Sonntag, 10. März 2024

Deutschland sag ja zu Frauenrechten!

 

elle hier  Judith Fischer  2. März 2024

Endlich gibt es neue Richtlinien, die Frauen in Europa vor Gewalt schützen sollen. Aber ausgerechnet Deutschland verhindert die Einführung. Warum?

Es ist komplett absurd: Es gäbe die historische Chance, endlich die Gewalt gegen Frauen europaweit zu bekämpfen und ausgerechnet ein deutscher Justizminister blockiert“, sagt Luisa Neubauer. Die Klimaaktivistin ist eine von 100 prominenten Frauen aus Politik, Kultur und Wirtschaft, die einen offenen Brief an Justizminister Marco Buschmann (FDP) geschrieben haben.

Sie sind wütend, denn ihrer Meinung nach steht Deutschland einem besseren Schutz von Millionen von Frauen im Wege.

Initiatorin der Aktion ist Kristina Lunz vom Centre for Feminist Foreign Policy, einer Forschungs- und Beratungsorganisation für feministische Außenpolitik. Unterzeichnet haben unter anderem die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die Moderatorin Sara Nuru und die Publizistin Düzen Tekkal.

Worum geht es bei dem Gesetz?

In einer Sache scheinen Frauenrechtsaktivist*innen und die EU-Kommission einer Meinung zu sein: Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind keine Privatsache, sondern ein gesellschaftliches Problem. Und in einer Zeit, in der ein Land nach dem anderen nach rechts abdriftet, ist dies ein Problem, das EU-einheitlich angegangen werden muss. Deshalb sollen neue Richtlinien her – die zum Beispiel die Strafen für Cyberstalking, Einschüchterung im Netz oder das ungefragte Zusenden von Dickpics festlegen. Aber auch der Tatbestand der Vergewaltigung soll vereinheitlicht werden. 

Ein Vorschlag für diese Richtlinien liegt schon seit knapp zwei Jahren auf dem Tisch, doch trotzdem tut sich bei dem Thema nichts. Denn um die neuen Regeln in Kraft treten zu lassen, müssen alle Länder der EU zustimmen. Und zwei Länder weigern sich, das zu tun: Frankreich und Deutschland. 

Das deutsche Justizministerium blockiert den Entwurf mit dem Argument, dass das Gesetz sowieso nie in Kraft treten wird. Marco Buschmann sagt, dass für solche Gesetze im Bereich Strafrecht nicht die EU zuständig ist, sondern die einzelnen Mitgliedsstaaten selbst.

Vergewaltigung: viele Staaten, viele Definitionen

Was ist eine Vergewaltigung? Die Antwort hängt davon ab, in welchem Land man sich befindet. In 14 Ländern der EU gilt das „Nötigungsprinzip“: Nur wenn der Täter Gewalt ausgeübt oder angedroht hat, war es eine Vergewaltigung. Ob dies so war, müssen die Frauen selbst vor Gericht beweisen können. Aber: Wie will man bitte angedrohte Gewalt beweisen, wenn der Täter nicht gerade einen Drohbrief vorab geschickt hat?

In Deutschland ist das anders geregelt. Seit 2016 gilt hier das Prinzip: „Nein heißt Nein”. Das bedeutet, dass jede sexuelle Handlung, die gegen einen „erkennbaren Willen” passiert, unter Strafe steht. Das Problem an diesem Modell ist aber, dass das Opfer die Mitverantwortung trägt und im Zweifel gefragt wird: „Warum hast du nicht einfach Nein gesagt“? 

Dabei ist es wissenschaftlich erwiesen, dass viele Frauen in solchen Situationen in eine Schockstarre verfallen, den sogenannten „Rape Freeze“. In Schweden zum Beispiel gilt deshalb: „Nur Ja heißt Ja“ – das bedeutet, jede sexuelle Handlung ohne ausdrückliches Zustimmen ist eine Vergewaltigung. Diese Regelung will die EU-Kommission in ganz Europa einführen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die neue Regelung wäre ein feministischer Meilenstein und das Argument der Bundesregierung, warum sie an dieser Stelle blockiert, ist etwas dünn. Das findet übrigens auch der deutsche Juristinnenbund. Vielleicht hat das auch Marco Buschmann mittlerweile begriffen, denn er reagierte auf den Brief und betonte, dass ein Satz aus den Richtlinien gestrichen werden müsste, aber in den anderen Punkten Deutschland die geplante Richtlinie unterstützt. Hoffen wir also, dass auch Frankreich mitzieht. Denn wenn die Mitgliedstaaten keinen Konsens finden, droht die Richtlinie zu scheitern








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