Freitag, 12. Mai 2023

Kampagne gegen Heizungstausch: Die Angstmacherei der Union ist schäbig

 NTV hier Ein Kommentar von Sebastian Huld  11.05.2023

Die CDU sammelt mit kruden Argumenten Unterschriften gegen das Verbot fossiler Heizungen, die CSU rückt Robert Habeck in die Nähe von Schwerverbrechern: Im Werben um Wähler verliert die Union ihr Augenmaß. Anstatt Sorgen der Bürger ernst zu nehmen, schürt sie Ängste - zum Schaden aller.

Die sogenannte Trauzeugen-Affäre lässt nach dem gestrigen Tag nur zwei Schlüsse zu: Entweder hat der sehr kluge und erfahrene Staatssekretär Patrick Graichen einen für seine Verhältnisse unglaublich dummen Fehler gemacht. Oder er hat versucht, einen Vertrauten auf einen strategisch wichtigen Posten zu hieven, sich dabei wissentlich über den Verhaltenskodex des Bundeswirtschaftsministeriums hinweggesetzt und dafür Schaden für das Haus in Kauf genommen. Mit vollem Recht macht nun die Union als größte Oppositionspartei Druck in dieser Affäre und pocht auf Aufklärung. Wie CDU und CSU aber den Vorgang mit dem kommenden Verbot fossiler Heizungen verknüpfen, wie beide Parteien auf Angstmacherei und Kulturkampf setzen, ist jenseits aller guten demokratischen Gepflogenheiten.

Nachdem die Union am Mittwoch im Bundestag das Bild einer "Clique" an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums gezeichnet hat, die den Bürgern die Wärmewende gegen jede Vernunft aufdrücke, startete sie heute eine Unterschriftenkampagne gegen das Gebäudeenergiegesetz. Im Bundestag warf CDU-Generalsekretär Mario Czaja Wirtschaftsminister Robert Habeck vor, er verbreite "Angst und Schrecken im ganzen Land". Mit Blick auf die CDU-Kampagne muss man feststellen: Angst und Schrecken verbreitet vor allem die CDU. Sie wirft der Regierung im Kampagnentext vor, dass niemand wisse, welche Förderungen es geben werde. Tatsächlich ist das Mindestmaß von 30 Prozent schon bekannt und weitere Förderungen zeichnen sich ab. Sie werden rechtzeitig stehen, bevor - voraussichtlich zum Jahreswechsel - das Gesetz greift.

Doch während die genauen Fördersummen tatsächlich noch nicht in Stein gemeißelt sind, überbieten sich Unionspolitiker mit Horrorszenarien für Hauseigentümer: 100.000 Euro, 150.000 Euro für Umbaukosten. Wer bietet mehr? Im Moment führt Bayerns wahlkämpfender Ministerpräsident Markus Söder die Liste der größten Schreckenszahlen mit 300.000 Euro an. Dass im Gesetzentwurf jetzt schon Härtefallregelungen vorgesehen sind, verschweigt die Union genauso wie die bereits erfolgte Festlegung, dass eben nicht nur Wärmepumpen gefördert werden, sondern jede Technologie, die die Vorgabe von 65 Prozent Erneuerbarer Energien erfüllt. Selbst Gasheizungen können in Verbindung mit einer Wärmepumpe für die nicht so kalten Tage bis 2045 im Keller verbleiben.

Dass Habeck und der Architekt der Energiewende, Patrick Graichen, von besonderer sozialer Kälte getrieben seien, lässt sich frei von Fakten leicht behaupten. Tatsächlich hatte die vom Institut Agora Energiewende, dessen Geschäftsführer Graichen war, entworfene Studie zur Umsetzbarkeit des Heizungstausches Förderquoten von bis zu 100 Prozent vorgesehen, also eine komplette Übernahme der Kosten durch den Staat. Auch Habeck zeigte sich dafür in den vergangenen Monaten offen. Zumindest Förderungen bis 80 Prozent könnten am Ende des parlamentarischen Prozesses herauskommen. Wie sozialverträglich die Wärmewende wird, hängt lediglich an der Frage, wie staatliche Zuschüsse finanziert werden können. Soziale Kälte zu beklagen, aber keine soziale Lösung anzubieten, läuft einzig auf eine Verhinderung der Wärmewende hinaus.

Auf praktikable Lösungen scheint es CDU und CSU unter dem Vorsitz von Friedrich Merz und Markus Söder auch gar nicht anzukommen. Es geht um Stimmungsmache, darum, ein lautest mögliches "Nein!" zu rufen. Anders als auf der Website der Unterschriftenkampagne behauptet, findet sich bei der CDU kein Hinweis darauf, auf welchem anderen Weg Deutschland seiner Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2045 nachkommen könnte. Mit Öl- und Gasheizungen wird es jedenfalls nicht gehen, auch wenn die vergangenen, unionsgeführten Bundesregierungen alles getan haben, um die Bundesrepublik dauerhaft an fossile Energieträger zu binden - weshalb kaum eine andere europäische Industrienation bei der Gebäudewärme so abhängig von Öl und Gas ist. Der Grünen-Vorwurf, die Union habe letztlich gar kein Interesse am Erreichen der Klimaziele, ist schwer zu entkräften.

Natürlich darf die Union Kritik am GEG nutzen, um Wähler für sich zu gewinnen. Dass sie diesen Streit über die Diskreditierung von Einzelnen führt und weniger über Sachargumente, ist so legitim wie destruktiv. Dass sie mit dem Gerede von Clan- oder Mafiastrukturen die Grünen mit der organisierten Kriminalität gleichsetzt, verletzt aber jeden demokratischen Anstand. Und schädlich ist es dazu, weil die Union damit Wasser auf die Mühlen der Demokratieverächter schüttet. Wer den Menschen weismacht, die böse Regierung wolle sie mit krimineller Energie enteignen, trägt auch die Verantwortung dafür, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in den Staat als ganzes verlieren, sich abwenden oder Extremisten wählen. Das kann unmöglich das Ziel von Christdemokraten und Christsozialen sein.

Quelle: ntv.de


RND hier Andreas Niesmann 25.03.2023

Fossile Energieträger bevorzugt

Gebäudeenergiegesetz verhindert Klimaneutralität bis 2045

Ab Mai gelten für Energieausweise neue Regeln.

Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geplante Novelle des Gebäude­energiegesetzes hat in der Bundesregierung zu viel Streit geführt. Eine neue Studie gibt dem Minister jetzt Rückendeckung. Demnach müsste das Gesetz noch deutlich stärker reformiert werden als bisher vorgesehen, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht.

Eine neue Studie übt scharfe Kritik am Gebäudeenergiegesetz (GEG) in seiner aktuellen Form und fordert eine weit umfangreichere Novelle als sie die Ampelkoalition bislang ins Auge gefasst hat. „Mit der derzeitigen Gesetzeslage kann ein klimaneutraler Gebäudebestand bis 2045 nicht erreicht werden – im Gegenteil“, heißt es in der Analyse des Architektenbüros ZRS im Auftrag des Ökostromanbieters Lichtblick. Die Klimabilanz als Steuerungselement von Energieträgern spiele im aktuellen Gebäudeenergiegesetz gar keine Rolle, so die Studie weiter.

Hauptkritikpunkt der Autoren ist die pauschale schlechtere Bewertung von Netzstrom im Vergleich zu fossilen Energieträgern. Einen Bezug von 100 Prozent Ökostrom sehe das aktuelle Gebäudeenergiegesetz schlicht nicht vor, beklagt die Studie. Die Folgen dieser „Fehlkalkulation“ seien schwerwiegend, heißt es weiter. So führten die Kriterien im Gebäude­energiegesetz dazu, dass ein mit Gasbrennwertkessel beheiztes Bestandsgebäude eine deutlich bessere Klimabilanz als ein Haus mit Wärmepumpe aufweise, obwohl in der Realität das Klimapotenzial von Ökostrom bei Bestandsgebäuden gewaltig sei und bis zu 97 Prozent CO₂-Einsparung ermögliche, heißt es.

Expertin beklagt „Fehlinvestitionen in nicht klimaneutrale Technologie“

„Wir bauen die falschen Heizungen ein, weil die Klimawirkung fossiler und erneuerbarer Energien nur indirekt und völlig unzureichend im GEG abgebildet wird“, kritisiert Lichtblick-Klimaexpertin Corine Veithen. „Aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen kommt es sowohl bei Neubau, vor allem aber bei Sanierung zu Fehlinterpretationen und damit klima­politischen Fehlinvestitionen in nicht klimaneutrale Technologie“, so Veithen. Ein klima­neutraler Gebäudebestand bis 2045 rücke damit in weite Ferne.

Die Experten fordern, das GEG so zu überarbeiten, dass es die Klimaziele der Regierung unterstützt und die richtigen Anreize gibt, diese auch zu erreichen. Als neue Hauptindikatoren für die Bewertung von Gebäuden böten sich die CO₂-Bilanz und der zu erwartende End­energiebedarf an, heißt es. „Auf diese beiden Faktoren sollte die Gesetzgebung ausgerichtet werden. „In einem ersten Schritt sollte dazu in der anstehenden GEG-Novelle die Ermittlung von CO₂-Emissionen und Endenergiebedarf parallel zur Berechnung des Primär­energie­bedarfs vorgegeben werden“, fordern die Autoren.

Derzeit arbeitet die Ampelkoalition an einer Neufassung des GEG. Der Plan von Bundes­wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), ab Anfang 2024 den Einbau neuer Gasheizungen zu verbieten, hatte dabei eine hitzige Debatte ausgelöst.

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