brauchen wir viel mehr viel billigere Importe aus China – um Druck auf unsere Industrie zu machen.
Angst vor Chinas Revanche
Fairerweise muss man sagen, dass der VDA Handelseinschränkungen auch in der Vergangenheit schön öfter abgelehnt hat, und zwar nicht nur dann, wenn es um die eigenen Exportmöglichkeiten ging – etwa nach Brasilien . Bei den Importzöllen anderer Staaten leuchtet das unmittelbar ein, schließlich haben durch Einfuhrzölle teurere Autos aus Deutschland immer einen Wettbewerbsnachteil.
Hildegard Müller vom VDA fürchtet einen »Handelskonflikt«, der könne sich »entsprechend schnell negativ auswirken«. Heißt: Der VDA fürchtet Chinas Rache. Das Land ist für die deutschen Hersteller als Absatzmarkt einfach zu wichtig.
Auch Bundesverkehrsminister Wissing hält »grundsätzlich« nichts von »Marktbarrieren«, auch bei chinesischen E-Autos. Das ist mal echter Liberalismus.
Wissing braucht dringend Hilfe
Es gibt aber noch einen vermutlich anderen Grund: Für Wissing ist der schnelle Erfolg des E-Autos wichtig, damit er eine unausgesprochene Wette gewinnen kann: Dass Deutschland nämlich keinerlei klimarelevante Regulierung im Verkehrsbereich unternimmt (was mittlerweile als Wissings primäres Ziel erkennbar sein sollte), aber die CO₂-Emissionen in Wissings Sektor trotzdem sinken. Und zwar erheblich. Dass Chinas günstige E-Autos dafür reichen, erscheint derzeit eher zweifelhaft, sie mit höheren Importzöllen teurer zu machen, wäre aber in jedem Fall der falsche Weg.
Der Verkehrsminister hofft also auf Entlastung und vielleicht darauf, dass Deutschland am Ende doch keine Strafzahlungen leisten muss. Er hat es zwar geschafft, dass die Sektorziele, also auch ein konkretes CO₂-Einsparziel für sein Ministerium, aus dem Klimaschutzgesetz gestrichen werden. Aber die EU, die ebenfalls sektorspezifische Einsparziele vorgibt, dürfte das wenig interessieren – wenn Deutschland beim Verkehr nicht schnell Emissionen reduziert, wird es für alle, die in diesem Land Steuern zahlen, teuer: Dann drohen Strafzahlungen .
Kreative Namen, internationale Verflechtungen
Der Minister ist also vermutlich nicht zuletzt aus Angst vor Strafen fürs Nichtstun für billige E-Autos aus China. Die Automobilbranche wiederum ist primär von Angst vor Rachezöllen gegen Importzölle. Mercedes vermutlich zusätzlich auch noch deshalb, weil der Konzern zu 20 Prozent den chinesischen Unternehmen Geely und BAIC gehört. Letzteres ist leicht zu verwechseln mit SAIC, mit dem wiederum VW ein Joint Venture betreibt. Beide Firmen heißen kreativ »Automobile Industry Corporation«, das B in BAIC steht für »Bejing «, das S in SAIC für »Shanghai«. Deutschlands Autobranche ist längst mit Chinas verflochten.
Im allgemeinen Interesse sind möglichst billige E-Autos und damit eben möglichst keine Importzölle aber aus einem viel wichtigeren Grund: Jedes Auto, das durch ein E-Auto ersetzt wird , ist ein weiterer Schritt in eine Welt, in der fossile Brennstoffe keine Rolle mehr spielen. Die Mineralölkonzerne und die Petrostaaten fänden noch höhere Importzölle für chinesische E-Autos zweifellos fantastisch – denn die hemmen den Wettbewerb und steigern so die Preise. Und wenn die Leute weiter Verbrenner fahren, kaufen sie auch weiterhin teuren, klimaschädlichen Sprit.
https://www.rnd.de/e-mobility/e-auto-preise-in-europa-koennten-wegen-importen-aus-china-sinken-GQ2HZF4PKBIQJEGLEIQP5MSRDU.html
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