Montag, 29. Mai 2023

Pflicht zum Kompromiss

 Podcast von t-online hier zum Anhören vom 27.5.23 - das lohnt sich sehr!


Tagesanbruch

Ohne Wärmepumpe sieht man bald alt aus....

So langsam scheinen die Ampelleute zur Besinnung zu kommen, ein Kompromiss beim Heizungsgesetz deutet sich an. Was kommt da nun auf die Bürger zu? Wie genau funktioniert eigentlich eine Wärmepumpe, und warum sollte man jetzt keine Öl- oder Gasheizung mehr anschaffen?
Welche Vorschriften sind wirklich brisant, was ist nur politisches Theater, und was kommt als Nächstes?
 Die Pläne für den Klimaschutz gehen ja noch viel weiter. Antworten liefern unsere Klimaexpertin Sonja Eichert, Moderatorin Lisa Fritsch und ich im "Diskussionsstoff"-Podcast. Hören Sie bitte.

Handelsblatt hier

Wohnungsbranche begrüßt Nachbesserungen beim Heizungsgesetz

Nach dem eskalierten Streit um die „Wärmewende“ zu mehr Klimaschutz in Gebäuden werden Kompromisse gesucht. Ein Anstoß Habecks dafür findet in der Wirtschaft Zuspruch. 

Die Wohnungsbranche hat die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigten Nachbesserungen am Heizungsgesetz begrüßt. „Genau das haben wir von Beginn an gefordert: das Gesetz auf seine Machbarkeit zu überprüfen und es sozial zu flankieren, um niemanden unverhältnismäßig zu überfordern“, sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, am Samstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Positiv zu bewerten sei angesichts gravierenden Handwerkermangels auch der Vorschlag, den Zeitrahmen für Bestandsgebäude auszudehnen.

Die Union fordert weiterhin, die Pläne komplett zurückzuziehen.

Habeck hatte nach heftigem Koalitionsstreit in Aussicht gestellt, die Pläne für einen Umstieg auf Heizungen mit erneuerbaren Energien an einigen Punkten zu überarbeiten. „Ich will das Gesetz besser machen“, sagte er den Funke-Zeitungen. Er kündigte dazu gemeinsame Gespräche mit seinem neuen Staatssekretär Philipp Nimmermann in der kommenden Woche an. Für diesen Dienstag ist demnach ein Treffen Habecks mit Abgeordneten der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP geplant.

Habeck nannte vier Bereiche für Verbesserungen. So könne der geplante Start am 1. Januar 2024 entzerrt werden, indem das Gesetz zunächst nur für dann geplante Neubauten greift. Beim Altbaubestand könne mehr Zeit gelassen werden, machte er in einem vom Ministerium verbreiteten Video deutlich. Bei den vorgesehenen verschiedenen Technologien könne etwa bei der Nutzung von Holzpellets noch mehr gehen. Vor allem mit Blick auf Städte solle „eine große Fernwärmeoffensive“ gestartet werden. Bei Härtefallregeln seien schon viele Ausnahmen vorgesehen. Man könne sie sich aber „genauer anschauen und da großzügiger sein“.

Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima begrüßte die Ankündigungen, deren Umsetzung abzuwarten bleibe. Klar sein sollte damit auch, dass „ein Wirksamwerden immer noch nicht existenter Neuregelungen“ zum 1. Januar unrealistisch werde, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann den Funke-Zeitungen. Bei Modernisierungen, die noch nach jetziger Gesetzeslage für 2024 angebahnt würden, müsse Bestandsschutz gelten.


Zeit hier  Eine Analyse von Ferdinand Otto  26. Mai 2023

Nun kommt mal wieder runter

Die FDP steht als Klischee einer Fossillobby da. Jetzt merken die Liberalen: Ein Scheitern beim Heizgesetz können sie sich nicht mehr leisten – ein Kompromiss muss her.

Die FDP hat zuletzt einiges getan, um ein Klischee zu erfüllen: In Wahrheit, so lautet diese Vorstellung, will die Partei keine klimapolitische Wende, sondern eine liberale Welt, in der Verbrenner über die neu gebaute Autobahn jagen dürfen, während in den Kellern die Ölheizungen schnurren. Die FDP als die Partei mit den lebensverlängernden Maßnahmen für das ausgehende Fossilzeitalter, als Schutzmacht der Schmutzmacher. Eben noch bei der EU für den Verbrennungsmotor gekämpft, jetzt der vorläufige Höhepunkt: Die FDP blockiert einen Gesetzentwurf aus dem Kabinett, der das Heizen klimafreundlicher machen soll.

Inzwischen schwant auch prominenten Liberalen: So geht das nicht weiter, die Abgaslobby ist mittelfristig einfach kein gutes Wahlversprechen. Irgendwie ist gerade zu viel gelb-grüne Aufgeregtheit, als dass sich noch vernünftig regieren ließe.......

Erst die Profilierung – jetzt Bemühen um Deeskalation

Die Lehre, die die Parteispitze daraus (den Wahlen) seit geraumer Zeit zieht: Es müsse jeder Hebel genutzt werden, um so viel FDP wie möglich durchzudrücken und Projekte der anderen, wo immer nötig zu entschärfen, siehe E-Fuels, Bürgergeld oder Autobahnneubau.

Die Strategie hat durchaus Erfolg. In Bremen gelang zuletzt ein Erfolg bei den Landtagswahlen, in den bundesweiten Umfragen geht es seit dem Frühling wieder leicht bergauf – und führende Liberale glauben nun, die richtige Haltung zur Ampel gefunden zu haben: Vetomacht gegen linken Unsinn und bürgerliches Korrektiv. Und am Gebäudeenergiegesetz in Version eins gab es durch die gelbe Brille besehen tatsächlich noch zu schleifen. Da hätten etwa noch Abschalttermine für funktionierende Heizungen dringestanden, heißt es bei der FDP. Ein No-Go. Für dieses Prinzip der kalkulierten Obstruktion steht etwa Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Der forderte mit Blick auf die vom Kabinett beschlossenen Habeck-Heizpläne am Montag: Es brauche im Prinzip ein neues Gesetz. Auch Parteichef Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing verfallen gelegentlich in diese Strategie

... Wirkmächtig genug jedenfalls, um den Eindruck zu vermitteln: Der FDP gehe es um Opposition in der Regierung. Klassisches Beispiel: Stromtrassen für die Grünen gebe es nur, wenn die FDP ihre Autobahnen bekomme, polterte es zum Beispiel nach der Berlin-Klatsche. ....

Gesprächswertpartei möchte man ja schon sein, aber doch bitte nicht so.

...Das Ergebnis zwischen kalkuliertem und unkalkuliertem Widerstand einerseits und Konzilianz andererseits ist dann das: Was genau das Problem der FDP mit der Neuauflage des Habeck-Gesetzes ist, dringt kaum noch durch. Ob die Partei bei allem ein strategisches Zentrum hat, scheint wenigstens zwischendurch fraglich. Lindner selbst ließ das zuletzt laufen, so der Eindruck. Zumindest hat er das Durcheinander nicht verhindert.

Stattdessen verstärkt sich die Wahrnehmung: Hier nimmt eine Partei irreparablen Schaden an der Koalition in Kauf für ein paar Prozentpunkte im Landtagswahlkampf. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schnaubte zuletzt, die FDP begehe Wortbruch. "Unzuverlässigkeit" bei den Liberalen beklagte die grüne Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann.

Der kleinste gemeinsame Klima-Nenner

Und darum geht es in der Sache: Das liberale Unbehagen entzündet sich an vier Punkten.

Erstens: Der Fokus liege zu sehr auf der Wärmepumpe. Echte Technologieoffenheit gebe es nicht – was die Grünen wiederum anders sehen. Die FDP hatte zwar zwischenzeitlich reinverhandelt, dass Gasheizungen auch mit Wasserstoff weiter betrieben werden können. Aber so wie das jetzt im Gesetz stehe, sei das praktisch nicht umsetzbar, klagen die Liberalen.

Zweitens: Eigentlich müsste zunächst die kommunale Wärmeplanung stehen, die hängt aber noch im Kabinett. Denn nur dann wüssten Haushalte, ob sie auf Wärmepumpen umrüsten müssen oder mit einem Fernwärmeanschluss rechnen können.

Drittens: Noch immer ist nicht klar, welcher Eigentümer wie gefördert werden soll. Zuschüsse entlang fester Einkommensgrenzen lehnt man bisher ab. Aus Angst vor Bürokratie, neuen Ungerechtigkeiten und der liberalen Urfurcht: einer staatlichen Interventionsspirale.

Viertens: Eigentlich müsste mit dem Start des GEG ein echter Emissionshandel für den Heizungsbereich eingeführt werden. Ach ja: Und das alte Gasnetz, immerhin Milliarden wert, möchte bitte noch nicht sofort verschrottet werden.

Das klingt dann alles plötzlich schon wieder viel kleiner, besonnener und technischer, als die öffentliche Empörung der Liberalen über Habecks Pläne es vermuten lassen würde. Der Streit verweist jenseits aller Landtagswahlen und Profilierungsbedürfnisse auf einen tieferliegenden Konflikt, der eben mit dazu führt, dass die FDP seit Regierungsstart als Garant des Status quo wahrgenommen wird.

Fossiles Heizen wird teuer

Ordnungsrecht gegen den Klimawandel sehen die Liberalen grundsätzlich skeptisch. Die gesparte Tonne CO₂ mit der grünen All-Electric-Strategie sei aberwitzig teuer. Ihr Gegenentwurf ist: Jede Tonne zu emittierendes CO₂ bekommt ein Zertifikat und diese Scheine werden gehandelt – und dann Stück für Stück verknappt. Mit den Zertifikaten verschwindet dann auch das CO₂. Viele Forschende halten das für klug. Kein Zweifel: So kann man Klimaneutralität mit marktwirtschaftlichen Mechanismen erzwingen – einen Europäischen Emissionshandel gibt es längst. Und spätestens ab 2027 wird das ohnehin auch für die Heizung gelten. 

Nur haben die beiden Koalitionspartner Zweifel am reinen Markt. Die wohl nicht unbegründete Sorge ist, dass Energie unter Marktgesetzen sehr schnell sehr teuer werden würde. Wie die Mehreinnahmen des Staates aus dem Emissionshandel zurückgezahlt werden sollen, ist offen. Und ob das mal reicht, auch. Vermutlich bräuchte es trotz allem ergänzende Sozialprogramme.

Die einen blockieren also beim Ordnungsrecht, die anderen bei der Marktwirtschaft, mit dem Ergebnis, dass sich auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner in der Klimapolitik alles verhakt.

Nur so viel ist diesmal klar: Die FDP braucht die GEG-Reform. Kommt das neue Gesetz nicht, bliebe also alles beim Alten, würde fossiles Heizen mit dem Start des Emissionshandels 2027 ohnehin unglaublich teuer. Man dürfe die Bürger nicht in die Kostenfalle laufen lassen, heißt es aus der Fraktion. Auch bei der FDP weiß man: Ein Scheitern jetzt heißt unweigerlich, dass die kommende Regierung, womöglich unter FDP-Beteiligung, dann noch härter Eingreifen müsste, um die eigenen Klimaziele zu erreichen. Stillstand also diesmal ausgeschlossen, dafür die Pflicht zum Kompromiss. 

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