Mittwoch, 3. Mai 2023

„Dämmen ist für eine Wärmepumpe nicht nötig“ - die Heizungswende

 hier von Nadine Oberhuber 19.04.2023 in Capital

Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe nutzt die Umgebungsluft als Wärmequelle, um ein komplettes Gebäude mit Wärme zu versorgen

Wie der Wärmepumpen-Umstieg trotz Handwerkermangel gelingen kann, warum Hausbesitzer dafür nicht erst aufwendig ihr Haus umrüsten müssen und welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt

Einen Satz würde Philipp Pausder gerne aus der Sprache und den Köpfen streichen. Und zwar, dass alte Häuser gedämmt werden müssen, bevor man eine Wärmepumpe einbauen kann. Das nämlich hört er immer wieder. „Eine Dämmung ist nicht notwendig, die Wärmepumpe funktioniert auch so“, sagt er nachdrücklich.

Pausder ist Gründer und Vorstand von Thermondo, einem Unternehmen, das Komplettsysteme für Hauswärme anbietet und nach eigenen Aussagen der größte Heizungsinstallateur hierzulande ist. Die Firma rüstet in Serie bestehende Einfamilienhäuser auf Wärmepumpen um und bietet auch Mietmodelle an. Und sie hat sich vor allem eines zum Ziel gesetzt: Die Einbaugeschwindigkeit solcher Pumpen hierzulande enorm zu beschleunigen – und damit die Wärmewende.

Vor allem zwei Dinge wirken derzeit als Hemmschuh für die Technologie, oder besser für deren Einsatz in bereits bestehenden Wohnhäusern: Da ist zum einen das Mantra, dass Wärmepumpen nicht im Altbau funktionierten, solange das entsprechende Haus nicht rundum energiesaniert sei. Das nämlich behaupten sehr viele Energieexperten und Sanitärfachleute noch immer. „Das ist ein Mythos. Und diese Mär muss endlich ausgeräumt werden“, verdeutlicht Pausder. Und es ist zum anderen die Branche der Heizungs- und Sanitärinstallateure selbst.

Zu wenige Fachkräfte für den Einbau

Die Branche zählt momentan nur 275.000 Beschäftigte, und von denen kennt sich nur ein Bruchteil überhaupt mit dem Thema Wärmepumpen aus: Nur 15 Prozent der Betriebe seien derzeit in der Lage, die Planung und den Einbau von Wärmepumpen vorzunehmen, sagen Branchenzahlen. Um jene sechs Millionen Wärmepumpen aufzustellen, die sich die Bundesregierung zum Ziel für 2030 gesetzt hat, fehlten rund 60.000 Fachkräfte in der Sanitär- und Heizungsbranche, beziffert die Branche selbst.

Heizungsverbot und Sanierung Alles Wärmepumpe oder was? Welche Alternativen sich anbieten

Das Heizungsverbot und die neue EU-Gebäuderichtlinie geben die Marschrichtung vor: Das Heizen soll möglichst bald klimaneutral werden. Aber was heißt das genau für Eigentümer? Und welche Alternativen zur Wärmepumpen gibt es eigentlich noch?

Der Einbau der Geräte ist recht komplex – jedenfalls viel aufwendiger als der Anschluss einer neuen Gasheizung. Deshalb kommt die Umrüstung insgesamt so langsam voran. Im Schnitt, sagt der SHK-Verband, verbaue ein Installateur derzeit 0,8 Wärmepumpen pro Monat – auch, weil es rund 18 Personentage dafür benötigt. In dieser Geschwindigkeit würde es noch 15 Jahre dauern, bis Deutschland jene sechs Millionen Wärmepumpen aufgestellt hat.

Aber es gäbe eine Möglichkeit, das Verfahren erheblich zu beschleunigen, sagen die Thermondo-Verantwortlichen. Sie projizierten, wie sich der Wärmepumpen-Einbau schon demnächst auf die zehnfache Geschwindigkeit herauffahren ließe. Dann könnte ein Installateur monatlich sogar acht Wärmepumpen anschließen. Die Pläne dazu stellten das Wärmeunternehmen bei einer Veranstaltung am Dienstag vor und diskutierte sie mit Energieexperten und dem Referatsleiter des Wirtschaftsministeriums, Alexander Renner.

Aber die Zahl ließe sich erhöhen

Es gebe drei Hebel, mit denen die Installationsleistung hochgefahren werden könne: Erstens müsse die Branche stärker auf Arbeitsteilung setzen. Zweitens müsse sie standardisieren und Planungs- sowie Einbauprozesse digitaler machen. Drittens müsse sie Quereinsteiger befähigen, beim Einbau unterstützend mitzuhelfen.

Die Sache mit der Arbeitsteilung „klingt trivial“, sagt Gerke Gersema, Geschäftsführer bei Thermondo. „Jeder Handwerker soll sich auf das konzentrieren, was sein Handwerk ist.“ Tatsächlich aber funktioniere der Wärmepumpeneinbau bisher alles andere als arbeitsteilig, erklärt er und brachte als Ex-McKinsey-Berater dazu auch das passende Schaubild mit. Insgesamt 35 Arbeitsschritte seien nötig, von der ersten Hausbesichtigung, über die Planung, Angebotserstellung, und Materialbestellung, bis hin zum Aufbau der Fundamente, der Elektrovorbereitung und schließlich dem Einbau der Wärmepumpe.

Üblich sei in den allermeisten Betrieben, „dass alle diese Arbeitsschritte noch von Handwerkern erledigt werden.“ Unmittelbar nötig sei das Handwerkerwissen jedoch nur bei drei Schritten davon, nämlich beim Bau von Fundamenten, Elektrovorbereitungen und dem Pumpen-Einbau. Lagere man also die Planung und Vor- sowie Nacharbeiten ans Backoffice aus, könnten die Kräfte der Handwerker viel besser genutzt werden.

Mehr Standard - mehr Quereinsteiger

Zudem ließe sich mit digitalen Planungen und mit standardisierten Arbeitsmodulen viel mehr Effizienz schaffen: „Wir müssen eine industrielle Logik in die Baustellenabläufe bekommen“, findet der Thermondo-Geschätfsführer. So könne man Vorarbeiten wie das Aufbauen der Fundamente mit vorgefertigten Modulen angehen. Das brächte auch mehr Standards in die Prozesse.

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Zudem könnten viele Arbeitsschritte von ungelernten Kräften übernommen werden oder von speziell geschulten Quereinsteigern. Nicht jeden Handgriff müssten ausgebildete Fachkräfte übernehmen. Das entlaste die Handwerker zusätzlich. Dadurch könnten sie in Summe viel größere Stückzahlen in den Markt bringen, wenn sie jeweils gezielter eingesetzt würden. „In Summe werden beim Wärmepumpeneinbau nur 1,7 Personentage von einem Fachhandwerker benötigt“, den Rest könnten auch anders ausgebildete Mitarbeiter übernehmen. Rechne man mit 15 produktiven Arbeitstagen pro Monat je Fachhandwerker, dann ergibt sich so eben jene Zahl von acht einbaubaren Wärmepumpen je Handwerker und Monat. Die angestrebte Verzehnfachung.

Am grundsätzlichen Rollout der Wärmepumpe aber führe kein Weg vorbei, so bekräftigt auch  Ministeriums-Projektleiter Alexander Renner: „Die Wärmepumpe ist eine ausgereifte Technik und in Summe die günstigste Variante für Hausbesitzer“, wenn man sich die späteren Betriebskosten ansehe. Das gilt bereits zu derzeitigen Gas- und Stromkosten auf, zeigten verschiedene Studien des Fraunhofer Instituts und der Verbraucherzentralen. Geht man davon aus, dass die Gaspreise künftig eher ansteigen, der Strompreis für Wärmepumpenbesitzer dagegen billiger wird – was auch laut Regierungsplänen angestrebt wird – dann müsste sich die Technik künftig erst recht rechnen.

Wie gut ist die Wärmepumpen-Technik?

Außerdem ist die Wärmepumpentechnik bereits heute verfügbar, man müsse also nicht erst noch jahrelang technologieoffen weitertüfteln, um eine weitere nutzbare Technik für die heimische Wärmewende zu entwickeln, betonten die Experten. Wasserstoff jedenfalls sei keine geeignete Lösung für den Hausgebrauch, waren sich Renner und Pausder einig.

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Nun gibt es immer wieder Verunsicherung, ob die Wärmepumpe in kalten Wintern zuverlässig in Altbauten, also in Bestandshäusern funktioniert – und vor allem darüber, wie viel Strom bei Extremtemperaturen nötig sei, um ihren Betrieb mit zusätzlichen Heizstäben zu gewährleisten. „Die Wärmepumpe funktioniert eigentlich immer“, sagt Thermondo-Chef Pausder dazu, „für alle Häuser ab 1978 ist das gar kein Problem. Und auch für alle Häuser unter 300 Quadratmetern Wohnfläche – fast egal in welchem Zustand sie sind.“ Selbst wenn Einfamilienhäuser also unsaniert und vor allem ungedämmt seien. Die Pumpen seien inzwischen so effizient, „dass man damit 300 Quadratmeter Wohnfläche locker beheizen kann.“

Bis minus 15 Grad laufe die üblicherweise verbaute Wärmepumpe ohnehin auf Kompressor und nicht durch Stromzufuhr, so sagt es der Thermondo-Gründer. Erst ab minus 15 Grad müsse man einen Heizstab zuschalten. Und wenn tatsächlich mehr als 300 Quadratmeter Fläche beheizt werden müssten, dann reiche oft eine zusätzliche Dämmmaßnahme, um das mit einer 16 KW-Pumpe zu schaffen. Sprich: Es müsste dann möglichst die Kellerdecke von unten gedämmt werden oder der Dachboden.

Es geht auch ohne große Sanierungen

Die üblichen Erzählungen jedenfalls, wonach Hausbesitzern zunächst einmal eine Vollsanierung ihres Hauses drohe, und erst einmal 100.000 Euro investieren müssten, bevor sie eine Wärmepumpe einsetzen könnten, verbannen beide Experten ins Reich der Märchen. „Auf die Funktionsweise einer Wärmepumpe hat die Dämmung keinen Einfluss“, bestätigt auch Gebäude-Effizienxexpertin Martina Schmitt von der Energieagentur Dena, „nur auf die Betriebskosten“. Auch Referatsleiter Renner vom Wirtschaftsministerium stellt klar: „Ob Sie dämmen oder nicht, ist kein Wärmepumpenthema, sondern ein Gebäudethema. Wir müssen beide Themen unabhängig voneinander denken.“ Natürlich sei es ratsam und sinnvoll, ein Gebäude auch energetisch zu sanieren, aber Grundvoraussetzung für den Betrieb der neuen Heiztechnik sei das nicht.

Ebenso wenig sei die Umrüstung auf Fußbodenheizung nötig, sagt Thermondo-Gründer Pausder. „Das ist ebenfalls eine Legende. Man kann auch mit ganz normalen Heizkörpern arbeiten. Eventuell müssen wir in Einfamilienhäusern ab und zu mal einen Heizkörper tauschen und einen größeren einbauen.“ Damit sei es dann aber auch getan.

An einem Punkt erhofft sich die Branche noch deutlichen Verbesserungsbedarf: Bei den Preisen der Wärmepumpen und der staatlichen Förderung. Zuletzt hatten sich die Preise der Geräte ungefähr verdoppelt. Mit dem Aufbau neuer Produktionskapazitäten aber dürften die Preise hoffentlich bald wieder sinken. Auch der effizientere Einbau könnte zumindest die Personalkosten für die Installation drücken, wenn auch nur um rund 15 Prozent, rechnet Pausder vor. Der Staat müsse noch einmal über die Förderung nachdenken, räumte Ministeriums-Vertreter Renner ein, vor allem über Hilfen für ältere Hausbesitzer. Darüber werde diskutiert, „da bitte ich aber um etwas Geduld.“

Hilfen für ältere Hausbesitzer

Gerade ältere Immobilienbesitzer bekommen nämlich allzu oft keine Kredite mehr von Banken, wenn sie kostspielige Energiesanierungen in Angriff nehmen wollen. „Wir können es uns aber im Zuge des Klimawandels nicht leisten, diese ältere Generation in unsanierten Häusern zu belassen, die erst saniert werden, wenn die Immobilien an die nächste Generation übergeben werden.“ Zusätzliche Förderungen, „Sozialkomponenten und Boni“ oder staatliche Garantien seien hier denkbar.

Eines geht immer: Man muss Wärmepumpen nicht gleich kaufen, man kann sie auch mieten. Bei Thermondo liegen die monatlichen Kosten in etwa bei 200 Euro. Die gesammelten Installations- und Wartungsarbeiten tritt der Hausbesitzer damit an die Wärmepumpenverleiher ab. Die Fördergelder, die der Staat für Wärmepumpen zahlt, dann allerdings auch.

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