Wieder mal ein Artikel aus der Börsen-Parallel-Welt. Ich bin froh um jede Innovation, die darin entsteht, frage mich allerdings gleichzeitig, ob ein wirkliches Heilmittel entstehen kann, wenn man in der immer gleichen Denkweise verhaftet bleibt. Versucht man da nicht mit immer neuen Mitteln den wirklich heilenden System-Umschwung vor sich her zu schieben oder gar zu verhindern?
Andererseits müssen wir in diesem System leben, wie sieht ein wirklicher Systemwechsel aus für die Menschen die darin leben? Mir fällt da spontan der Ansatz Gemeinwohl-Ökonomie ein.
Börsen-Zeitung hier
GASTBEITRAG: TAXONOMIE
Die Unternehmenswelt und insbesondere die Finanzindustrie beschäftigen sich derzeit unter Hochdruck mit der Implementierung der EU-Taxonomie-Vorgaben der ersten Stufe. Hier sind mittlerweile die Kriterien für die Messung und Offenlegung der Emission von Klimagasen erarbeitet.
Weniger bekannt ist außerhalb der Expertenkreise, dass sich die Taxonomie auch auf weitere Bereiche des Wirtschaftslebens bezieht, unter anderem auf die Zielsetzung, die Volkswirtschaften zu sogenannten Kreislaufwirtschaften (auf Englisch „circular economies“) weiterzuentwickeln.
Kern dieses Ansinnens ist es, die Verschwendung von natürlichen Ressourcen durch einmalige Verwendung und nachfolgend die Entsorgung zu unterbinden. Denn das Wegwerfen von Artikeln verursacht nicht nur das weithin bekannte Müllproblem, beispielsweise die Müllstrudel in den Ozeanen, sondern die weggeworfenen Gegenstände binden auch – teils wertvolle – Rohstoffe, die für die Herstellung neuer Produkte unter hohem energetischen Aufwand oder unter Belastung der Umwelt (zum Beispiel der Abbau von Kobalt und seltenen Erden für Mobiltelefone) wieder neu gefördert werden müssen. Wir sehen also einen massiven politischen Rückenwind.
Verluste bei Lebensmitteln
Um die Breite der Anwendbarkeit der Kreislaufwirtschaft zu illustrieren, sollen hier einige Beispiele genannt werden. Denn sie betreffen praktisch alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Für die Verbraucher unmittelbar begreifbar ist die Tatsache, dass circa ein Drittel aller Lebensmittel auf dem Weg vom Acker bis auf den Teller verloren geht, durch Verderben, Nichtkonsum oder anderes. Es gibt bis auf wenige Ausnahmen bislang keine systematische Verwertung von nicht konsumierten Lebensmitteln, sondern sie werden vielfach einfach über den Müll entsorgt.
Gleiches gilt für Verpackungsmaterialien, denn trotz des in Deutschland vor Jahrzehnten eingeführten Recyclingsystems „Grüner Punkt“, der von jedem Verbraucher durch eine Umlage mit finanziert wird, liegt die tatsächliche Wiederverwertung je nach Kunststoffsorte unter 10 oder 20 %. Elektro- und Elektronikgeräte werden überwiegend gar nicht recycelt, trotz der Tatsache, dass in Konsumelektronik sehr wertvolle Ressourcen verbaut sind (Gold, Platin, weitere Metalle).
In der Theorie ist die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft sehr eingängig und höchst wünschenswert, denn sie hilft massiv dabei, die Beanspruchung der natürlichen Ressourcen durch das menschliche Wirtschaften abzumildern.
Es gibt jedoch zwei mächtige Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Das eine ist das Thema Innovation. Bisher sind Kreislaufüberlegungen nur in einer Minderheit der Produkte umgesetzt worden, beispielsweise in der Automobilindustrie, wo bereits im Design neuer Fahrzeuge die komplette Wiederverwendung der Komponenten mit geplant wird.
Andere Lebensbereiche wie z. B. die zuvor genannte Konsumelektronik-Branche sind hingegen weniger systematisch auf Recycling vorbereitet, häufig auch aufgrund der Tatsache, dass es im Design der Produkte nicht mit bedacht wurde.
Die große Hürde bei der Wiederverwendung von einzelnen Komponenten von Produkten besteht häufig darin, dass das Endprodukt nur schwer wieder in seine Einzelteile zu zerlegen ist. Ohne den Schritt der Abtrennung ist die Gewinnung der Rohstoffe unmöglich. Ein alltägliches Beispiel ist die Tetra-Pak-Milchverpackung. Lange Zeit als sehr umweltfreundliches Verpackungsmaterial gepriesen, sind die Einzelbestandteile (Karton, Innenbeschichtung aus Kunststoff) praktisch nicht zu trennen, so dass die Mehrzahl der Verbundverpackungen eher der „thermischen Verwendung“ (sprich Verbrennung) zugeführt werden als der Aufteilung in Einzelrohstoffe.
Die gute Nachricht ist, dass sich in Sachen Innovation beim Recycling in den vergangenen Jahren viel getan hat. In immer mehr Bereichen setzt sich die grundlegende Bereitschaft durch, Recycling zum Teil des Produktzyklus zu machen.
Die zweite große Herausforderung ist die Kostenfrage. So lange der Abbau von Rohstoffen – teilweise unter entsetzlichen menschlichen oder ökologischen Bedingungen – günstiger ist als die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Altprodukten, wird der Anteil recycelter Rohstoffe überschaubar bleiben. Aber auch hier sorgt die Innovation für sinkende Kosten und höhere Wettbewerbsfähigkeit, die gepaart mit regulatorischen Vorgaben für einen Durchbruch sorgen kann.
Abseits der Börse
Ist damit die Kreislaufwirtschaft bereits das neue Anlagethema für den Investor? Diese Frage kann nicht eindeutig bejaht werden, denn das Potenzial für künftige Wachstumsstorys ist riesig. Allerdings spielt sich ein guter Teil der Innovation und der „neuen“ Geschäftsmodelle bei nicht-börsengelisteten Unternehmen ab, so dass dieser Bereich für den normalen Anleger nicht leicht zugänglich ist. Auch bei größeren Konzernen spielt das Thema Recycling eine wichtige strategische Rolle. Allerdings stellt sich dann die Frage, wie „thematisch rein“ ein Investment in ein solches Unternehmen ist, wenn der Anleger gezielt in Kreislaufwirtschaft investieren möchte.
Aus unserer Sicht stehen wir in diesem neuen Anlagethema noch am Anfang, es benötigt noch mehr investierbare Unternehmen. Das Potenzial, mittelfristig zu einem ertragreichen Thema zu werden, ist jedoch eindeutig gegeben.
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