Donnerstag, 18. April 2024

Kosten des Klimawandels sechsmal so hoch wie Kosten zur Bekämpfung

 Standard hier Tanja Traxler  17. April 2024

SCHÄDEN DURCH KLIMAERHITZUNG

36 Billionen Euro Schaden pro Jahr: Eine Neubewertung der Klimaschäden zeigt, dass 19 Prozent globaler Einkommensverlust bis 2049 zu erwarten sind

Klimaschutz kostet Geld, viel Geld. Uneinigkeit darüber, von wem die Kosten getragen werden müssen, ist ein zentraler Hemmschuh beim Ausstieg aus fossiler Energie. Doch auch die Inaktivität in Sachen Klimaschutz kostet Geld – und zwar viel mehr, als oft angenommen wird. Eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die nun im Fachmagazin "Nature" erschienen ist, beziffert die klimawandelbedingten ökonomischen Schäden. Die Prognosen zeigen gleichermaßen erstaunliche wie erschreckende Ergebnisse.

Demnach würde die globale Wirtschaft als Folge unserer bisherigen Emissionen bis 2049 einen mittleren Einkommensverlust von 19 Prozent erleiden, verglichen mit einer Ausgangssituation ohne Klimaauswirkungen. Insgesamt werden die weltweiten jährlichen Schäden auf 36 Billionen Euro geschätzt, wobei die Bandbreite für den prognostizierten Schaden im Jahr 2025 zwischen 18 und 56 Billionen Euro liegt. "Bis Mitte des Jahrhunderts sind die Schäden bereits sechsmal höher als die Kosten, die es brauchen würde, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten", sagt Leonie Wenz, Klimaforscherin am PIK und Co-Autorin der Studie. "In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts könnten sie dann bei ungenügendem Klimaschutz noch deutlich höher sein." Sowohl die Größenordnungen als auch "diese sehr klaren ökonomischen Anreize für mehr Klimaschutz" waren für die Forschenden überraschend.

Alle Länder betroffen

Ein weiteres verblüffendes Ergebnis der Studie sei, "wie hoch die wirtschaftlichen Kosten sind und dass nahezu alle Länder betroffen sind – auch reiche Länder wie Deutschland oder Österreich, die derzeit noch vergleichsweise kühl sind", sagt Wenz. Die Einkommensrückgänge ergeben sich aus Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Aspekte, die für das Wirtschaftswachstum relevant sind, wie landwirtschaftliche Erträge, Arbeitsproduktivität oder Infrastruktur. Auch war in den Prognosen deutlich zu sehen, dass die Klimaschäden global alles andere als gleichmäßig verteilt sind: Die größten wirtschaftlichen Schäden sind in Ländern mit niedrigeren Einkommen in tieferliegenden Regionen zu erwarten und insbesondere jenen, die historisch unterdurchschnittlich zu den globalen Emissionen beigetragen haben.

Als "schockierend" bezeichnet Wenz diese enorme Ungleichheitskomponente: "Die Länder, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, werden voraussichtlich Einkommensverluste erleiden, die 60 Prozent höher sind als in den Ländern mit höherem Einkommen und 40 Prozent höher als in den Ländern mit höheren Emissionen."

Auch Anders Levermann, Leiter der Forschungsabteilung Complexity Science am PIK und Co-Autor der Studie, betont, dass die Länder, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, 40 Prozent höhere Einkommensverluste erleiden werden als jene Länder mit höheren Emissionen.

Schäden größer als bisher angenommen

Die aktuelle Studie prognostiziert deutlich größere Schäden durch den Klimawandel als frühere Prognosen. Die Gründe dafür liegen auch im ausgefeilteren Studiendesign. Bislang wurden bei der Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen vor allem die steigenden Jahresmitteltemperaturen in den Blick genommen. In der nun vorliegenden Studie werden darüber hinaus auch die Folgen von stark schwankenden Tagestemperaturen und Niederschlagsänderungen wie extremen Regenfällen mit einkalkuliert. "Wir können zeigen, dass die Berücksichtigung dieser Faktoren die Klimaschäden um circa 50 Prozent anhebt", sagt Wenz.

Um der lokalen Ausprägung von Wetterextremen Rechnung zu tragen, wurden hochauflösende Daten für die Analyse herangezogen. Viele bisherige Studien zum Thema hatten mit Daten auf Länderebene gearbeitet, die neue Analyse fokussierte hingegen auf die subnationale Ebene, in Österreich wurden beispielsweise die neun Bundesländer spezifisch berücksichtigt. "Wir haben Daten aus mehr als 1.600 Regionen weltweit zusammengetragen und analysiert, wie Temperatur und Niederschlag die Wirtschaft in den vergangenen 40 Jahren beeinflusst haben", erläutert Wenz. Diese Erkenntnisse aus der Vergangenheit sind dann mit Projektionen zukünftiger Temperatur- und Niederschlagsänderungen von aktuellsten Klimamodellen kombiniert und eine Prognose für die kommenden 25 Jahre erstellt worden.

Klare Empfehlungen

Für Wenz leiten sich mehrere Empfehlungen aus der Studie ab. Zunächst brauche es mehr Anpassungsmaßnahmen, denn die wirtschaftlichen Schäden bis Mitte des Jahrhunderts seien eine Folge der bisherigen Emissionen. "Wenn wir diese reduzieren wollen, brauchen wir mehr und gezielte Anpassungsmaßnahmen", sagt Wenz. Zudem plädiert die Forscherin für mehr Unterstützung für jene Länder, die am stärksten von Klimaschäden betroffen sind. Sie würden historisch am wenigsten Verantwortung für die globale Erwärmung tragen und hätten am wenigsten Ressourcen, um sich anzupassen.

"Wir müssen uns entscheiden: Ein Strukturwandel hin zu einem erneuerbaren Energiesystem ist für unsere Sicherheit notwendig und wird uns Geld sparen. Bleiben wir auf dem Weg, den wir derzeit beschreiten, wird dies katastrophale Folgen haben. Die Temperatur des Planeten kann nur stabilisiert werden, wenn wir aufhören, Öl, Gas und Kohle zu verbrennen", sagt Levermann.

Auch Wenz spricht sich für mehr Klimaschutz aus: "In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts können wir mit Klimaschutz noch viel bewirken: Ende des Jahrhunderts könnten die Einkommensverluste bei bis zu 60 Prozent liegen, wenn wir so weitermachen wie bisher." Mit engagiertem Klimaschutz könnten die Verluste bis 2100 hingegen auf 20 Prozent begrenzt werden. "Die Prognose zeigt deutlich, dass Klimaschutz viel billiger ist als ein Verzicht darauf, und zwar ganz ohne Berücksichtigung nichtökonomischer Auswirkungen wie des Verlusts von Menschenleben oder der Artenvielfalt." (Tanja Traxler, 17.4.2024)

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